Mona Høvring - Weil Venus bei meiner Geburt ein Alpenveilchen streifte / Fordi Venus passerte en alpefiol den dagen jeg blei født

  • Klappentext/Verlagstext
    Zwei Schwestern: Ella und Martha, Anfang zwanzig. Sie sind im Abstand von nur einem Jahr am gleichen Tag geboren, fast wie Zwillinge und doch so unterschiedlich wie zwei Seiten einer Medaille – die dunkle, grüblerische Ella, die Ältere, und die helle, nicht fassbare, impulsive Martha. Gemeinsam fahren sie in ein Sanatorium mitten in den winterlichen norwegischen Bergen, das in der kalten, kahlen, weißen Landschaft "seine Schwingen über dem steilen Berghang ausbreitet". Hier soll Martha sich von einem Nervenzusammenbruch erholen. In der Abgeschiedenheit, dem aus der Zeit gefallenen Schwebezustand sind die Schwestern mit ihren Gefühlen konfrontiert, ihrer bis zu Marthas Heirat symbiotischen Beziehung und dem Drang, eigene Wege zu gehen. Als beide sich für die androgyne Rezeptionistin des Sanatoriums zu interessieren beginnen, führt das zu weiteren Spannungen und fordert Entscheidungen. In einer ebenso einfachen wie kraftvollen Sprache erzählt Mona Høvring die Geschichte von Ella und Martha und der Stärke, die aus der Suche nach der eigenen Identität entsteht. Ein Buch über Jungsein, Bindungen und Eigenständigkeit, erotische Erkundungen, Gefühlsverwirrungen und vor allem über innere Freiheit.


    Die Autorin

    Mona Høvring, geboren 1962 in Norwegen, vielgerühmt für ihr Sprachtalent, ist Lyrikerin und Romanautorin zugleich. Zu ihren literarischen Vorbildern zählen Stefan Zweig, Natalie Sarraute und Clarice Lispector. »Weil Venus bei meiner Geburt ein Alpenveilchen streifte« ist ihr vierter Roman. Schon ihr Erstling von 2004, das erst jüngst auf Deutsch erschienene »Was helfen könnte«, stieß auf begeisterte Resonanz. Für ihr Gesamtwerk erhielt Mona Høvring 2012 den Språklig samlings litteraturpris. »Weil Venus bei meiner Geburt ein Alpenveilchen streifte« wurde mit dem renommierten Kritikerprisen 2018 für den besten norwegischen Roman des Jahres ausgezeichnet.


    Nachwort: Nicole Seifert


    Inhalt

    Martha und Ella sind per Bus auf dem Weg in ein verschneites Alpendorf. Ach nein, bitte noch einmal zurück. Martha liebt Stefan Zweig und hatte sich die verschneite norwegische Landschaft nur vorgestellt wie eine Abbildung aus einem Reiseprospekt der Alpenregion. Die Schwestern reisen zu einem Erholungsaufenthalt für Martha an, die nach einem Zusammenbruch gerade aus der Reha-Klinik entlassen wurde. Die behandelnde Ärztin hatte betont, dass es sich bei Marthas Problem um eine Krankheit handelt. Mutter Karlotta legt Wert darauf, dass Martha zu ihrem Genesungsurlaub begleitet wird und finanziert die Reise. Die Schwestern wurden mit nur einem Jahr Abstand geboren, so dass sie als Kinder vermutlich oft für Zwillinge gehalten wurden. Die Vermutung liegt nahe, dass beide ihre Eifersucht auf die Schwester nie überwanden und ihre Beziehung bis heute nicht einfach ist. Die logisch denkende, mathematisch begabte Ella, die sich selbst wenig zutraut, und Martha mit dem Bedürfnis nach Eleganz könnten nicht gegensätzlicher sein. Martha versuchte schon in jungen Jahren vergeblich, aus der Symbiose mit ihrer Schwester auszubrechen, indem sie heiratet und nach Dänemark zieht.


    Mit der Ankunft der Schwestern wird deutlich, dass in diesem Roman nichts so ist wie im ersten Moment erwartet, weder für die Icherzählerin und Tagebuchschreiberin Ella, noch für Mona Høvrings Leser/innen. Ein Motorradfahrer erweist sich als die androgyne Dani, die die Liebhaberin der Rezeptionistin sein und damit Ellas Eifersucht befeuern könnte.


    Fazit

    Es geht in der gerade einmal 120 Seiten langen Coming-of-Age-Geschichte um Nähe, Distanz, Begehren, Abnabelung von der Mutter, Motive, die uns aus Volksmärchen vertraut sind. Der Roman erzeugt seine Wirkung in der Fantasie der Leser, oft lässt ein einziger Satz in der Vorstellung eine ganze Geschichte ablaufen, gerade wenn es um Erotik und Begehren zwischen den vier Frauen geht. Ein so knapper Text, der deshalb perfekt ist, weil darin nichts mehr weggelassen werden kann, eignet sich m. A. ideal für Literaturgruppen. Die Teilnehmer/innen erhalten damit ein überschaubares Lesepensum und umso mehr Diskussionsanreize.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Ravik Strubel - Blaue Frau

    :musik: -- Catton - Gestirne; Rehear


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow