Nana Ekvtimishvili - Das Birnenfeld / Mskhlebis Mindori

  • Verlagstext:


    Der Geschichtslehrer muss sterben, die Kinder sollen über das Birnenfeld in die Freiheit rennen – das ist Lelas Plan. Im Internat für geistig behinderte Kinder in Tbilissi, einem Relikt aus Sowjetzeiten, hat das zornige Mädchen die Rolle der Beschützerin übernommen. Die Lehrerinnen sind mit den „Debilen“ überfordert. Behindert sind die wenigsten ihrer Schützlinge, im Stich gelassen, abgehängt sind sie alle. So mörderisch Lelas Hass auf den Geschichtslehrer, so schwesterlich ihr Verhältnis zu Irakli: Sie begleitet ihn in eine Hochhauswohnung in der Nachbarschaft, wo er einmal in der Woche mit seiner Mutter in Griechenland telefonieren darf. Irakli will nicht wahrhaben, was Lela längst weiß: Seine Mutter wird nie zurückkehren, sie wird ihn auch nicht zu sich holen. Lela zwingt ihn, Englisch zu lernen, unterstützt seine Hoffnung, nach Amerika zu gehen. Ein Traum, der eines Tages, als ein Ehepaar aus den Südstaaten anreist, wahrzuwerden droht…

    Quelle: amazon.de



    Meine Meinung:


    Ich hatte zunächst Mühe, in diesen Roman hineinzufinden - kein klarer Handlungsbeginn und zu viele Figuren auf einmal (deren für mich nicht immer geläufige georgische Namen zunächst auch noch schwer zuzuordnen waren).


    Beides scheint Konzept zu sein. Das erzählte Geschehen bildet einen Ausschnitt aus dem Leben der beteiligten Figuren ab und steht dabei doch nur für eine Runde in einer Endlosschleife, aus der die Figuren kaum entkommen werden. Und es sind viele Schicksale, die teils nur angerissen, teils intensiv verfolgt werden; viele Kinder und Jugendliche, die durch die Mühle der "Debilenschule" gedreht werden. Dabei sind die wenigsten InternatsschülerInnen tatsächlich geistig behindert. Bei den meisten handelt es sich um verwaiste, verhaltensauffällige oder dem wirtschaftlichen Überleben der Eltern schlicht im Weg stehende Kinder - den "Ausschuss" einer im Umbruch befindlichen Gesellschaft, der von staatlichen Maßnahmen nur bedingt aufgefangen werden kann. Eklatanter Personalmangel und schlimme hygienische Bedingungen, schlechtes Essen und noch schlechtere Zukunftsperspektiven führen dazu, dass die Kinder sich selbst überlassen sind, ihre soziale Hackordnung untereinander über Mobbing und Vergewaltigungen definieren und schließlich auch ihr Fortkommen als Jugendliche selbst in die Hand nehmen müssen. Wenige Lichtstreifen zeigen sich am Horizont - die eine schafft die Schule mit einem guten Abschluss und den Sprung an die Universität, der andere soll von einem amerikanischen Ehepaar adoptiert werden. Doch nicht immer ist es leicht, zwischen Schein und Sein dieser angeblichen Möglichkeiten zu entscheiden, und nicht alle Figuren stehen am Ende wirklich da, wo sie sich gern gesehen hätten... Die junge Lela, die selbst den Absprung von der "Debilenschule" nicht geschafft hat, unterstützt andere dabei, so gut sie kann, stößt aber immer wieder an die Grenzen ihrer Möglichkeiten.

    Mehr möchte ich zum Inhalt nicht verraten.


    Es ist die Grundstimmung des Romans, die mich stärker überzeugt hat als der eigentliche Handlungsbogen: Die unverschuldete Verwahrlosung dieser Randgestalten ist mit Händen zu greifen, ihre Perspektivlosigkeit schmerzt. Die wahren Werte einer Gesellschaft zeigen sich an ihrem Umgang mit den Schwachen. Hier deckt Nana Ekvtimishvili ohne moralischen Zeigefinger, sondern nur durch ihr unaufgeregtes Erzählen dieser unsäglichen Zustände einige Kehrseiten des postsowjetischen Georgien auf. Ein Buch, das trotz der starken Protagonistin Lela - oder vielleicht gerade wegen ihr - sehr traurig stimmt.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    :study: Jutta Aurahs - Katzen :cat:

    :study: Han Kang - Griechischstunden

    :musik: Asako Yuzuki - Butter (Re-???)

    :musik: Satoshi Yagisawa - Die Tage in der Buchhandlung Morisaki

    :montag: Deb Olin Unferth - Happy Green Family (Reread)





  • das georgische Original zu sehen.

    Das ist viel hübscher als das deutsche Cover. Und die Schrift ist so schön.

    Ich finde es auch optisch viel ansprechender und so wäre es für mich ein Kandidat für einen Coverkauf gewesen, die deutsche Ausgabe eher nicht. :lol:


    Allerdings passt das Cover der deutschen Ausgabe prima zum Inhalt des Buches (inwiefern, verrate ich jetzt nicht), während das Cover der georgischen Ausgabe lediglich den Titel grafisch umsetzt.

    :study: Jutta Aurahs - Katzen :cat:

    :study: Han Kang - Griechischstunden

    :musik: Asako Yuzuki - Butter (Re-???)

    :musik: Satoshi Yagisawa - Die Tage in der Buchhandlung Morisaki

    :montag: Deb Olin Unferth - Happy Green Family (Reread)





  • Squirrel

    Hat den Titel des Themas von „Nana Ekvtimishvili - Das Birnenfeld / Mskhlebis Mindori / მსხლების მინდორი“ zu „Nana Ekvtimishvili - Das Birnenfeld / Mskhlebis Mindori“ geändert.