Stephan Ludwig – Unter der Erde

  • Kurzmeinung

    Sinas
    Toller Thriller, nichts ist wie es scheint. Erste Hälfte eher ruhig, zweite Hälfte ereignisreich.
  • Kurzmeinung

    Bartie
    Ein phantasievoller Thriller mit vielen unrealistischen Ereignissen.
  • Die e-book-Ausgabe ist ab 1.2. verfügbar


    Verlagstext
    Volkow, ein Dorf am Rand eines riesigen Tagebaugebiets. Täglich fressen sich die Bagger näher heran, in einigen Monaten wird das Dorf verschwunden sein. Doch die Bewohner bleiben, »man kümmert sich umeinander«. Das erfährt Elias Haack am eigenen Leib, als er an einem heißen Sommertag nach Volkow kommt. Die Neugier auf seinen Großvater Wilhelm hat ihn in das so malerische wie abgelegene Dorf gebracht. Elias hat Wilhelm seit über dreißig Jahren nicht mehr gesehen, doch das Wiedersehen währt nur kurz. Wilhelm stirbt, und Elias strandet bei der Suche nach seiner Herkunft, die weit in die Vergangenheit reicht, in Volkow. Es führt zwar ein Weg ins Dorf, aber wie es scheint, keiner mehr heraus. Je länger er im Haus seines Großvaters bleibt, desto merkwürdiger kommen ihm die Dorfbewohner vor. Warum harren sie aus, obwohl die Bagger von Tag zu Tag näher rücken? Was haben sie zu verbergen? Und was hat das alles mit Elias zu tun?


    Der Autor

    Stephan Ludwig arbeitete als Theatertechniker, Musiker und Rundfunkproduzent. Er hat drei Töchter, einen Sohn und keine Katze. Zum Schreiben kam er durch eine zufällige Verkettung ungeplanter Umstände. Er lebt und raucht in Halle.


    Inhalt

    Elias Haack hat seit Jahrzehnten nichts mehr von seinem Großvater gehört, als eine vergilbte Ansichtskarte mit der Einladung zum 90. Geburtstag des alten Wilhelm eintrifft. Seine Fahrt nach Volkow an den Rand des Braunkohletagebaus in der Lausitz endet abrupt – er hat auf der mehr als löcherigen Fahrbahn eine Panne. Aus Elias Plan, Wilhelm nur kurz zum Geburtstag zu gratulieren und schnell wieder zu verschwinden, wird so bald nichts werden. In Volkow führt die Dorfstraße in der einen Richtung direkt ans Tagebaugebiet, auf der anderen Seite riegelt eine für den Verkehr gesperrte Brücke das Dorf ab. Handy-Netz ist hier Glücksache. In wenigen Monaten wird der Bagger das Dorf beseitigen. Wie auf einem Brückenkopf, der in ein riesiges Brachgelände ragt, harren die letzten Einwohner aus - Arzt, Pfarrer, Automechaniker, Opa Wilhelm und seine Haushaltshilfe. Jeder Volkower scheint auf eine besondere Art durchgeknallt zu sein. Dass Betty den alten Wilhelm nicht im Stich lassen will, scheint ebenso logisch wie Felix Kolbergs Sorge um seinen geistig behinderten Bruder. Für Elias, den erfolgreichen Autor banaler Horror-Fantasy-Bücher, wird es allmählich unheimlich, wie genau sich Wilhelm über ihn informiert hat. Weshalb harrt Wilhelm hier aus und was sind das für alte Geschichten, die sich um den Winter nach Kriegsende ranken, als Wilhelm beschließt, nie mehr zu hungern? Seit Elias in Volkow ist, bedrängen ihn Flashbacks. Als Vierjähriger hat er in diesem Haus bei Wilhelm gelebt – und sich gefürchtet.


    Fazit

    Eine Handlung in der Gegenwart, Flashbacks ins Jahr 1985 und Wilhelms eingeschobenen Erlebnisse im Hungerwinter 1945/46 fügen sich zu einem Genre-Mix samt Krawall-Anteil und ironischer Autoren-Bespiegelung. Eine abgelegene Gegend mit bröckelnden Lost Places, ein Untergrund, der zu leben und zu sprechen scheint, und mittendrin eine Handvoll skurriler Typen – das klingt nach einem spannenden Setting. Rückblenden auf zwei Zeitebenen zwingen dazu, die eigene Wahrnehmung immer wieder infrage zu stellen. Die Krimihandlungen zugrundeliegende Logik habe ich streckenweise vermisst. Im Vergleich zu den schlagfertigen Dialogen enttäuscht mich die flache Sprache der beschreibenden Passagen mit schulaufsatzmäßig eingestreuten banalen Adjektiven: bleiches Mondlicht, dunkle Augenringe, ein ängstlicher Schrei … Die Lausitz als Krimi-Schauplatz hat jedenfalls Potential.


