Das Gefühl, wenn das letzte Wort eines Buches gelesen ist

  • Geht es euch auch so, dass ihr eine Emotion spürt, wenn ein Buch ausgelesen ist? Im Idealfall ist es ein Gefühl, das so etwas wie "schade" ausdrückt. Schade, dass es schon vorbei ist. Schade. dass es nicht weitergeht. Manchmal vielleicht auch einfach die Frage, was das denn war ...


    Gibt es Bücher, die euch mit einem tiefen Gefühl/einer tiefen Emotion zurückgelassen haben?

  • Ein Gefühl von "schade - schon zu Ende" habe ich eigentlich nie. Eher ein Glücksgefühl, weil ich mich freue ein gutes Buch gelesen zu haben. Die Freude über die herrliche Sprache, darüber wie es aus gegangen ist, die Vorfreude auf den nächsten Band... Bei Büchern mit offenem oder mysteriösem Ende kann ich noch lange grübeln und grübeln, was ich auch toll finde.

    Durch bestimmte Bücher (und auch Filme) habe ich oft auch eine Art Motivationsschub und möchte am liebsten gleich loslegen irgendwas bestimmtes umzusetzen oder fühle eine große Hoffung und Stärke in mir.

  • Das ist eine sehr schöne Frage, die du an uns richtest.


    Normalerweise geht es mir wie Gerswind: Ich frühe mich auch immer darauf, wieder was Neues anzufangen. Bei dem hier genannten Buch war es völlig anders. Ich habe es immer noch nicht weggelegt - innerlich. Warum mich das Schicksal zweier Menschen, die seit über 160 Jahren tot sind, so berührt hat, kann ich mir nicht erklären. Vielleicht ist es die Melancholie, die über der Sprache liegt, die Einsamkeit und Auswegslosigkeit, die das Tagebuch ausstrahlt. Ich weiß es nicht, aber fest steht, dass dieses Buch in meinem Gedächtnis bleiben wird.

    signed/eigenmelody

    Dear Life,

    When I said "Can my day get any worse?" it was a rhetorical question, not a challenge.

    -Anonymous

  • Bei mir ist das leider sehr unterschiedlich.

    In letzter Zeit merke ich das ich immer anspruchsvoller werde und nicht selten von Romanen enttäuscht bin.

    Meistens hadere ich mit der Auflösung bzw. dem Teil der danach kommt.

    Meiner Ansicht nach verpassen viele Autoren leider das Timing. Sie verstehen es zwar Spannung aufzubauen, aber sowie der Plot aufgelöst ist lässt das gute Gefühl bei mir nach. Ich habe einfach wenig Lust danach noch 150 Seiten 0815 Jagd auf Mörder zu machen oder die x-te Vernichtung der Menschheit zu verhindern,

    Deswegen bin ich gerade so ein wenig auf der Suche nach außergewöhnlichen Genres, abseits der ausgetretenen Thriller und Krimi Pfade.

    Ich möchte die Bücher gar nicht schlechtreden und denke eher es liegt an mir. Ich habe einfach schon viel gelesen und mich zu überraschen wird immer schwerer. Deswegen mache ich auch einen großen Bogen um Sebastian Fitzek, wo ich auf Seite Fünfzig bis Hundert meistens bereits alles durchschaut habe und dann bloß noch hoffe das er sich dieses Mal nicht so billig aus der Affäre zieht. Leider enttäuscht er mich nie.

    Seine Geschichten sind eben ein One Trick Pony und ohne dieses Element funktioniert das gesamte Konstrukt dann einfach nicht mehr.


    Abgesehen davon wird mir auch die Sprache immer wichtiger, Meta Ebenen und der Blick auf Menschen und Situationen.

    Denn es gibt sie natürlich, diese besonderen Bücher. Was sie so besonders macht, ist dabei ganz unterschiedlich.

    Wenn ich nach dem Ende nicht sofort in der Lage bin zum nächsten Titel zu greifen, muss etwas dran gewesen sein.

    Dann brauche ich oftmals mindestens eine Nacht, um alles sacken zu lassen und teilweise beschäftige ich mich dann noch sehr lange damit. Oder ich diskutiere - und streite - leidenschaftlich mit meiner Frau über die Interprationen, versteckte und reale Bezüge. So etwas lieben wir einfach.

