Ich lese sehr gerne, ausgesprochen viel und genieße es, mich in die unterschiedlichsten Bücherwelten hineinziehen zu lassen, von spannenden Thrillern bis zu den Kinderbüchern meiner Mädchen. Meinungen zu Büchern, wie auch allen Dingen des Lebens sind subjektiv und persönlich. Wie sagte Thomas Mann so schön: “Wir finden in den Büchern immer nur uns selbst.” Entsprechend freut es mich, daß ich mich wiederfinden konnte, im Team um Inspektor Lang. Heutzutage scheint Mobbing, Missgunst und Neid das Maas aller Dinge zu sein, umso mehr freut es mich, einem Ermittlerteam folgen zu dürfen, das unterschiedlicher, sympathischer und menschlicher nicht sein könnte.
Nun zur Geschichte. Ich bin wahrlich keine Freundin von harten Sexszenen wie der im ersten Kapitel, aber sie macht genau das, was sie soll, vermittelt uns ein Bild von den Menschen, mit denen wir es später zu tun haben. Ihren Motiven, dem Fehlen von Moral und Charakter, ihrer Obsession mit Macht und Geld. Kurze Kapitel und Szenenlänge vermitteln ein Gefühl von Bedrohung und Tempo. Die Sargszenen sind ebenfalls nichts für zarte Gemüter, aber sie liessen mich mit den Opfern mitfühlen und mitleiden. Ihre Klaustrophobie und Verzweiflung wurden durch sie für mich sehr greifbar, auch wenn manche Beschreibung Ekel hervorrief. Die Autorin spielt gekonnt mit dem Leser und den Perspektiven, lässt ihn durch die Augen aller Beteiligten blicken, sogar durch die des Killers, was ich am außergewöhnlichsten und beängstigendsten fand. Mann ist quasi ständig mit dabei, fängt an, seine Motive zu verstehen, und ahnt bis zum Ende doch nicht, wer der Mörder ist. Die Tatsache, dass er kein gesichtsloses Monster ist, sondern menschliche Züge hat, macht die Geschichte bedrückender.
Die falschen Spuren, gespickt mit, für mich, überraschenden und sehr interessanten Hintergrundinformationen sind sehr schön verwoben und machen neugierig. Das Thema Geisterbräute ist sehr ungewöhnlich und in unserem Kulturkreis nicht geläufig, das gibt diesem Thriller das gewisse Etwas und macht ihn umso spannender. Das Vorgängerbuch wird kurz erwähnt, was ich keinesfalls als störend empfand. Auf 437 Seiten wird es ganze fünf Mal nebenbei und kurz in einem Satz erwähnt, als nützliche Erläuterung, zum Beispiel wo der Ermittlungsleiter Stephen Lang seine noch frische Schussverletzung herhat. Das Vorgängerbuch muss man keinesfalls kennen, um Leichenbraut zu verstehen und genießen zu können, und ich muss sagen, ich habe die Geschichte sehr genossen und sie hat mich, vor allem als Mutter, noch einige Tage beschäftigt. Daher von mir eine klare Leseempfehlung für alle, die etwas andere Thriller lesen möchten und keine Angst davor haben, in die Köpfe irrer Serienkiller und verdorbener Zeitgenossen zu blicken.