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    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Naylor - Die Stimme der Kraken

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    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Der erfolgreiche Fantasy-Horror-Autor Elias Haack hat eine Einladung zum 90. Geburtstag seines Großvaters erhalten. Er hat den alten Herrn schon über 30 Jahre nicht mehr gesehen und ist deshalb verwundert, aber er entschließt sich in die Lausitz zu fahren. Noch nicht ganz am Zielort angekommen, bemerkt er schon Probleme mit dem Handynetz und an der Ortseinfahrt fährt er unglücklicherweise über sogenannte Krähenfüße. Er selbst kann aus dem demolierten Auto aus eigener Kraft aussteigen und ins Dorf laufen. Das Haus des Großvaters findet er in dem überschaubaren Ort sofort. Außerdem bemerkt er ein ständiges Brummen, das von den herannahenden Baggern des Kohlebergbaus stammt, die 24 Stunden am Tag arbeiten und vermutlich in nicht einmal einem Jahr im Dorf ankommen werden. Zum Großvater hat er eigentlich kein Verhältnis, denn sein Vater ist vor seiner Geburt verschwunden und seine Mutter hat später Suizid begangen. Daraufhin hat ihn der Großvater in ein Heim gegeben und sich nicht mehr um ihn gekümmert. Jetzt will Elias die Gelegenheit nutzen und den Großvater in einem Gespräch um eine Erklärung für die Vergangenheit und sein Sonnenblumen-Tattoo bitten. Leider kommt es nicht mehr dazu, denn der Großvater verstirbt in der Nacht nach der Geburtstagsfeier. Nun hat Elias neue Probleme, sein Auto muß repariert werden und er scheint der einzige Verwandte gewesen zu sein, also muß er die Beerdigung organisieren und sich um sein Erbe kümmern. Soweit so gut, dann beginnt das Kennenlernen der Dorfbewohner. Und die sind eine Ansammlung von skurrilen Figuren. Allesamt sonderlich, aber miteinander eng verbunden, sie wollen ausharren bis die Bagger kommen und besitzen alle Furcht einflößende, namenlose Hunde. Was ist hier eigentlich los? Und was steckt hinter den angeblichen Geschäften des Großvaters? Weshalb gibt es hier ein großes Autohaus, wenn keine Kunden vorhanden sind? Die Autowerkstatt hat einen Maschinenpark, den keiner braucht, weshalb? Der Priester scheint zu trinken und predigt in der leeren Kirche. Nichts scheint hier normal. Und dann kommen unerklärlicher weise die Ersatzteile für sein Auto nicht, so daß er in dem Dorf quasi gefangen ist.


    Darüber hinaus gibt es noch weitere Stränge aus seiner und des Großvaters Vergangenheit sowie einen aktuellen Strang über Personen, die Elias beobachten und sich mit Walkie-Talkies darüber austauschen.



    Ich kenne den Autor vor allem aus der ZORN-Reihe und mir hat sein Schreibstil sehr gut gefallen. Der Schreibstil des vorliegenden Thrillers hat mir anfangs zugesagt und war fesselnd, aber im Laufe der Handlung ließ die Begeisterung dann Schritt für Schritt nach. Die Figur des Elias fand ich gut beschrieben, ich konnte ihn und die Schauplätze bildlich vor mir sehen. Seine Handlungen waren teilweise nachvollziehbar, aber ich hätte ihm schon etwas mehr Argwohn gewünscht. Mit den seltsamen Dorfbewohnern hat der Autor seine Leser an der Nase herumgeführt, sie immer wieder auf neue falsche Fährten gelockt, und einen abstrusen Schauplatz für den Showdown gewählt. Ab einem gewissen Punkt wurde die Story für mich zu konstruiert, verwirrend und unglaubwürdig. Manches wirkte tatsächlich wie die Hölle auf Erden. Ich werde aber gerne wieder einen Band der ZORN-Reihe lesen.

    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Unterirdisch

    Elias Haack, ein vierzigjähriger, einigermaßen erfolgreicher Autor von Zombiebüchern fährt zum 90. Geburtstag seines Großvaters, den er seit Jahrzehnten nicht gesehen hat, in die ostdeutsche Provinz. Eigentlich will er nach dem Kaffeetrinken sofort zurückfahren, doch dann hat er einen von Dritten provozierten Unfall und sitzt erst einmal fest.


    Das Buch beginnt zunächst realistisch und spannend. Man fragt sich, wer hat ein Interesse daran, Elias an der Abreise zu hindern und wieso? Doch nach kurzer Zeit beginnen höchst seltsame Ereignisse. Ein Kirchturm stürzt ein, die Erde bebt und tut sich auf, aus der Tiefe ertönen Schreie und in Elias’ Haus erscheint eine Art Zombie. Die Einwohner des Orts Volkow scheinen ein düsteres Geheimnis zu haben und alle unter einer Decke zu stecken...


    Als großer Fan der Zorn-Reihe habe ich mich sehr auf dieses Buch gefreut, doch leider ist es genau das, was der Titel verspricht: unterirdisch. Die Geschichte ist total an den Haaren herbeigezogen und absurd. Man fragt sich, was die ganze Inszenierung, um die es sich letztendlich handelt, eigentlich sollte. Warum sollte Elias überhaupt dort auftauchen? Es ergibt absolut keinen Sinn.


    Laut Klappentext wurde der Autor „nach einem missglückten Kurztrip in die Lausitz, der mit einer Autopanne im Tagebaugebiet endete“ zu diesem Machwerk inspiriert. Hoffentlich war dieses Buch ein einmaliger Ausrutscher. Ich empfand es als ein einziges großes Ärgernis und reine Zeitverschwendung. :bewertung1von5::bewertungHalb:

  • Zweierlei gefällt mir: Wie Stephan Ludwig sich selbst und seine Thriller- und Horrorkollegen via Elias auf die Schippe nimmt: Der sehr erfolgreiche Schriftsteller, der mit seinem Genre unzufrieden ist, gern etwas Anspruchsvolles und Ambitioniertes schreiben würde - sofern er einen Einfall hätte.


    Und dass der Protagonist, anders als andere literarische Zeitgenossen


    Ansonsten mag ich nichts. Weder die platten Dialoge noch die krude abstruse Handlung, auch nicht die oberflächlich schwarz-weiß gezeichneten Figuren und die Fäden aus der Vergangenheit, die Elias eigentlich umwerfen müssten.


    Erweist sich am Ende eine Person nicht als diejenige, für die Protagonist und Leser sie halten, mag dies eine willkommene Überraschung sein. Entpuppt sich ein Guter als Böser, um kurz danach doch wieder gut zu sein – oder doch nicht? Und am Ende dann doch böse – oder doch gut?
    Nein danke, zu viele Wendungen überraschen nicht, sondern nerven.


    Auch Verfolgungsjagden langweilen mich, ich lese sie nur quer. Bei großen Showdown klinke ich mich auch gern aus, wenn es allein darum geht, wer wen erschießt und wer am Ende auf der Strecke bleiben muss.


    :bewertung1von5::bewertungHalb:


    Was mich nach der Lektüre interessiert: Raucht Stephan Ludwig noch? Hat er sich evtl. an Elias‘ Entzugserscheinungen abgearbeitet? Vielleicht erfahren wir es beim nächsten Mal von Claudius Zorn.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Zitat laut Klappentext: "Schnörkelloses, bildgewaltiges und fesselndes Kopfkino vom Bestsellerautor der "Zorn"-Serie."


    Ich mag die Thriller rund um Zorn und Schröder. Deshalb waren meine Erwartungen bei diesem Buch sehr hoch. Im Großen und Ganzen wurde ich nicht enttäuscht. Die Geschichte beginnt spannend und hat mich immer wieder mit unvorhersehbaren Wendungen überrascht. Die Rückblenden zu Wilhelms Jugend bzw. Elias Kindheit waren gut und spannend in die Geschichte hineingestreut. Zum Ende hin wirkte die Geschichte etwas an den Haaren herbeigezogen und emotionslos.


    Fazit:

    Dem anfangs erwähnten Zitat kann ich nicht zustimmen. Denoch: Kurzweilige Unterhaltung für Zwischendurch, aber an die "Zorn"-Reihe kommt es nicht heran. :pray:.

