Richard Wagamese – Der gefrorene Himmel / Indian Horse

  • Original : Englisch/Canada, 2012


    INHALT :

    Saul Indian Horse lebte als Kind mit seiner Familie zurückgezogen in den Wäldern, durch seine Großmutter insbesondere mit den alten Traditionen verbunden. Doch in diesen 50iger, 60iger Jahren suchen die Autoritäten nach den Ojibway Jugendlichen und Kindern, wollen sie « entindianisieren » und stecken sie in Heime. Saul verliert alles und alle…, bis er im Heim das Eishockeyspielen kennen- und liebenlernt...


    BEMERKUNGEN :

    Trotz der über der Familie drohenden Wolke an Unannehmlichkeiten existenziellster Art, und den allerersten Seiten, die spätere Probleme ankündigen, steht ein erster Teil des Romans über die frühste Kindheit – und die letzten kommen irgendwie darauf zurück – in jenem besonderen Einklang der indianischen Lebensweise mit der Natur. Doch dann bricht alles zusammen, und der achtjährige Saul landet in einem schrecklichen Heim, in der alles Indianische abegelegt zu werden hat. Bestrafungen teils schrecklichster Art, Mißbrauch sind an der Tagesordnung. Trost, Kraft und Energie gewinnt der Heranwachsende beim Eishockeyspiel, wo er einstweilen erst nur mal zuschauen darf. Doch er trainiert heimlich, entwickelt ungeahnte Fähigkeiten und eine Sicht, eine Schau aufs Spiel, die ihn bei einem ersten Einsatz schnell als Ausnahmespieler erkennen lassen.


    Diese Fähigkeiten bringen ihn in beste Teams des Landes, doch vermehren noch seine Einsamkeit und Isolierung. Dieses « Weiße Spiel » (französischer Titel des Buches) wird von den Weißen als « ihr » Spiel beansprucht ? Außerhalb der indianischen Mitteams werden sie immer wieder Opfer von Ausgrenzung und Verhöhnung. Das Spiel nimmt also einen großen Platz des Romans ein. Dennoch geht es wohl zunächst um die bleibenden Schäden von erzwungener Institutionalisierung, Mißbrauch und Rassismus. Hier merkt man einen dermaßen authentischen Ton, dass man wohl sicher sein kann, dass Wagamese erneut aus dem eigenen Leben schöpft...


    Inzwischen hatte ich in diesem Jahr schon zweimal Bücher des Autors in der Hand ( https://www.buechertreff.de/se…61021/?highlight=wagamese) : er entwickelt sich für mich zur Garantie guter Lektüre ! Und in diesem Falle nicht nur, wenn man schon Zugang zum Eishockey hat, sondern sich für die Leidenswege der Indianer im XX.Jahrhundert interessiert.


    Das Buch wurde inzwischen verfilmt, übrigens mit Clint Eastwood als Produzenten ! https://www.amazon.com/Indian-…rse&qid=1585759175&sr=8-6


    AUTOR :

    Richard Wagamese (14.Oktober 1955 – 10.März 2017) war ein kanadischer Schriftsteller und Journalist. Er gehörte zu den Ojibwe von den Wabaseemoong Nationen im Nordwesten Ontarios. Durch seine von den Ersten Völkern beeinflußten Bücher wurde er sehr bekannt und erhielt mehrere Preise.


    Er wurde früh von seiner Familie getrennt und wuchs in Ziehfamilien unter teils schrecklichen Verhältnissen auf, wo man die indianischen Ursprünge ausmerzen wollte. Er beschäftigte sich dann intensiv mit seiner eigenen Kultur, lebte aber auch eine Zeit auf der Strasse, Alkohol und Drogen verfallen. Er war mehrmals im Gefängnis. Erst nach 21 Jahren kam er wieder zu seiner ursprünglichen Familie. Und erzählte von seinem Leben. Ein Ältester gab ihm dann den Namen Mushkotay Beezheekee Anakwat – Buffalo Cloud – und sagte ihm, dass es seine Rolle sei, Geschichten zu erzählen.


