Ines Thorn - Die Bilder unseres Lebens

  • Familie Lehmann verliert nach dem Krieg ihr Lebenswerk und Familienunternehmen, das Kino „Die Schauburg“ in Leipzig. All ihre Kraft und Leidenschaft haben sie in dieses gesteckt, nun müssen sie zusehen, wie es durch die Enteignung des DDR-Regimes einfach weggenommen wird. Mutter Ursula darf zwar weiter dort arbeiten, doch sie hat keinerlei Mitspracherecht mehr, was die Filmauswahl betrifft, sie hat sich einfach zu fügen. Zudem ist ihr Ehemann Gerhard verletzt aus dem Krieg zurückgekehrt und leidet immer noch unter den Nachwirkungen. Während Tochter Sigrid noch versucht herauszufinden, welche Berufsrichtung sie einschlagen möchte, lässt Sohnemann Stefan sich von nichts daran hindern, seinen Traum als Filmemacher in die Tat umzusetzen. Dafür flüchtet er sogar in den Westen nach Berlin und ist durch die Mauer lange Zeit von der Familie getrennt…


    Ines Thorn hat mit „Die Bilder unseres Lebens“ einen sehr unterhaltsamen und gefühlvollen Roman vorgelegt, der anhand einer Familie die Auswirkungen der Trennung Deutschlands bis zum Mauerfall begleitet. Der wunderbar flüssige und bildhafte Schreibstil entführt den Leser schnell in die Nachkriegszeit, wo er bei Familie Lehmann in Leipzig zu Gast sein darf und ihr Leben über einige Jahrzehnte beobachtet. Wer selbst keine Beziehungen in den ehemaligen Ostteil Deutschlands hatte und den Mauerfall sowie die damit verbundene Euphorie selbst miterlebt hat, wird von der akribischen Recherche der Autorin begeistert sein, die einen wunderbaren Einblick in das Leben hinter dem Eisernen Vorhang gewährt und auch mit wechselnder Perspektive die Sicht aus dem Westen mit einbezieht. Der Sozialismus im Osten, die Enteignungen und Repressalien, unter denen die Menschen in der ehemaligen DDR zu leiden hatten, werden hier sehr glaubwürdig geschildert und öffnen einmal mehr den Blick darauf, wie gut wir es im Westen eigentlich hatten. Ein weiterer schmerzhafter Prozess war die Trennung von Familienmitgliedern, die sich nicht einfach mal schnell besuchen konnten, zumal der eine oder andere gar nicht mehr einreisen durfte, wenn er nicht gleich beim Übertritt verhaftet werden wollte, wird ebenfalls anschaulich vor Augen geführt.


    Die Charaktere sind wie aus dem wirklichen Leben gegriffen, die Autorin hat sie sehr menschlich und glaubwürdig ausgestaltet und ihnen stellvertretend für viele andere ein Gesicht gegeben. So verfolgt der Leser eine realistisch anmutende Familiengeschichte, die so damals wirklich stattgefunden haben kann und deren emotionale Achterbahn auch am Leser nicht spurlos vorübergeht. Gerhard ist ein versehrter Kriegsheimkehrer, der noch lange mit seinem Trauma zu kämpfen hat. Er sieht die Zukunft in seiner Parteimitgliedschaft, vielleicht auch, um der Familie weitere Repressalien zu ersparen. Ursula trauert ihrem alten Kino nach, denn nachdem sie es abgeben musste, ist nichts mehr wie früher, aus Leidenschaft wurde bitterer Ernst, mit dem sie nur schwer zurechtkommt. Stefan geht für seinen Traum ein hohes Risiko ein, die Trennung und das so ganz andere Leben in Frankfurt entfernen ihn immer weiter von der Familie. Sigrid setzt auf Sicherheit mit ihrer Ausbildung als Lehrerin, doch macht es sie weder zufrieden und glücklich.


    Mit „Die Bilder unseres Lebens“ hat Ines Thorn mit viel Empathie ein sehr authentisches Bild der damaligen Zeit gezeichnet. Ein wundervoller historischer Roman, der spannend, gefühlvoll und tiefgründig ist und sich schnell ins Leserherz schleicht. Absolute Leseempfehlung!


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    Bücher sind Träume, die in Gedanken wahr werden. (von mir)


    "Wissen ist begrenzt, Fantasie aber umfasst die ganze Welt."
    Albert Einstein


    "Bleibe Du selbst, die anderen sind schon vergeben!"
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    gelesene Bücher 2020: 432 / 169960 Seiten

  • Schon Jahrzehnte wird das „Schauburg“ von der Familie Lindemann betrieben. Doch nach dem Krieg wird das Leipziger Kino enteignet. Besonders trifft es Ursula Lindemann. Sie hat in das Kino so viel Herzblut investiert und nun darf sie dort zwar weiterarbeiten, aber nicht mehr mitentscheiden. Die russischen Besatzungsmächte erlegen den Menschen immer mehr Einschränkungen auf. Man möchte einen sozialistischen Staat aufbauen. Gerhard Lindemann kommt versehrt zurück und schwer traumatisiert zurück. Tochter Sigrid weiß noch nicht so recht, was sie beruflich machen will und entscheidet sich dann Lehrerin zu werden. Dafür weiß Sohn Stefan umso besser, was er will. Er will Filme drehen und um das umzusetzen, flüchtet er sogar in den Westen. Wie soll es für die Lindemanns weitergehen?


    Ich habe schon einige Bücher von Ines Thorn gelesen und auch dieses Mal konnte mich die Autorin mit ihrer Geschichte wieder fesseln. Sie beschreibt anhand der Familie Lindemann, wie schwierig es unter den politischen Verhältnissen war, eine Familie zusammen zu halten, wenn man sich nicht mehr sehen darf. In der DDR war die Richtung vorgegeben und die Menschen wurden durch Bespitzelung bei der Stange gehalten. Die Planwirtschaft war verantwortlich für leere Regale und oft jahrelange Lieferzeiten für bestimmte Produkte. Doch die Menschen wussten sich zu helfen. Auch wenn im Westen das Wirtschaftswunder für Aufschwung sorgte, so war doch nicht alles Gold was glänzt.


    Wir dürfen die Lindemanns auf beiden Seiten der Mauer begleiten, bis diese dann fällt. Die Charaktere sind gut und authentisch beschrieben. Sie haben ihre kleinen und großen Probleme, ihre Träume, Hoffnungen und Ängste.


    Ich konnte gut nachvollziehen, was die Trennung der Lindemanns für die Familie bedeutet, habe ich doch selbst erlebt, wie unsere Familie gespalten war, da durch den Krieg einige im Westen gelandet sind und der Rest in Danzig lebte.


    Die Autorin hat gut recherchiert und es ist ein lebendiger und sehr realistischer Roman entstanden, der mir sehr gut gefallen hat.