    Wir verwenden auch ganz gern mal Begriffe aus den Büchern, die sich dann als Insider in unserem Alltag etablieren. So bleibt der "gelbe Backsteinweg" uns auf ewig erhalten oder wir verwenden King`sche Turm Begriffe und wähnen uns auch mal in einem alternativen 1Q84, wenn etwas absurd ist.

    Einige Titel bleiben einem eben im Gedächtins und begleiten einen durch das Leben.

    Ich denke z.B. an Margaret Atwoods "Report der Magd" oder Ketchums "Evil" die in mir wirklich etwas ausgelöst haben. Das muss auch nicht immer Entsetzen sein, denn wenn ich Frederik Backman und seine "Kleine Stadt der großen Träume" oder "Der Mann namens Ove" denke, dann muss ich unwillkürlich lächeln.

    Weil ich dann an wundervolle, fast schon spielerisch formulierte Sätze denken und eine gewisse Leichtigkeit damit assoziere.

    Bei den wirklich guten Autoren fasziniert mich auch ihr Blick auf Menschen oder auf Situationen. So gibt es bestimmt wenige Autoren die eine amerikanische Kleinstadt so gut beschreiben und sezieren können, wie ein Stephen King. Den halte ich sowieso für den größten Geschichtenerzähler unserer Zeit.

    Genau wie Murakami für mich ein großer Zauberer ist, dessen Tricks ich nicht immer durchschaue.

    Denn manchmal fasziniert er mich schon mit einem einzigen Satz, der aber an sich nichts Besonderes an sich hat. Ich komme bisweilen einfach nicht drauf wie er es macht. Aber es steckt immer ein tieferer Sinn dahinter und dafür liebe ich ihn.

    Und noch heute erzähle ich jedem - ob er es wissen will oder nicht - wie großartig Cixin Liu das Fermi Paradoxon aufgelöst hat und das ich weinen musste.

    Meine Frau liest jedes Jahr mindestens einmal Clavells Shogun und wir führen immer wieder dieselben Diskussionen darüber und im Anschluss schreibt sie an Netflix und Co, damit es neu verfilmt wird...Auch das gehört für mich dazu, weil herzzerreißend süß ist und ganz wunderbar (und ein bisschen nervig). :D


    Long story short:

    Bücher sind für mich viel mehr als Geschichten. Es ist das Hantieren mit Sprache, mit Emotionen, der Blick auf die Welt und die Menschen.

    Das suche ich und wenn ich es gefunden habe, kann ich das Buch kaum noch weglegen. Ans seinem Ende muss ich dann erstmal durchatmen, bevor ich es weglege.

    Immer wenn ich darüber nachdenke, komme ich zum selben Schluss: Bücher und das gedruckte Wort sind die größten Errungenschaften der Menschheit.

    Egal was noch kommt.

    "Ich bin eitel, hochmütig, tyrannisch, blasphemisch, stolz, undankbar, herablassend - bewahre aber das Aussehen einer Rose" Pita Amor

  • Bücher sind für mich viel mehr als Geschichten. Es ist das Hantieren mit Sprache, mit Emotionen, der Blick auf die Welt und die Menschen.

    Das suche ich und wenn ich es gefunden habe, kann ich das Buch kaum noch weglegen. Ans seinem Ende muss ich dann erstmal durchatmen, bevor ich es weglege.

    Immer wenn ich darüber nachdenke, komme ich zum selben Schluss: Bücher und das gedruckte Wort sind die größten Errungenschaften der Menschheit.

    Egal was noch kommt.

    Das hast Du sehr schön formuliert!


    Auch, dass Du herausgearbeitet hast, dass "Schreibfabriken" auf Dauer nicht befriedigend sind und dass ein Autor den Umgang mit Worten beherrschen sollte, hast Du klasse herausgearbeitet. Sehe ich auch so.

