Verlagstext
Ein höchst ambivalentes Kapitel deutsch-deutscher Geschichte als Start einer neuen Krimireihe. Der Jahrhundertsommer 2003. Gluthitze liegt über Marnow, dem malerischen Ort an der Mecklenburgischen Seenplatte. Die Kommissare Frank Elling und Lona Mendt ermitteln in einem Mordfall. Das Tatmotiv scheint klar, die Aufklärung nur eine Frage der Zeit. Doch nichts ist so, wie es scheint. So entpuppt sich das Tatmotiv als absichtlich gelegte Fehlspur des Mörders, der vermeintliche Routinefall als Beginn einer Mordserie mit brisantem politisch-historischem Hintergrund. Und mächtige Gegenspieler der Kommissare haben ein Interesse daran, die wahren Zusammenhänge im Dunkeln zu belassen. Je weiter Elling, der treu sorgende Familienvater, der auf recht großem Fuß lebt, und Mendt, die Unnahbare, die in ihrem Wohnmobil geheimnisvolle Besuche empfängt, in ihren Ermittlungen kommen, desto größer werden die Hindernisse, die sie überwinden müssen. Und desto häufiger lassen sie sich selbst zu moralisch höchst fragwürdigen Handlungen hinreißen. So zwingen die Ereignisse die beiden so unterschiedlichen Charaktere nach und nach, einander blind zu vertrauen – nicht zuletzt, um ihre eigene Haut zu retten. »In ›Die Toten von Marnow‹ wagt Holger Karsten Schmidt etwas Außergewöhnliches: Die säuberliche Trennung zwischen Ermittler und Täter ist aufgehoben, wir Leser wissen nicht immer genau, ob die Guten wirklich gut sind – und erwischen uns dabei, wie wir ihnen trotz ihrer Fehltritte fest die Daumen drücken.« Wolfgang Schorlau
Der erste Fall der neuen Krimireihe von Holger Karsten Schmidt besticht durch einen abgründigen Plot um ein schreckliches Verbrechen, dessen Spur tief in die deutsch-deutsche Geschichte reicht. Und durch die moralischen Abgründe eines sympathischen Ermittlerduos, das am Ende keineswegs mit reiner Weste dasteht.
Der Autor
Holger Karsten Schmidt, geboren 1965 in Hamburg, ist seit vielen Jahren einer der erfolgreichsten Drehbuchautoren Deutschlands. Zuletzt wurde der Mehrteiler »Gladbeck«, für den er das Drehbuch geschrieben hat, mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet. 2011 erschien sein Mittelalter-Thriller »Isenhart« bei Kiepenheuer & Witsch, 2017 folgte unter dem Pseudonym Gil Ribeiro der erste Band der »Lost in Fuseta«-Reihe, die in Portugal spielt. Holger Karsten Schmidt lebt und arbeitet in Asperg in Baden-Württemberg.
Inhalt
Im Jahrhundertsommer 2003 stirbt in der Hinterhofwohnung eines Rostocker Plattenbaus ein Mann in mittleren Jahren, den man für ein unbeschriebenes Blatt halten könnte. Als es zu einem vergleichbaren Todesfall bei einem wohlhabenden älteren Herrn kommt, führt die Spur die Ermittler Frank Elling und Lona Mendt an einen idyllisch gelegenen See in Mecklenburg. Eines der Todesopfer hat hier regelmäßig seinen Urlaub verbracht und erst kurz zuvor wieder einen Bungalow auf dem Campingplatz gemietet. Man könnte an einen Serienmörder oder einen Rachefeldzug denken, wenn die Opfer nicht aus zu unterschiedlichen Verhältnissen stammen würden. Schließlich ergeben sich Verbindungen, deren Sinn die Ermittler lange nicht durchschauen. Einige Beteiligte kannten sich seit ihrer Anfangszeit als junge Stasi-Offiziere und um den Marnower See herum gibt es offenbar weitere Seilschaften. Fragt sich nur, wer dort was zu verbergen hat und wem die Taten nützen. In 16 Kapiteln werden die 16 Tage bis zur Aufklärung des komplizierten Falls beschrieben.
Frank Elling wirkt zunächst wie ein verantwortungsvoller Bürger und Polizeibeamter, dem am guten Verhältnis zu Kollegen und Nachbarn liegt. Elling lebt jedoch so offensichtlich über seine Verhältnisse, dass es genau den nahestehenden Menschen längst aufgefallen sein müsste. Ellings zwei Gesichter hätte ich allerdings spannender gefunden, wenn ich subtiler an ihm und manch anderem hätte zweifeln können. Lona Mendt hat sich aus Hannover nach Ostdeutschland versetzen lassen, was ihr anfangs einiges Misstrauen der neuen Kollegen einbringt. Wer ging schon freiwillig nach Rostock, fragen sie sich. Doch selbst die direkte Suche in der niedersächsischen Landeshauptstadt blieb ergebnislos, ob die Kollegin Mendt etwa von dort weggelobt wurde. So wundern sich die Rostocker Ermittler weiter, warum Lona im Wohnmobil lebt und nichts aus ihrem Privatleben preisgibt.
Fazit
Die Figuren wirken liebevoll ausgearbeitet; Elling und Mendt entwickeln darüber hinaus im Dienst einen besonderen Draht zueinander. Elling wird im Laufe der Ermittlungen darauf hingewiesen, dass er ja aus dem Osten stammt und von ihm Wissen darüber vorausgesetzt wird, wie manche Dinge damals liefen. Lona gibt wiederum die passenden Stichworte, damit ein paar Infos zur DDR-Geschichte für die unwissenden Leser eingeflochten werden können. Holger Karsten Schmidt sät von Beginn an Zweifel an der Integrität seiner Ermittler und damit auch an den Zielen ihrer Ermittlung. Als Leser kann man an die Verbindungen glauben, die sich anfangs zu ergeben scheinen, aber auch auf das ganz große Ding aus der DDR-Vergangenheit warten. Das Setting und ein Ermittler-Duo, das arbeitet, wo andere Leute gern Urlaub machen würden, finde ich als Serienbeginn sehr ansprechend. Der Spannung abträglich fand den für einen Krimi übertriebenen Showdown und Ellings für einen routinierten Ermittler unglaubwürdiges Verhalten, das gegenüber der Sortierung der Handlungsfäden zu viel Raum einnahm. Beim Blick auf Logik und Ausdruck ging dem Lektorat zum Ende des Texts die Luft aus, hier könnte der an sich sehr gute Plot noch erheblich gewinnen.