John von Düffel - Der brennende See

  • Klappentext/Verlagstext

    Hannah, Tochter eines Schriftstellers, kehrt nach dem Tod ihres Vaters in die Stadt ihrer Kindheit zurück. An seinem Erbe ist sie wenig interessiert. Doch als Hannah erste Schritte unternimmt, die Wohnung des Verstorbenen aufzulösen, findet sie an seinem Totenbett das Foto einer Unbekannten. In der flimmernden Hitze eines erneut rekordverdächtig trockenen Aprils begibt Hannah sich mit diesem Bild auf Spurensuche. Bald muss sie erkennen, dass nicht nur die vertraute Landschaft ihrer Kindheit sich in Staub und Rauch auflöst. Alle Bilder der Vergangenheit entgleiten ihr, das ihres Vaters nicht zuletzt. Als sie dann auf die Fridays-for-Future-Aktivistin Julia stößt, die sich in ihrem Kampf um Klimagerechtigkeit auf fragwürdige Weise radikalisiert hat, muss sie feststellen, dass ihr Vater dieser jungen Frau am Ende näher stand als ihr. Womöglich ist sie sogar die wahre Tochter des Schriftstellers ...

    Ein Roman über eine Generation zwischen den Generationen: zwischen den Erblasten der Vergangenheit auf der einen Seite und einer sich rasant verändernden Zukunft auf der anderen.


    Der Autor

    John von Düffel wurde 1966 in Göttingen geboren, er arbeitet als Dramaturg am Deutschen Theater Berlin und ist Professor für Szenisches Schreiben an der Berliner Universität der Künste. Seit 1998 veröffentlicht er u. a. ›Vom Wasser‹ (1998), ›Houwelandt‹ (2004), ›Wassererzählungen‹ (2014) und zuletzt ›Das Klassenbuch‹ (2017). Seine Werke wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u. a. mit dem aspekte-Literaturpreis und dem Nicolas-Born-Preis.


    Inhalt

    Hannah muss nach dem Tode ihres Vaters dessen Haushalt auflösen und hat einen Termin mit dem Nachlassverwalter Lüders vor sich. Ihr Vater hatte sie als Kind nach der Trennung von seiner Frau allein versorgt. Bis ins hohe Alter war er leidenschaftlicher Schwimmer gewesen, verstummte jedoch als Schriftsteller. Wo er auch lebte, hatte man von ihm den Eindruck, er wäre ein Fremder und nur auf der Durchreise. Dass Gedächtnislücken seine abnehmende geistige Leistungskraft ankündigten, hat Hannah bei ihren letzten Besuchen nur zu gern verdrängt. Als Lesezeichen in einem Buch findet sie in der Wohnung das Foto einer jungen Frau und will - auch von schlechtem Gewissen angetrieben - unbedingt ergründen, ob die abgebildete Julia ihrem Vater näher gestanden haben könnte als Hannah selbst. Auf den einfachen Kiesweiher, in dem der Vater seine Bahnen zog, war Hannah als Kind schon eifersüchtig. Nun zerren dieser See und Hannahs Begegnung mit ihrer Heimatstadt private und ökologische Probleme in den Focus. Durch notarielle Verfügungen über mögliche Tantiemen ihres Vaters fühlt Hannah sich entthront. Bei anderen weckt der See Begehrlichkeiten nach der Bebauung von Ufergrundstücken und einer Sperrung des öffentlichen Zugangs. Profite sollen offenbar in Privathänden landen, eine Grundwassersenkung und die Versiegelung der Landschaft durch Bebauung auf Kosten der Allgemeinheit stattfinden. Hannahs Begegnung mit ihrer Jugendfreundin und deren erwachsenen Kindern konfrontiert sie mit diesen Konflikten. Die „Ende-der-Geduld-Bewegung“ ist als Folge-Organisation von Fridays For Future aktiv – und Hannahs Vater hatte mit den junge Leuten sympathisiert.


    Jedes Kapitel beginnt mit einem Wetterbericht aus einem beunruhigend warmen April. Mit dem Klimawandel scheint die vertraute Welt endgültig verschwunden. Häufige Waldbrände, ungewöhnlich früher Pollenflug und hoher Ozongehalt der Luft belasten die Menschen.


    Beinahe zu viele Probleme siedelt John von Düffel hier um einen ehemaligen Kiesweiher an. Ein schwieriges Vater-Tochter-Verhältnis, Sorgen von Existenzgründern, eine alternde Gesellschaft und der Umgang zweier Generationen mit dem Klimawandel sind nur einige davon. Die Verknüpfung privater, geschäftlicher und ökologischer Fragen und die Ansiedlung seiner Romane „am Wasser“ sind John von Düffels Markenzeichen und haben mich schon früher angesprochen. Neben Hannahs und Julias Vatersuche steht in seinem neuen Roman die Frage im Mittelpunkt, was wir der folgenden Generation vererben und für was wir Verantwortung tragen – für die Familie, die Gesellschaft, den Planeten?


    °°°°°

    Zitat

    Falls es in der Nähe einen Schauer gegeben hatte, musste der Niederschlag bis auf die letzte Pfütze verdampft sein. Ein leichter Regengeruch lag in der Luft. Aber damit es wirklich regnete, schien irgendetwas zu fehlen im Himmel über ihr, irgendein Riss oder Zusammenstoß, damit dieses graue, gestaltlose Wolkenplateau sein Wasser hergab.“ (Seite 301)


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