  • Also, das war wohl kaum Stephan Ludwig, wie ich ihn aus der Reihe um Zorn und Schröder kenne: spritzige Dialoge, sympathische, sehr interessante und gut ausgearbeitete Charaktere, spannender Plot. All das habe ich in "Unter der Erde" vermisst. Das war ein Versuch Herr Ludwig, den kann man auch nicht als vollkommen misslungen bezeichnen, aber an die Reihe kommt es nicht heran. "Unter der Erde" fand ich nicht uninteressant, denn von der Idee her, ausgefallen und man konnte mehr daraus machen, war es ganz gut, aber alles in allem blieb es für mich Durchschnitt. Man kann es lesen, verpasst aber auch nicht wirklich was, wenn man dies nicht tut. Ich war neugierig auf den neuen Roman des Autors, den man nur aus der Reihe kennt, nun ist meine Neugier befriedigt. Ich hatte den Roman gelesen. Von mir gibt es :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertungHalb:

    2024: Bücher: 97/Seiten: 42 622

    2023: Bücher: 189/Seiten: 73 404

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    Mein Blog: Zauberwelt des Lesens
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    Dalai Lama

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    Lese gerade:

    Töpfner, Astrid - Bis wir unsere Stimme finden

  • Thriller, Geschichte oder Fantasy?


    Der Thriller beginnt ziemlich spannend: Elias Haack ist mit dem Auto auf dem Weg zu seinem Großvater, den er seit mehr als dreißig Jahren nicht gesehen hat. Kurz vor dem Ziel hat Elias einen Unfall: nach einem lauten Knall kommt er von der Straße ab und verliert das Bewusstsein.


    Die kürzen Einwürfe, welche die laufende Handlung oft unterbrechen, lassen vermuten, dass jemand Elias` Wiedertreffen mit dem 90-jährigen Großvater um jeden Preis verhindern will. Aber Elias ist zäh. Trotz der demnächst festgestellten Gehirnerschütterung marschiert er weiter zu Fuß und nimmt sogar an Opas Geburtstagsfeier teil. Am nächsten Morgen erwartet Elias böse Überraschung: der Großvater stirbt in der Nacht, zu einer Aussprache zwischen den beiden konnte es nicht kommen.


    Es wurde aber noch schlimmer. Wegen Großvaters Tod wurde Elias prompt als Verdächtiger von dem örtlichen Polizisten verhört und darf eigentlich das Dorf nicht verlassen.


    Bereits in diesem Moment bekam ich meine Zweifel an dieser Story. Soll es wirklich ein Thriller sein? Für mich wurde es zu dem Zeitpunkt höchstens ein Krimi mit einem einfältigen Dorfpolizisten. Warum erwähnt er mit keinem Wort Elias Unfall? Hat sich jemand von der Polizei den Unfallort angesehen? Wurden Spuren gesichert?


    Auch der Protagonist Elias Haack, ein beliebter Autor der Krimi- und Horrorgeschichten, der für seine Bücher viel recherchiert hat (sein neuestes Buch gerade auf Platz fünf der Spiegel-Bestsellerliste, sein Foto schmückte die Titelseite des Sterns-Crime-Magazines) müsste eigentlich gescheiter sein. Er unternimmt aber nichts, tappt immer wieder in eine neue Falle und lässt den Albtraum seines Lebens einfach weiterlaufen. Ich fand das Ganze nicht gerade spannend, dafür aber sehr irritierend.


    Viel interessanter fand ich die Familiengeschichte von Elias. Nach und nach erinnert sich Elias an seine Kindheit, an seine Mutter, sucht nach Fotos und Beweisen aus der Vergangenheit, und schließlich entdeckt Geheimnisse, die ihn zutiefst erschüttern.


    Größtenteils unglaubwürdig fand ich dagegen die Geschichte des Dorfes und der merkwürdigen Dorfbewohner. Sie ist zwar von der Idee her sehr interessant, aber ihre Umsetzung so unrealistisch, dass Manches davon sogar absurd erscheint. Schade eigentlich, weil die grauenhaften Bilder des russischen Gefangenenlagers bewegen und womöglich auf historischen Ereignissen basieren.


    Unabhängig davon, ob der Roman „Unter der Erde“ ein phantasievoller Thriller oder ein Thriller mit einem historischen Hintergrund ist, schockiert diese ausgefallene Geschichte an manchen Stellen. Sie bleibt länger in meiner Erinnerung.

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