Nils Pickert – Prinzessinnenjungs. ...

  • ... Wie wir unsere Söhne aus der Geschlechterfalle befreien


    Verlagstext

    Wir haben feste Erwartungen an die Geschlechterrollen, die Jungen zu erfüllen haben. Noch immer sollen sie stark sein, ab einem gewissen Alter lieber nicht mehr weinen und keine Röcke tragen.

    Der Feminist, Journalist und Vater Nils Pickert hat ein leidenschaftliches, gedanklich präzises und berührendes Plädoyer für die Freiheit von Geschlechterrollen in der Erziehung unserer Söhne geschrieben. Er beschreibt, wo diese Männlichkeits-Normierung beim Spielzeugkauf, auf dem Schulhof oder im Gefühlsleben stattfindet und wie sehr sie Jungen in ihrer Entfaltung schadet. Der Autor zeigt, wie sehr viele Jungen Fürsorglichkeit und Puppen lieben – und brauchen. Es gibt eine unendliche Vielfalt an Wegen, vom Jungen zum Mann zu werden. Wie Eltern ihre Söhne dabei unterstützen können, schildert Nils Pickert mit vielen Hinweisen und Beispielen.


    Klappentext

    „Jungen verdienen so viel mehr als das, was ihnen momentan angeboten wird. Sie verdienen Körperkontakt, Mitgefühl, Trost und Einhornglitzer. Sie verdienen es, Prinzessinnenjungs sein zu dürfen. Diesen Titel trägt das Buch nicht zufällig. In jedem Jungen steckt ein Prinzessinnenjunge. In jedem Jungen stecken Träume, Hoffnungen und Eigenschaften, die als unmännlich, schwach und mädchenhaft bezeichnet und als falsch markiert werden.Der Platz, den Jungen heute haben, um ihr Rollenverständnis zu entwickeln und ihre Identität zu finden, wird auf die Größe eines DINA4-Blatts beschnitten. Dabei ist die Frage nicht, ob Jungen heutzutage noch Jungen sein dürfen. Die Frage lautet vielmehr, ob jeder Junge er selbst sein darf? Dieser Frage möchte ich mit Ihnen nachgehen. Dafür werden wir uns anschauen, wie Jungen heutzutage aufwachsen. Welche Versionen von Männlichkeit unterstützen wir, bewundern wir, leben wir offen vor? Wann gelten Jungen wirklich als Jungen und warum werden sie »als Mädchen« abgewertet, wenn sie nicht den gängigen Männlichkeitsnormen entsprechen? Und vor allem: Was können wir tun, um Jungen aus der Geschlechterfalle herauszuhelfen? Jungen verdienen, gesehen zu werden, so wie sie sind. Sie sind jede Mühe wert, die wir auf uns nehmen können.“



    Der Autor

    Nils Pickert, 1979 in Ostberlin geboren, hat Literatur und Politik studiert und schreibt seither als freier Journalist in Die Zeit, taz, Schweizer Tagesanzeiger und im österreichischen Standard, wo er eine monatliche feministische Kolumne hat. 2012 hat er sich aus Solidarität für seinen fünfjährigen Sohn einen Rock angezogen und damit weltweit für Aufsehen gesorgt. Seit 2013 engagiert er sich in Wort und Tat für den Verein Pinkstinks gegen Sexismus und Homophobie. Mit seiner Lebenskomplizin und den gemeinsamen vier Kindern lebt er in Münster.


    Inhalt

    Nils Pickert ist der Mann, der (im Rock) mit seinem kleinen Sohn (im Kleid) durch Villingen ging. Ein kleiner Junge im leuchtendroten Kleid steht stellvertretend für Ängste vieler Eltern, ihr Kind könnte homosexuell sein, es würde sich hier nicht „nur um eine Phase“ handeln und ihr Sohn könnte von anderen ausgegrenzt werden. Pickert sieht sich selbst als Vater, der sich um Kinder sorgt, während seine Partnerin sie eher anfeuern würde. Die Kleiderfrage ist für den Autor Symbol einer Gesellschaft, die in vielen Bereichen an starren Geschlechtsidentitäten festhält und die darüber hinaus erhebliche Probleme mit Zwang gegenüber Jungen und Gewalt gegenüber Frauen hat. Vorurteile und Stereotypen entstehen im Kopf – und so setzt sich Pickert mit dem auseinander, was sich im Kopf von Eltern und Erziehern abspielt und was sich ändern müsste, damit sich in unseren Kindern auch das Prinzessinnenhafte, das Individuelle entwickeln darf. Der Autor ist u. a. in der DDR sozialisiert, hat in Berlin gelebt und erinnert sich bis heute an sein Gefühl hilfloser Erniedrigung, als sein bester Freund von anderen Kindern verhöhnt und von der Lehrerin drangsaliert wurde.


