John Lewis-Stempel – Im Wald. Mein Jahr im Cockshutt Wood / The Wood. The Life and Times of Cockshutt Wood

  • Klappentext/Verlagstext

    Näher können sich Natur und Wort nicht kommen

    John Lewis-Stempel kennt den Cockshutt Wood von den Wurzeln der Buchen bis zu den Kronen der Eichen und auch sämtliche Tiere, die dort leben: die Füchsin, die Fasane, die Waldmäuse und Käuze. Für viele der Tier- und Pflanzenarten sind Wälder wie der Cockshutt Wood die letzte Zuflucht. Und auch der Autor findet hier seine Heimat. ›Im Wald‹ zu lesen bedeutet, ein Jahr inmitten seiner Bewohner und umringt von seinen Bäumen zu verbringen. Sei es Herbst, Frühling, Sommer oder Winter: Cockshutt Wood ist ein Stück Wald, das man nicht mehr verlassen möchte.


    Der Autor

    John Lewis-Stempel ist Farmer und Autor zahlreicher hochgelobter Bücher. er ist zweifacher Preisträger des renommierten Wainwright Prize for Nature Writing. Bei DuMont sind bisher ›Ein Stück Land‹ (2017) und ›Mein Jahr als Jäger und Sammler‹ (2019) erschienen. Mit seiner Frau und seinen zwei Kindern lebt er in England und Frankreich.


    Inhalt

    Der Journalist und Autor John Lewis-Stempel kauft das Anwesen Trelandon mit Blick auf die Black Mountains in Herefordshire, in einer Gegend, in der bereits seit dem 13. Jahrhundert seine Vorfahren als Landwirte arbeiteten. Er und seine Frau züchten zu diesem Zeitpunkt schon Schafe, sie möchten mehr Platz dafür und wollen vom Tourismus entlang des Offa’s Dyke Path profitieren, indem sie Zimmer vermieten und Wollprodukte auf Bauernmärkten verkaufen. Die 16 ha liegen idyllisch am Escley, ein verfallenes Farmhaus und 1000-jährige Eichen warten auf die neuen Besitzer. Das abgelegene Tal mit Blick auf die Red Mountains an der Grenze zu Wales scheint die letzte Wildnis Englands zu sein.


    Cockschutt heisst sein Wäldchen, weil die Engländer so ein Waldstück nannten, in dem Schnepfen mit Netzen gefangen wurden. Der Wald mitsamt einem kleinen Teich, dem Lewis-Stempel sich einen Jahreslauf hindurch als Tagebuch schreibender Beobachter widmet, ist beispielhaft für einen kleinen englischen Wirtschaftswald, in dem die Bewohner früher ihre Nutztiere weiden ließen und aus dem sie u. a. durch „Heckenknicken“ Nutzholz für Werkzeuge, Bauholz, Zäune, Särge und Karren holten. Das Beweiden durch Kühe und Schweine versorgt die Tiere mit Laubheu, lockert den Boden auf, reduziert das Brombeer-Gestrüpp und schafft damit Raum für Pilze und Kleintiere. Allerdings bietet Lewis-Stempels Waldstück nur 4 Red Poll Kühen Lebensraum.