    Wagamese war dreimal verheiratet und geschieden, hatte zwei Söhne.



    Paperback: 240 pages

    Publisher: Milkweed Editions; First Paperback Edition edition (April 10, 2018)

    Language: English

    ISBN-10: 1571311300

    ISBN-13: 978-1571311306

    Product Dimensions: 5.5 x 0.5 x 8 inches

  • Du bist ja wirklich voll im Wagamese-Fieber; wann liest du Erdrich? :wink:

    :study: Jutta Aurahs - Katzen :cat:

    :study: Han Kang - Griechischstunden

    :musik: Asako Yuzuki - Butter (Re-???)

    :musik: Satoshi Yagisawa - Die Tage in der Buchhandlung Morisaki

    :montag: Deb Olin Unferth - Happy Green Family (Reread)

    :montag: Rumi - Die Musik, die wir sind





  • Du bist ja wirklich voll im Wagamese-Fieber; wann liest du Erdrich? :wink:

    Jo, da weiß man, was man hat.


    Jo, die steht eigentlich echt auf der Liste!? :-k

  • Falls es dich nicht stört, zwischen vielen Strängen hin- und herzuspringen, und dich indianischer Schamanismus interessiert, kann ich "Ein Lied für die Geister" wärmstens empfehlen. "Die Wunder von Little No Horse" bewegt sich im Spannungsfeld von Identität, Missionierung durch die katholische Kirche, Landverlust u.ä. - einmal aus der Perspektive des Priesters und in "Spuren" aus der Perspektive einiger der beteiligten Ojibwe-Familien.


    Von Wagamese subt bei mir der "Hüter der Trommel" und wird bestimmt bald gelesen werden. :D

    :study: Jutta Aurahs - Katzen :cat:

    :study: Han Kang - Griechischstunden

    :musik: Asako Yuzuki - Butter (Re-???)

    :musik: Satoshi Yagisawa - Die Tage in der Buchhandlung Morisaki

    :montag: Deb Olin Unferth - Happy Green Family (Reread)

    :montag: Rumi - Die Musik, die wir sind





  • Erscheint am 08. April 2021

    Tolle Nachricht für die deutschen Leser! Bitte an die Mods ( Squirrel @K-G Beck-Ewe ?) den Fredtitel zu erweitern! Danke!

  • K.-G. Beck-Ewe

    Hat den Titel des Themas von „Richard Wagamese – Indian Horse“ zu „Richard Wagamese – Der gefrorene Himmel / Indian Horse“ geändert.
  • Beim stöbern habe ich wiederum dank tom leo einen Autor entdeckt welchen ich wie auch Louise Erdrich welche hier immer wieder erwähnt wird im Fokus habe. Da ich praktisch nur noch über die Onleihe deutsche Bücher lese ist es nicht immer leicht an diese Autoren zu kommen.

    Nun habe ich gesehen dass es das Buch in italienisch gibt und "schwups" ist es auf der Einkaufsliste - (Die Buchhändlerin unsere Stadt ist immer sehr begeistert wenn ich mal wieder ein Buch eines Autors bestelle welcher nicht sehr bekannt ist)

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter

  • Nur kurz - ich lese das Buch im Moment - tue mich aber sehr schwer damit. Auch wenn der Autor mit viel Empathie die Geschichte schildert, es fällt mir schwer dies zu begreifen.


    Auch kann ich dem was in der St.Jeromes Indian Residential School passierte überhaupt kein Verständnis entgegen bringen.

    Zitat

    Alla St. Jerome operiamo per rimuovere quando c'e di indiano nei nostri bambini in modo che possano diventare prove viventi delle benedizione del Signore.