    Pickert beschreibt eine Gesellschaft, die abweichend vom Stand der Wissenschaft binäre Geschlechtsidentität erwartet, um einen Menschen einordnen zu können. Uneindeutigkeit könnten wir nur schwer aushalten und ohne Farben, Kleidungsstil und Haarlänge unbekannte Personen offenbar nicht „lesen“. Wir nehmen uns zu selten Zeit, die Persönlichkeit anderer Menschen einfach zu beobachten. Wer einmal versucht hat, schlicht ein Buch/Hörspiel/Spielzeug für ein Kind mit bestimmten Interessen zu besorgen, kennt es: Kinderartikel müssen einem Farbcode zuzuordnen sein, damit Erwachsene sich orientieren können. Ist einem Kind nicht sofort ein Geschlecht zuzuordnen, haben wir als Eltern versagt. Wir müssen uns bohrenden Fragen stellen, ob Uneindeutigkeit Jungen schaden wird und ob Mädchen mit handwerklichen Interessen nicht schon in der Grundschule unweiblich wirken.


    Als Vater von Söhnen und Töchtern setzt der Autor sich mit dem Einfluss von Pop-Kultur und Pornografie auf Rollenbilder und unser Verhältnis zur Gewalt auseinander, dem Heldenstatus in Jungengruppen, wie Jungen lernen, mit Schmerz und Wut umzugehen und was das alles mit der Vaterrolle und der Aufgabenverteilung in der Familie zu tun hat. Wer sich bereits mit Rollenzuschreibungen beschäftigt hat, kennt die Stichworte. Pickerts Darstellung unterscheidet sich durch seinen biografischen Ansatz und die klare Ansage, dass auch Söhne „Dinge geregelt kriegen müssen“. Er spricht Gewalt in der Familie an, Angst vor Demütigung unter Gleichaltrigen, aber auch die Kränkung des männlichen Egos, die bereits anspringt, wenn sie erst vermutet wird (der hat so geguckt und deshalb habe ich zugestochen). Nach irregeleitetem Flirtverhalten von Prominenten und Kränkungen durch „den Feminismus“ an sich kommt schließlich unübersehbar die Vaterrolle auf den Tisch. An der Not und Unbeholfenheit unserer Söhne wird sich nichts ändern, solange Väter nicht endlich die Hälfte der Workload tragen und nicht bloß „helfen“, nachdem sie ausdrücklich um etwas gebeten wurden.


    Fazit

    Pickert schreibt selbstkritisch als Mann und Vater, nicht als Pädagoge. Konkrete Tipps gibt es daher weniger, wie Familien am besten mit starren Rollenbildern umgehen, die einem von Außenstehenden und aus den Medien entgegenschallen. Sich nicht mehr zum Komplizen von Geschlechter-Stereotypen zu machen und sie direkt anzusprechen kann ein erster Schritt sein. Ein sehr gutes Buch, das mehr Väter erreichen könnte, wenn es einen Tick weniger intellektuell formuliert wäre und typografisch durch Absätze dem lesenden Auge auch mal eine Pause gönnen würde.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Ravik Strubel - Blaue Frau

    :musik: -- Catton - Gestirne; Rehear


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Buchdoktor

    Hat den Titel des Themas von „Nils Pickert – Prinzessinnenjungs.“ zu „Nils Pickert – Prinzessinnenjungs. ...“ geändert.
  • Warum "Emanzipation" kein feminines Wort ist...

    "Wie wir unsere Söhne aus der Geschlechterfalle befreien" - der Untertitel von Prinzessinnenjungs ist ein absolutes Understatement, denn die geneigten Leser*innen erfahren so viel mehr als das!

    Nils Pickert zeichnet einfühlsam nach, wie kleine Jungen (nicht nur Prinzessinnen-Jungs) mit toxischer Männlichkeit konfrontiert werden. Wie sie zu "Männern" heranwachsen, denen man keine weiblich konnotierten Charakterstärken zugesteht. Warum dieser patriarchale Jungs-gegen-Mädchen Quatsch und die immernoch fehlende Gleichberechtigung in unserer Gesellschaft beiden Geschlechtern nachhaltigen seelischen Schaden zufügt. Wie Männlichkeit zum kollektiven Über-Ich geworden ist und wie wir diesen Teufelskreis mit viel Liebe, Humor, gegenseitigem Respekt und auch Mut durchbrechen können.


    Dieses Buch ist so persönlich und stark, dass es mich stellenweise zu Tränen rührte. Wir können uns nur dankbar vor Autoren verneigen, die mit ihrem ganzen Sein hinter ihrer Botschaft stehen und sich dadurch zwangsläufig auch von ihrer verletzlichen Seite zeigen. Diese bedingungslose Authentizität mach Nils Pickert für mich zu einem großen Schriftsteller.


    Lies dieses Buch!

    Auch, wenn Du glaubst, schon alles über Feminismus zu wissen.

    Auch, wenn Du keinen eigenen Sohn hast.

    Auch, wenn der Anblick von kleinen Jungen in rosa Kleidern Dich eigentlich verunsichert.

    Auch, falls Du ein Mann bist, der von sich glaubt, nicht gern zu lesen.


    Und erst recht wenn Du ebenfalls glaubst, dass Coolness, Gefühlskälte und Gewalt nicht Synonym für Männlichkeit stehen dürfen. Du möchtest Dich mit einer konstuktiven Definition von Geschlechterrollen auseinandersetzen, die Männern, Frauen und allen dazwischen ein Maximum an persönlicher Freiheit zugesteht? Dann lies dieses Buch JETZT.:bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    "There are three rules for writing a novel. Unfortunately, no one knows what they are."

    W. Somerset Maugham