    Der Autor zeigt sich hier wieder als Universaltalent. Mit Tieren aufgewachsen, hat er unbewusst die Lebenserfahrung seiner Eltern und Großeltern aufgesaugt und liefert seinen Lesern Einblick in die Tier- und Pflanzenwelt des südlichen England, in Regionalgeschichte, den umfangreichen lokalen Wortschatz und in Rezepte für die Verarbeitung von Früchten seines Waldes. Das Lewis-Stempel „den Wald“ als Kind zuerst in Abenteuerbüchern kennenlernte, hat seinem Nature Writing offensichtlich nicht geschadet. Heute, als Grund- und Waldbesitzer, hat er erfahren, dass er kaum einmal untätig den Blick über seine Ländereien gleiten lassen kann, sondern dass Waldarbeit meist schweißtreibende Schufterei ist und ihm dazu Horden von Mücken auf den Hals hetzt. Wald = Schweiß + Mücken. Ein Blick in die Geschichte erzählt davon, wie die ehemals üppigen Wälder der britischen Insel irgendwann nicht mehr bewirtschaftet wurden als Holz zum Bau und zum Schiffbau von anderen Materialien abgelöst wurde. Ein weiterer Blick richtet sich auf „Old Brown“, den Waldkauz, der durch den naturgemäß bewirtschafteten Waldboden offenbar ein so üppiges Nahrungsangebot findet, dass sein Gelege von Jahr zu Jahr um jeweils ein Ei zugenommen hat. An Selbstbewusstsein mangelte es dem Elternpaar Kauz noch nie, sie fühlen sich dafür verantwortlich, Eulen, Füchse, Dachse und fremde Hunde aus ihrem Revier zu vertreiben. Natürliche Feinde des Waldbesitzers sind außer dem Brombeergestrüpp das Vogeleier raubende Grauhörnchen und die ebenso rücksichtslose Kanada-Gans. Lewis-Stempel scheint im Innern noch immer das Kind zu sein, das in Abenteuerbüchern versank und das sich bis heute dafür interessiert, wie das Loch ins Blatt kommt, nachdem dort Gallmilben heranwachsen.


    Fazit

    Rein optisch ein Fest fürs Auge (mit der Coverillustration der Originalausgabe, illustriertem Buchdeckel und zartgrünem Leseband) lässt sich Lewis-Stempels neuestes Buch chronologisch im Jahresverlauf verfolgen, aber auch einfach verschlingen.


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    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Naylor - Die Stimme der Kraken

    :musik: --


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Der Autor und Landwirt Lewis-Stempel beschreibt die Veränderungen über ein Jahr in einem von ihm bewirtschafteten Wald. Er scheint seine nonchalante Methode der Wissensvermittlung nach "Ein Stück Land", seiner Schilderung der Vorgänge in einer Wiese über ein Jahr, perfektioniert zu haben: randvoll an Wissen und Zitaten, aber alles wie nebenbei serviert. Als würde er dem an sich geschichtslosen Wald über die Historie seiner Nutzung über die Jahrhunderte hinweg eine Geschichte verpassen, die den Menschen mit der Natur verzahnt. Das ist teilweise fast Poesie, strahlt dabei so viel Würde und Achtsamkeit aus, ist aber überhaupt nicht naturfrömmelnd oder ökokitschig. Öffnet die Sinne für das Zusammenspiel aller Kräfte in der Natur. Ein großartiges Buch! :love:

    White "Die Erkundung von Selborne" (103/397)

    Manner "Das Mädchen auf der Himmelsbrücke" (82/151)


    :king: Jahresbeste: Gray (2024), Brookner (2023), Mizielińsky (2022), Lorenzen (2021), Jansson (2020), Lieberman (2019), Ferris (2018), Cather (2017), Tomine (2016), Raymond (2015)

    :study: Gelesen: 57 (2024), 138 (2023), 157 (2022), 185 (2021), 161 (2020), 127 (2019), 145 (2018), 119 (2017), 180 (2016), 156 (2015)70/365)
    O:-) Letzter Kauf: Kuhl "Helenes Familie" (23.04.)

  • Wunderschöne Naturbeobachtungen, geprägt von einer Art des menschlichen Wirtschaftens, das einen Einklang zwischen den Bedürfnissen von diverser Flora und Fauna sucht. Ich habe das Buch ein Jahr lang monatsweise gelesen, dabei mittendrin (im Juni) angefangen und bin daher nun im Mai fertig geworden. Irgendwann werde ich es bestimmt wieder zur Hand nehmen und dem Autor nochmal ein Jahr lang durch seinen Wald folgen; es hat mir gut getan, mich geerdet und meinen eigenen Blick auf meine Umwelt geschärft.


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    :study: Han Kang - Griechischstunden

    :study: Nadia Murad - Ich bin eure Stimme

    :study: I. L. Callis - Doch das Messer sieht man nicht

    :musik: Asako Yuzuki - Butter (Re-???)

    :montag: Deb Olin Unferth - Happy Green Family (Reread)