    Man versucht den Kinder das was ihre Kultur ausmacht zu "entreissen", auch wie man lesen kann wie sie bestraft werden wenn sie nicht englisch sprechen. Das einzige was bis jetzt ein Lichtblick ist - wie Saul zum Hockey findet. (Ich als absoluter Hockeyfan mit zwei Söhnen welche seit sie laufen können diesem Sport frönen, kann seine Gefühle dafür nachvollziehen)


    Vor allem das wissen, dies war die Wirklichkeit und erst 2008 hat sich der kanadische Ministerpräsident Stephen Harper öffentlich entschuldigt für all das was den Ureinwohner des Landes angetan wurde.

    Kanada weint nach der historischen Geste.

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter

  • Wie könnte man dies begreifen.... - verständlich! Vielleicht wartest Du die letzten Seiten ab, in denen einiges nochmals "erklärt" oder in ein anderes Licht gestellt wird, erschreckend irgendwie. Aber es war Realität, und Wagamese - siehe seine Biographie - wird vieles davon am eigenen Leib erfahren haben...

  • Eigenzitat aus amazon.de


    So, ich habe das Buch gerade zuende gelesen. Die Idee Kinder aus 'ungeeignete' Familien zu nehmen (First Nations, Aborigines, Torres Insulaner, Maori, alleinerziehende irische Mütter, Verdingkinder, etc.) um ihnen in einem institutionalisiertem Zusammenhang die 'richtige' Werte zu vermitteln (s. auch Jungschar, HJ, BDM etc.) ist leider historisch sehr verbreitet gewesen - und nicht selten waren religiöse oder pseudo-religiöse Gruppierungen daran beteiligt gewesen.


    Hier lesen wir eine solche Geschichte aus der Sicht des jungen Saul Indian Horse, der mit 13 in eine klösterlich geleitete Schule in Kanada kam, in der er eine Menge grauenhafter Dinge sah - und teils such selbst erlitt - bis er mit Hilfe eines Geistlichen das Eishockey für sich entdeckt, das für eine gewisse Zeit für ihn eine Art 'Du kommst aus dem Gefängnis frei' - Karte wird, bis er in den höheren Ligen des Landes in den 60ern Jahren eine massierten Rassismus von Medien, Publikum, Gegnern und der eigenen Mannschaft erlebt, dass sein Leben an Sinn zu verlieren droht - und immer weniger lebenswert erscheint.


    Ein eindringliches und sehr wütend machendes Dokument des Rassismus, der 'zivilisatorischen' postkolonialen Arroganz und beständiger Kindeswohlgefährdung. Mechanismen, die nicht nur auf die Betroffenen, sondern auch auf ihre Kinder und Enkel wirken.

  • Ein eindringliches und sehr wütend machendes Dokument des Rassismus, der 'zivilisatorischen' postkolonialen Arroganz und beständiger Kindeswohlgefährdung.

    ... und die Auffindung der Massengräber neben einigen Residential Schools gibt diesem Buch eine unglaubliche und sehr bedrückende Aktualität.

    Hier merkt man einen dermaßen authentischen Ton, dass man wohl sicher sein kann, dass Wagamese erneut aus dem eigenen Leben schöpft...

    Ich denke auch, dass Wagamese hier seine eigene Biografie nutzt, und man kann nur den Hut ziehen, wie er mit seiner Biografie und seinen Erlebnissen umgeht. Das Buch klagt an, aber diese Anklage geschieht indirekt einfach nur durch das Erzählen.

    Saul bleibt trotz seines genialen Spiels und seiner Erfolge immer der Außenseiter, immer der Indianer, immer wird er auf seine Herkunft reduziert. So erscheint sein Absturz/sein Abdriften in Alkohol und Gewalt nur logisch. Der junge Saul erlebt eine Welt, die ihm keinen Raum bietet. Ein beklemmendes Gefühl.


    Mir hat der Roman auch sprachlich sehr gut gefallen. Manchmal muss man lyrisch werden :) , aber die Sprache ist so klar und so reduziert wie die arktische Luft, in der Saul Hockey spielt.