  • Geht es euch auch so, dass ihr eine Emotion spürt, wenn ein Buch ausgelesen ist

    da fragst du was, Maddin:winken: Eine gute Frage


    Bei mir stellt sich meist das Gefühl der Leere ein, wenn ich ein Buch beende. Meistens ist es so, dass ich gerne noch ein paar Seiten weiter gelesen hätte. Und ich lese keineswegs gerne kurze Bücher, also Bücher mit weniger als 300 Seiten.O:-) Es ist einfach ein Gefühl, dass es noch was gesagt werden könnte, dass man noch eine Anmerkung oder eine Handlung mit einbringen könnte. Weil ich mich halt ungern von Büchern, die mir gefallen, verabschiede. :pray:

    Es gibt zum Glück sehr viele Bücher, die ich gerne lese und in diesen Seiten verweilen kann.


    Ich bin in vielen Genres unterwegs und habe sehr viel Abwechslung, aber ich mag Bücher nicht, die abrupt enden, die die Handlung nicht bis zu Ende ausgelebt haben, die offene Enden haben. Ich mag abgeschlossene Geschichten, und wenn es nach mir ginge, dann auch etwas länger von der Seitenzahl her. O:-)

    Aber so sehr möchte ich es an die Seitenzahl nicht knüpfen, bei mir geht es eher darum, dass die Geschichte bis zum Ende erzählt worden ist. Ich mag es gar nicht, wenn die Geschichte ein offenes Ende hat.


    Aber zurück auf die Emotionen zu kommen: Ich bin in der Regel zwiegespalten, wenn ich ein Buch beende. Einerseits, bin ich traurig, dass eine Geschichte zu Ende ging, und anderseits freue ich mich eine neue anfangen zu dürfen.


    Da ich vom Gefühl her in der Geschichten, die ich lese, lebe, ist es schon eine starke Emotion, wenn diese zu Ende gehen.

    Aber ich freue mich auch auf die Neuen. :love:


    Es ist ein unglaubliches Privileg immer eine neue Geschichte anfangen zu dürfen. Um sich darin zu verlieren und bis zum Ende zu verfolgen. O:-)

    2024: Bücher: 90/Seiten: 39 866

    2023: Bücher: 189/Seiten: 73 404

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    Lese gerade:

    Scalzi, John - Die Gesellschaft zur Erhaltung der Kaiju-Monster

  • Ganz unterschiedlich. Es kommt durchaus vor, dass ich froh bin, fertig zu sein. 8-[


    Glücklicherweise ist es aber öfter der Fall, dass ich das Gefühl habe, liebgewordene Menschen zu verlassen. Oft frage ich mich auch, was wohl aus ihnen geworden sein könnte.


    Ich bin vor kurzem mit "Todesmarsch" von Stephen King fertig geworden und es würde mich schon interessieren, wie der Sieger sein Leben weiterlebt, wie er seiner Familie entgegentritt, wie er das Erlebte verkraften kann...


    Einerseits, bin ich traurig, dass eine Geschichte zu Ende ging, und anderseits freue ich mich eine neue anfangen zu dürfen.

    Ja, diesen Zwiespalt kenne ich auch. Ich werde den aktuellen Geschichten auch schon mal untreu und überlege schon einige Seiten vor Schluß, welches Buch als nächstes drankommt.


    Interessante Frage jedenfalls. Ich freu mich auf die Antworten...

  • Ich habe mal so einen ähnlichen Thread geöffnet und bin froh, dass es noch mehr gibt, die sich da Gedanken machen.


    Momentan bin ich nach jedem Buch froh, meinen SuB ein wenig abgebaut zu haben, weil auf jedem gelesenen Buch ca. 5 neue dazu kommen :D


    Aber mich beschäftigen die Bücher häufig immer noch ein wenig weiter und ich habe ab und zu auch Probleme, gleich zum nächsten zu greifen und mich auf dieses konzentrieren zu können. Deshalb versuche ich jetzt, meine letzten Gedanken dazu in Stichpunkten auf Klebezettel zu schreiben und ihnen eine Bewertung zu geben, damit ich es irgendwie abschließen kann.

  • Deshalb versuche ich jetzt, meine letzten Gedanken dazu in Stichpunkten auf Klebezettel zu schreiben und ihnen eine Bewertung zu geben, damit ich es irgendwie abschließen kann.

    Das finde ich hoch spannend.

