Ich habe die Taschenbuchausgabe gelesen, für die der Titel in "Krieg und Terpentin" geändert wurde, eine wörtliche Übersetzung des Originaltitels und viel passender als das schwammige "Der Himmel meines Großvaters" (Titel der Hardcoverausgabe). Denn auch wenn der neue Titel auf den ersten Blick etwas sperrig klingt, fasst er doch sehr schön zusammen, was das Leben von Urbain Martien, dem Großvater des Autors, geprägt hat: die Malerei und der erste Weltkrieg.
Urbain wächst in einfachen Verhältnissen auf, denn sein Vater ist zwar ein begabter Kirchenmaler, der sich auch auf die Restaurierung von Fresken und anderen Gemälden versteht, verdient aber sehr wenig, so dass die Familie oft genug auf die Wohltätigkeit anderer angewiesen ist und so mancher Wertgegenstand ins Pfandhaus wandert. Schon als kleiner Junge liebt es Urbain, dem Vater bei der Arbeit zuzuschauen, stundenlang kann er in der verschlossenen Kirche neben ihm sitzen und ihn einfach nur beobachten, und die Malerei wird auch für ihn zur Leidenschaft.
Doch zum Beruf machen kann er sie nicht, er muss zum Unterhalt der Familie beitragen und wird mit dreizehn in die Lehre gegeben, in eine Eisengießerei. Ein Arbeitsplatz, der Urbain so gar nicht entspricht mit dem Lärm, der Hitze und der ständigen Gefahr durch das glutheiße flüssige Eisen. Schließlich landet er beim Militär und durchleidet die vier langen Jahre des ersten Weltkriegs in schlammigen Schützengräben, unter Dauerbeschuss und Dauerstress, nur unterbrochen von längeren Genesungsphasen nach schweren Verwundungen.
Stefan Hertmans setzt sich hier mit seiner eigenen Familiengeschichte auseinander. Das Herzstück des Buches sind die persönlichen Aufzeichnungen seines Großvaters über den Krieg, die uns hautnah vor Augen führen, was für eine furchtbare Zeit das war und welchen grauenhaften Belastungen die jungen Männer an der Front (und auch die Zivilbevölkerung in den Kampfgebieten) ausgesetzt waren.
Um diesen Abschnitt herum, der größtenteils Originaltext sein dürfte (es wird nicht explizit geklärt), spürt Hertmans seinen Wurzeln nach, beginnend mit seinen Urgroßeltern und deren prekären Lebensverhältnissen, folgt Urbains Erwachsenwerden und der Geschichte von dessen großer Liebe und berichtet auch von seinen eigenen Erlebnissen mit und den Erinnerungen an seinen Großvater, einen Mann, an dem er sehr hing, der jedoch nicht immer ganz einfach im Umgang war. Allerdings stellt sich im Verlauf des Buches so einiges heraus, was des Großvaters Verhalten und Einstellung in manchen Dingen erklärt.
Übermäßig gefühlvoll ist der Tonfall des Buches nicht, aber trotzdem hat es mich sehr berührt, diese mit Fotos abgerundete Lebensgeschichte aus vergangenen Zeiten zu lesen, die uns heute ganz fremd erscheinen mit ihrer Betonung von Frömmigkeit und Pflichtgefühl gegenüber dem Vaterland, obwohl es noch gar nicht so lange her ist.