Kate Atkinson - Glorreiche Zeiten/A God in Ruins

  • Schon als Kind ist Teddy so naturverbunden wie vernarrt in Sprache und Literatur und bleibt diesen Vorlieben auch als erwachsener Mann ebenso treu wie den Werten, an die er glaubt wie Integrität, Sparsamkeit und harte Arbeit. Doch was sein langes Leben am stärksten prägen wird, ist seine Zeit als Bomberpilot im Zweiten Weltkrieg, eine Tätigkeit, die so gar nicht zu dem stillen Mann zu passen scheint, der lieber Vögel beobachtet als auf die Jagd geht und sich nicht gerne in den Vordergrund spielt.


    Seine Ehe mit Nancy, der Nachbarstochter seiner Kindheit, endet leider mit deren frühem Tod, zu seiner zunächst nur unkonventionell-freigeistigen und später ganz schön verbissenen und arroganten Tochter Viola hat er nie ein enges Verhältnis aufzubauen vermocht, weder zu ihrer Zeit als Hippiebraut noch später, als sie Karriere als Schriftstellerin macht (was schon an Ironie grenzt, weil er es nie geschafft hat, ihr seine Leidenschaft für Poesie und Sprache zu vermitteln). Zu seiner Enkelin wiederum knüpft er eine tiefe Verbindung, fast ist sie ihm die Tochter, die er so nie hatte.


    Zusammengefasst wirkt die Handlung dieses Romans gar nicht sonderlich aufsehenerregend, aber Kate Atkinson macht Teddys Lebensgeschichte lesenswert, indem sie sie nicht chronologisch linear erzählt, sondern langsam ein Puzzleteil nach dem anderen aus verschiedenen Zeitebenen vor den Lesern auslegt, bis sich alles zu einem großen Ganzen zusammenfügt und man manches neu bewerten muss und anderes plötzlich zu verstehen beginnt. Sie erzählt dabei nicht nur aus Teddys Perspektive, sondern schlüpft auch mit großem Einfühlungsvermögen in die Rollen von Viola, Nancy und seiner Enkelin Bertie, so dass wir Teddy sowohl in der Innenschau als auch mit den Blicken der anderen kennenlernen.


    Gleichzeitig ist das Buch ein schönes Zeitdokument über den Wandel, den die Welt zwischen Teddys Geburt zu Beginn des 20. und seinem Tod Anfang des 21. Jahrhunderts durchlaufen hat, eine Veränderung, die Teddy nicht immer nachvollziehen konnte, blieb er doch ein stückweit immer dem 2. Weltkrieg verhaftet, nicht zuletzt, weil ihn das Dilemma, mit seinen Bomberflügen Tod und Zerstörung auch über viele Zivilisten gebracht zu haben, nie ganz losgelassen hat. Gut recherchierte und geradezu detailverliebte Szenen aus dem Einsatz stehen in starkem Kontrast zu Teddys Liebes- und Familienleben, fast ist es, als sei er auf dem Pilotensitz ein ganz anderer Mensch, in einer Welt, zu dem seine Angehörigen keinen Zugang haben.


    Leser*innen, die "Die Unvollendete"/"Life After Life" kennen, werden dieses Buch mit besonderem Augenmerk auf Teddys Schwester Ursula lesen und immer wieder kleine Anspielungen darauf erkennen - den Schluss dieses Romans eingeschlossen.


    Ein ebenso schönes Buch wie "Die Unvollendete", das ich sehr gerne weiterempfehle.