    Ich mache es ähnlich. Ich habe in jedem Buch, nicht nur in Sachbüchern, ein Blatt liegen, auf das ich meine Gedanken zum Buch notiere. Nicht nur am Ende, sondern auch während des Lesens. Am Ende schreibe ich dann immer zusätzlich eine Zusammenfassung auf das Blatt.


    Was machst Du mit Deinen Klebezetteln? Verbleiben sie beim Buch?

  • Das Gefühl, ein Buch zu Ende gelesen zu haben, das mich in den Bann gezogen hat, ist für mich immer mit Bewunderung verbunden. Bewunderung deshalb, weil es eigentlich recht schwer ist, etwas so zu erzählen, dass es mich emotional mitreißt. Manchmal nehmen mich solche Bücher auch sehr mit, und ich denke noch lange darüber nach, bevor ich ein neues Buch anfange, von dem ich dann zwangsläufig eher enttäuscht bin.


    Auf die Gefahr hin, zu nerven, da ich es schon oft im Forum erwähnt habe: "Haus der Schatten" von S.Y. Blank ist für mich so ein Buch. Ich war total fasziniert von der Erzählstruktur, dem unheimlichen Setting, das ohne Klischees das eines Geisterhauses ist, und den vielen Themen, die es detailliert und trotz der paranormalen Phänomene nachvollziehbar behandelt. Im Epilog verschwindet Giles' Geschichte, die er in einem Tagebuch festgehalten hat, unwiderruflich im Moor, so dass man als Leser quasi der einzige ist, der noch den Beweis seines unglaublichen Abenteuers auf Marmond House in Händen hält. Das fand ich raffiniert und so richtig stimmig zur Geschichte. Ein totaler Gänsehautmoment!


    Einerseits ist es schade, dass es solche Romane nicht öfter gibt, andererseits können sie aber auch recht aufwühlend sein und haben oft eine gewisse Tragik, der man als Leser psychisch nicht immer gewachsen ist, selbst wenn es sich eindeutig um Fiktion handelt.

  • Heute habe ich nach fast drei Monaten „Die unendliche Geschichte“ beendet und bin darüber schon eher traurig.
    Mir gefällt die Geschichte sehr gut, ich habe sie schon einmal gelesen und mir dieses Mal wirklich viel Zeit gelassen aber irgendwann ist eben die letzte Seite gelesen.
    Manchmal fällt mir der „Abschied“ schon schwer.


    Aber natürlich ist da auch die Freude, bald ein neues Buch beginnen zu können und so freue ich mich jetzt schon auf „Das Dschungelbuch“, das ich bald anfangen werde. :dance:

  • Zitat

    Was machst Du mit Deinen Klebezetteln? Verbleiben sie beim Buch?

    Ich lasse sie im Buch für den Fall, dass ich es noch mal lese. Ich schreibe jetzt auch immer dazu, wann ich sie zu Ende gelesen habe. Manchmal ändern sich ja auch Meinungen bzw. sind die Zettel auch Argumente, es noch mal zu lesen oder sie ggfs. auszusortieren.

  • Dieses "zwiegespalten" ist eine schöne Beschreibung.


    Da ist häufig ein wenig Melancholie, weil es nun zu Ende ist, aber gleichzeitig (je nach Buch natürlich) auch Freude, wenn es ein Happy End gibt. Manchmal hätte ich gerne noch ein paar Kapitel mehr gehabt.

    Die wirklich "guten" Bücher berühren mich und bleiben wirklich bei mir hängen. Ich kann auf Bücher im Regal deuten und sagen "das beste Ritterbuch, geniale Gesellschaftsstruktur, komplexe Welt, etc"

    Dass ich ein Buch emotionslos zur Seite lege passiert eher selten, wenn es nicht wirklich einordnenbar ist, ist es wohl eher eine Art Verwirrung, die bleibt. Die würde sich zwar unter Umständen mit dem zweiten Band verscheuchen lassen, aber wenn mich ein Buch derartig verwirrt oder ratlos zurücklässt, will ich den zweiten Teil gar nicht mehr lesen.

  • Na ja, tiefe Emotionen hatte ich bei diesem Buch eher nicht. Ich war eher froh, als ich zur letzten Seite umblättern konnte.

    Wäre es nicht ein Rezi Exemplar, hätte ich es mit Sicherheit nach den ersten Seiten schon abgebrochen.