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Dieses Buch möchte ich vielen Lesern ans Herz legen. :love:

    Innerhalb weniger Stunden gelesen und zutiefst beeindruckt zurückgeblieben.

    Ganz klare :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertungHalb: Sterne.


    Es ist eine Aufarbeitung der historischen Geschichte der Unterdrückung und Entwurzelung, am Beispiel von Saul Indian Horse aus dem Volk Ojibwe. Gewaltsame Unterbringung in einem Internat, Misshandlungen, schwere Arbeit, Trostlosigkeit, Entwurzelung, Gewalt sind die Folge dieser Unterbringung. Aber auch die Liebe zum Eishockey. Sehr eindringlich berichtet der Autor darüber, wie das Leben des kleinen Jungen sich entwickelt.


    Die Art von Richard Wagamese diese Geschichte zu erzählen, gefiel mir sehr. Schon alleine die Tatsache, dass er eine Sportart - Eishockey - für die ich mich überhaupt nicht interessiere, so darstellen konnte, dass man mit großer Spannung darüber las, fand ich großartig. O:-)

    Ganz zu schweigen von der Art, wie er über das Leben von Saul berichtet. Der Autor hält eine gewisse Distanz zu den dramatischen Vorkommnissen, dennoch hinterlassen die bei dem Leser tiefe Spuren.

    Die Sprache ist klar, präzise und jedes Wort sitzt, ohne übertrieben dramatisch zu klingen. Dennoch erlebt der Leser ganz große Emotionen, vor allem Wut, Mitgefühl, Freude und tiefe Traurigkeit.

    Die Geschichte von Saul Indian Horse gilt stellvertretend für die ganze Generation. Schonungslos und von großer erzählerischer Dichte. Sehr zu empfehlen. :thumleft:

    2024: Bücher: 91/Seiten: 40 202

    2023: Bücher: 189/Seiten: 73 404

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    Mein Blog: Zauberwelt des Lesens
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    "Das Nicht-Wahrnehmen von Etwas beweist nicht dessen Nicht-Existenz "

    Dalai Lama

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    Lese gerade:

    Saunter, Mick - Im Angesicht des Zorns

    Naam, Ramez - Nexus

  • Emili, da sind wir tatsächlich einmal (fast) einer Meinung!

    :anstossen:

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • da sind wir tatsächlich einmal (fast) einer Meinung!

    Das freut mich. :anstossen: Sehr interessant wäre zu erfahren, in welchen Punkten du die Geschichte anders siehst?

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  • in welchen Punkten du die Geschichte anders siehst?

    Ich habe 5 Punkte vergeben. Und 5 Punkte vergebe ich nur, wenn das Buch ein hohes Maß an Emotionalisierung hat, ansonsten bleibe ich bei 4,5 Sternen stehen. Das sind natürlich ganz subjektive Kriterien.

    Und hier ist es der Gegensatz zwischen der klaren, kühlen Sprache (die so gut zum Sport und zur Landschaft passt) und dem, was diese Sprache transportiert: Ausgrenzung, Rassismus, Außenseitertum, Einsamkeit, Heimatlosigkeit, großes Leid. Und das alles ohne einen Funken Larmoyanz oder einen dramatischen Gestus.


    Ich kann Dir die anderen Bücher von Wagamese nur ans Herz legen. :love:

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Ich kann Dir die anderen Bücher von Wagamese nur ans Herz legen. :love:

    Danke für deine Meinung. Dass der Autor absolut nicht dramatisch klang, und dabei solche starke Emotionen erzeugte, hat mir auch imponiert. Normalerweise, stehe ich auf viel Dramatik, Aufregung und Spannung. Aber bei Wagamese fand ich es auch mit nüchterner Sprache.

    Ich werde mich auf jeden Fall nach anderen Büchern des Autors umsehen. :winken:

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