Karin Fossum - Die Stille bringt den Tod / Hviskeren

  • Klappentext:

    Kann tatsächlich jeder Mensch zum Mörder werden? Diese Frage stellt sich Kommissar Konrad Sejer, als er Ragna Riegel im Verhör gegenübersitzt. Ihm scheint es unmöglich, dass diese zurückhaltende, stille Frau ein brutales Verbrechen begangen haben könnte. Seit sie wegen einer fatalen Operation an den Stimmbändern nur mehr flüstern kann, führt sie ein bescheidenes und einsames Leben. Und trotzdem gibt es keine Zweifel an ihrer Schuld. Im Laufe der Vernehmung versucht Sejer, Licht in das Dunkel zu bringen, das die flüsternde Frau umgibt. (Piper-Verlagsseite)


    Zur Autorin:

    Karin Fossum, geboren 1954 in Sandefjord/Norwegen, lebt in Sylling bei Oslo. Ihre international erfolgreichen Romane um Kommissar Konrad Sejer sind vielfach preisgekrönt und wurden fürs Kino und Fernsehen verfilmt. In Deutschland erschienen von ihr unter anderem „Stumme Schreie“, ausgezeichnet mit dem Los Angeles Times Book Award 2008, „Dunkler Schlaf“, „Schwarze Sekunden“, von der Schwedischen Akademie mit dem Preis des besten ausländischen Kriminalromans ausgezeichnet, und zuletzt „Wer anders liebt“ und „Böser Wille“. (Piper-Verlagsseite)


    Allgemeine Informationen:

    Originaltitel „Hviskeren“

    erstmals erschienen 2016 bei Cappelen Damm, Oslo

    aus dem Norwegischen übersetzt von Gabriele Haefs

    13. Band der Konrad Sejer-Reihe

    Verhörsituation, in der Ragnas Leben in personaler Perspektive als Rückblende erzählt wird, während gleichzeitig die Jetztzeit fortschreitet

    380 Seiten


    Meine Meinung:

    Krimi? Als 13. Band einer Krimireihe eigentlich schon, als Geschichte, in der ein Mord passiert, in der ein Kommissar eine entscheidende Rolle spielt und eine Mörderin verhört, auch.

    Aber ansonsten: Nein, kein Krimi.


    Die Handlung beginnt im Verhörraum, wo die zaghafte, kontaktarme und in sich gekehrte Ragna Kommissar Sejer gegenübersitzt. Das Verbrechen ist längst geschehen; um was es sich handelt und wie es dazu kam, erfährt der Leser erst nach und nach. Langsam baut Sejer Vertrauen auf und entlockt Ragna das, was sie bisher keinem anderen Menschen jemals anvertraut hat. Sie kommt ihm gern entgegen; es scheint, als habe sie auf diesen Augenblick gewartet, um endlich jemanden zu haben, bei dem sie alles loswerden kann, was sie belastet, ihr auf der Seele brennt und was sie zu der Frau gemacht hat, die sie nun ist.

    Die Ermittlungen zu diesem Fall laufen im Hintergrund ab. Als Leser erfährt man nur die Details, die Sejer der Täterin mitteilt.


    Fossum hat es in ihren Krimis immer wieder verstanden, Figuren zu erschaffen, die das Mitleid des Lesers herausfordern. Die hilflos und durch widrige Umstände in eine Situation geraten, in der sie auf das Wohlwollen anderer angewiesen sind, aber oft nur Schmerz oder Ablehnung erfahren. Oder aber so gefangen sind in ihrem Selbstbild als ungeliebte, ungeachtete Person, dass sie Sympathie oder Freundschaft anderen Menschen nicht glauben.

    Zu diesen Leuten gehört Ragna; sie ist bei den Kollegen und Nachbarn beliebt, sie könnte ein soziales Leben führen, doch Sicherheit findet sie nur allein in ihren vier Wänden mit den immer gleichen Ritualen.

    Ihre kleine ruhiges Dasein zerbricht, als sie Bedrohungen in ihrem Briefkasten findet und quasi auf den Eindringling in ihre Welt wartet.


    Und wer wird ermordet? Das ist die entscheidende Frage, durch die man an das Buch gefesselt wird. Denn man folgt nicht einer Krimihandlung, sondern dem ausgefeilten Psychogramm einer einsamen, gehemmten und menschenscheuen Frau. Zwar wartet der Handlungsverlauf durchaus mit einer Überraschung auf, doch das Buch lebt von Ragnas Biographie.


    Das Ende ist wieder typisch Fossum: So ganz sicher kann der Leser nicht sein. Man liest, liest nochmal, überlegt, ob es tatsächlich so stimmt, liest nochmal. Und zweifelt weiter. Wie schon bei „Fremde Blicke“ oder „Stumme Schreie“ bleibt ein Quentchen Unsicherheit zurück.


    Mir gefällt der Krimi, der kein Krimi ist, sehr gut.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • K.-G. Beck-Ewe

    Hat den Titel des Themas von „Karin Fossum - Die Stille bringt den Tod“ zu „Karin Fossum - Die Stille bringt den Tod / Hviskeren“ geändert.
  • Eine Printausgabe des Originals wird nicht angezeigt, deswegen hier eie Hörbuchversion:

  • Entgegen aller skandinavischen Krimitradition mit blutig abgeschlachteten Opfern, psychopatischen Tätern und durchgedrehter Kommissare, startet der Kriminalroman „Die Stille bringt den Tod“ von Karin Fossum komplett anders.

    Ragna Riegel sitzt im Gefängnis - wir wissen lange nicht warum - und wird von Kommissar Konrad Sejer verhört. Anscheinend hat der Kommissar noch nie einen derart seltenen kriminellen Vogel wie Ragna in die Finger bekommen. Ragna, ein Untersuchungsobjekt für mindesten zehn Psychiater, hat sie doch so ziemlich alle paranoide Persönlichkeitsstörungen, die man sich vorstellen und nicht vorstellen kann. Vom Verfolgungswahn bis zur Todessehnsucht:

    Sie hat Angst vor ihrer eigenen Furcht.
    Ihr Gehirn traf oft seltsame Entscheidungen.

    Kann tatsächlich jeder Mensch zum Mörder werden? Diese Frage auf dem Buchrücken, die mehr verspricht, als der „Kriminal“-Roman Antworten geben kann. Wenn die Frage an eine paranoide schizophrene Persönlichkeit, wie Ragna gerichtet ist, dann mit „Ja“. Gerichtet an den durchschnittlichen Leser, der weder paranoid, noch schizophren ist, bleibt die Frage offen.

    Karin Fussum, vielfach ausgezeichnet, viel gelesen, verfilmt und vertont, schreibt mit einem außerordentlichen Stil. Der aktuelle Sejer-Roman ist die Nr. 13. Das Hörbuch wollte ich Autofahrern nicht empfehlen, aber als Hörspiel kann ich mir „Die Stille bringt den Tod“ sehr gut vorstellen.

    Kein Krimi im eigentlichen Sinn, sondern eine Psychostudie, die dem Leser einiges an Einfühlungs- und Durchhaltevermögen abverlangt.

    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: