Charles Dickens - Die Pickwickier (ab 02.01.2020)

  • Irgendwie sind mir die beiden Typen aber noch immer nicht sympathischer geworden, besonders nach der Diskussion, dass Sawyer sich endlich Arabellas Vermögen sichern solle

    Mir sind sie auch nicht sympathisch. Zudem scheinen sie mir nicht so recht in die Geschichte zu passen. Für mich hätte es völlig ausgereicht, sie als schlechte Vorbilder für Medizinstudenten in die Geschichte einzubinden. Ich fand bereits deren Party daheim etwas sonderbar...

    Aber insgesamt ging mir dann die Handlung zu schnell vonstatten, die "Versöhnung" der beiden jungen Männern mit den Gegebenheiten durch Pickwicks Auftritt. Da ist Dickens irgendwie hastig, finde ich

    Ja, schade. Dieses episodenhafte, diese leichte aber komische Unterhaltung in der ersten Romanhälfte gefiel mir recht gut. Nun finde ich es etwas gezwungen, dass verschiedene Handlungsstränge zusammen gefügt werden. Ich warte übrigens noch auf die Auflösung / Konsequenz wegen des Liebesbriefs, den Sam mit Pickwick unterschrieb. Vielleicht weiss ich heute abend mehr, den ich plane die letzten 80 Seiten des Romans bis heute abend auszulesen.

  • Ich warte übrigens noch auf die Auflösung / Konsequenz wegen des Liebesbriefs, den Sam mit Pickwick unterschrieb.

    Wenn ich das richtig sehe, ist das ein blindes Motiv. Die Party bei den jungen Ärzten könnte man auch so sehen, aber immerhin werden die beiden dadurch charakterisiert. Allerdings hätte es dafür andere Möglichkeiten gegeben.


    Mr Pickwick erstrahlt am Ende des Romans in einem fast übernatürlichen Licht! Ene Engelsgestalt, heiter und liebenwürdig, dazu in einem wunderbaren Haus, umsorgt von Dienerschaft und umgeben von treuen Freunden - also das ist ja fast zuviel des Guten!

    Mir gefällt, wie Mr. Pickwick die sozialen Schranken überwindet und den Vater seines treuen Dieners als Freund bezeichnet. Das hat ja fast utopische Züge...!

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Wenn ich das richtig sehe, ist das ein blindes Motiv.

    Das wäre doch gar nicht notwendig gewesen. Im Gegenteil, es schadet doch eher der ansonsten sehr treuen Charaktereigenschaften von Sam, oder? Klar will er damit seinem Herrn nicht schaden, aber ansonsten ist Sam doch ziemlich smart und lebenserfahren. Wieso tut er so etwas unüberlegtes?

    Ich dachte, Dickens baut diesen faux-pas ein, um darauf später nochmals zurück zu kommen. Ein blindes Motiv nach diversen "Umarbeitungen" durch Dickens im Laufe der Zeit - da hätte er das auch "glätten" können :scratch:

  • Ich dachte, Dickens baut diesen faux-pas ein, um darauf später nochmals zurück zu kommen.

    Die Vermutung liegt ja auch nahe, weil das eine typische Ausgangslage für eine Verwechslung(skomödie) gewesen wäre.

    Ich habe den Eindruck, dass Dickens gegen Schluss einige Fäden recht schnell zusammenzurrt, aber andere wiederum - z. B. die

    Trauungsgeschichte mit seiner Tochter Emilie - in die Länge zieht.

    Und dieser Brief ist ein Faden, der nicht verknüpft.


    Die alltägliche Gewalt entspricht wohl den damaligen Gewohnheiten, aber mir ging sie dennoch ab und an gegen den Strich. Da wird z. B. der Junge in grauer Livree (Diener der "Ärzte") hochkant auf die Straße geworfen, ohne dass er sich etwas hat zuschulden kommen lassen etc. Dickens hat doch sonst ein gutes Gespür für Gerechtigkeit.

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Wenn ich das richtig sehe, ist das ein blindes Motiv.

    Das wäre doch gar nicht notwendig gewesen. Im Gegenteil, es schadet doch eher der ansonsten sehr treuen Charaktereigenschaften von Sam, oder? Klar will er damit seinem Herrn nicht schaden, aber ansonsten ist Sam doch ziemlich smart und lebenserfahren. Wieso tut er so etwas unüberlegtes?

    Ich dachte, Dickens baut diesen faux-pas ein, um darauf später nochmals zurück zu kommen. Ein blindes Motiv nach diversen "Umarbeitungen" durch Dickens im Laufe der Zeit - da hätte er das auch "glätten" können :scratch:

    Klar hätte er das glätten können und dieses blinde Motiv ist nicht schön. Aber vielleicht wollte er daraus einen anderen Strang bauen (so nach dem Motto "Sam raubt sich seine Jungfrau und heiratet sie), doch die Geschichte nahm einfach einen anderen Lauf? Es ist sein erstes Werk, unter Zeitdruck geschrieben, ohne Erfahrung im Aufbau eines so umfangreichen Plots. Ich denke, es ist schlicht ein "Anfängerfehler" des erst 24jährigen Dickens. :-k


    Vor Mrs. Bardells Verhaftung treffen sich doch diverse Ladies und der arme Mr. Raddle. Was hatten die eigentlich alle gegen ihn, so wie sie alle kollektiv auf ihm rumgehackt haben?

    Er ist ein Mann - und dieses versammelte Rudel weiblicher Wölfe fällt einfach über ihn her. Das sind z.T. ja auch genau die Frauen, die Mrs. Bardell im Gerichtssaal begleiteten :wuetend:

    Ich habe so grinsen müssen, als Perker und sein Gehilfe so völlig in Verzückung über die Dreistigkeit der Herren Dodson & Fogg geraten - diese Schweinepriester. :loool: Aber zumindest hört man dann von Perker im Gefängnis gegenüber Pickwick ein sehr überzeugendes Plädoyer. :applause:

    Das war einfach eine Art fachlicher Anerkennung der Gerissenheit der Kollegen. Aber Perker ist doch von ganz anderem Schlag. :wink:

    Mir sind sie auch nicht sympathisch. Zudem scheinen sie mir nicht so recht in die Geschichte zu passen. Für mich hätte es völlig ausgereicht, sie als schlechte Vorbilder für Medizinstudenten in die Geschichte einzubinden. Ich fand bereits deren Party daheim etwas sonderbar...

    Für mich hätte es gereicht, Ben einfach als den arroganten geldgierigen Bruder darzustellen, der er ist - ohne diese ganze Ärztegeschichte. Aber vielleicht wollte Dickens da einfach zuviel in die Handlung packen. ?(

    Nun finde ich es etwas gezwungen, dass verschiedene Handlungsstränge zusammen gefügt werden.

    Das ist es auch (besonders bei der Bruderszene in Brighton), aber zum Teil ist es auch ganz gut gelungen, wie er aus diesen Episoden doch einen Faden knüpft. Lange noch nicht alles gelungen, gar keine Frage, aber immerhin ist die Andeutung einer Geschichte da. Ich stelle mir das so vor, dass er im Verlauf der Wochen, an denen er an den Pickwickiern schrieb, einfach immer mehr von sich und seiner Geschichte wollte und das ist halt nur bedingt gelungen.


    Mr Pickwick erstrahlt am Ende des Romans in einem fast übernatürlichen Licht! Ene Engelsgestalt, heiter und liebenwürdig, dazu in einem wunderbaren Haus, umsorgt von Dienerschaft und umgeben von treuen Freunden - also das ist ja fast zuviel des Guten!

    Da wird echt weit übertrieben und mir war er übertrieben schusslig wie am Anfang lieber als dieser übertriebene Heilige, der er jetzt ist. :uups:


    Ich habe den Eindruck, dass Dickens gegen Schluss einige Fäden recht schnell zusammenzurrt, aber andere wiederum - z. B. die

    Trauungsgeschichte mit seiner Tochter Emilie - in die Länge zieht.

    Und dieser Brief ist ein Faden, der nicht verknüpft.

    Du meinst Wardles Tochter. :wink: Mir fehlen noch die letzen 40 Seiten, ich bin grad bei der Szene des Dinners, wo Snodgrass aus dem Schlafzimmer kommt 8)

    Die alltägliche Gewalt entspricht wohl den damaligen Gewohnheiten, aber mir ging sie dennoch ab und an gegen den Strich. Da wird z. B. der Junge in grauer Livree (Diener der "Ärzte") hochkant auf die Straße geworfen, ohne dass er sich etwas hat zuschulden kommen lassen etc. Dickens hat doch sonst ein gutes Gespür für Gerechtigkeit.

    Ich denke, die Gewalt ist in anderen Büchern weitaus schlimmer als hier beschrieben. Ich glaube, dass Dickens hier in all der Schmuse-Heiligkeit der Pickwickier genau diese Gewalt mal aufzeigen wollte genauso wie die Scheinheiligkeit diverser Prediger, die er durch Stiggins und Mrs. Weller präsentiert. Die Ärmste erkennt ja auch erst auf dem Sterbebett, dass sie wohl so einiges verkehrt gemacht bzw. den falschen Predigern gefolgt ist. Da holt Dickens ja auch nochmal das Motiv der heiratswütigen Witwen hervor, die mit aller Macht versorgt werden wollen und jetzt dem armen Mr. Weller senior hinterher hecheln. Wobei diese Versorugungsängste der Witwen ja einen realen Hintergrund hat.

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Kai Seyfarth - Entscheidung in Aleppo: Walter Rößler, Helfer der verfolgten Armenier


  • Irgendwie sind mir die beiden Typen aber noch immer nicht sympathischer geworden, besonders nach der Diskussion, dass Sawyer sich endlich Arabellas Vermögen sichern solle

    Aber wirklich, das fand ich auch so unverschämt. :evil: Aber die beiden sind sowieso einfach nur respektlos gegen alles und jeden. Ekelhaft war auch Bob Sawyer, der das Dienstmädchen bei Mr. Winkle senior schon regelrecht bedrängt hat, zum Glück hat sie sich das nicht gefallen lassen. Aber interessanterweise fand auch Winkle senior die Mitgift von 1000 Pfund zu wenig - dieses elende Geschacher um Geld Geld Geld anstatt die Menschen dahinter zu sehen. :wuetend:#-o

    Dieses episodenhafte, diese leichte aber komische Unterhaltung in der ersten Romanhälfte gefiel mir recht gut. Nun finde ich es etwas gezwungen, dass verschiedene Handlungsstränge zusammen gefügt werden.

    Mir gefiel dagegen die zweite Hälfte besser, als es nicht mehr ganz so episodenhaft daher ging und die Handlung einen roten Faden aufwies.:ergeben: Stimmt schon, dass einige Handlungsstränge etwas konstruiert wirkten, aber alles in allem empfand ich die Geschichte nachher flüssiger und zusammenhängender.

    Mir gefällt, wie Mr. Pickwick die sozialen Schranken überwindet und den Vater seines treuen Dieners als Freund bezeichnet.

    Mit beiden Wellers hat Dickens sehr anständige, sympathische und bodenständige Figuren gezeichnet. :applause:Im Anhang habe ich gelesen, dass die Auflagen mit Einführung der Figur des Sam richtig angestiegen sind.

    Für mich hätte es gereicht, Ben einfach als den arroganten geldgierigen Bruder darzustellen, der er ist - ohne diese ganze Ärztegeschichte. Aber vielleicht wollte Dickens da einfach zuviel in die Handlung packen.

    Ich habe eher eine Abneigung gegen den Ärztestand allgemein rausgelesen bzw. auch gegen dieses sorglose Verhalten junger Männer, die Schulden machen, keinerlei Verantwortung übernehmen wollen, sich durch das Leben schmarotzen und irgendwie immer wieder damit durchkommen.

    Da wird echt weit übertrieben und mir war er übertrieben schusslig wie am Anfang lieber als dieser übertriebene Heilige, der er jetzt ist.

    Stimmt, jetzt wo du es sagst, stimme ich dir zu. Seine Fettnäpfchenszenen (z. B. im Garten beim Mädchenpensionat oder in der Schubkarre :loool:) bleiben einfach auch mehr im Gedächtnis als seine gesetztere Art zum Ende hin.

    Da holt Dickens ja auch nochmal das Motiv der heiratswütigen Witwen hervor, die mit aller Macht versorgt werden wollen und jetzt dem armen Mr. Weller senior hinterher hecheln. Wobei diese Versorugungsängste der Witwen ja einen realen Hintergrund hat.

    :totlach: Der arme Mr. Weller senior, da muss er sich ja regelrecht erwehren. Dreist war ja wohl auch das Auftauchen von Mr. Stiggins und seine Frage, ob ihm nicht etwas hinterlassen worden wäre. Was für ein widerlicher Blutegel. :puker:


    Jingle und Hiob verschlägt es dank Mr. Pickwick nach Südmerika und Jingle hat in Hiob ja wirklich auch einen loyalen Begleiter gewonnen. Pickwick wird richtig zum Menschenfreund, zumal er Jingle und Hiob zunächst ja durch halb England gejagt hat. Hattet ihr in Kapitel 50 auch Bedenken, dass sich Pickwick erneut von den Herren Dodson und Fogg provozieren lässt?


    Arabella Winkles Ansage (am Ende von Kapitel 51) an ihren Vater und Mr. Pickwick wegen der Hochzeit zwischen Emilie und Mr. Snodgras fand ich total super, da war sie richtig taff. :twisted: Um dann in Kapitel 53 wieder zu der ängstlich bangen Frauensperson zu werden, die Schuld an allem ist.:roll: Gut gefiel mir, dass Winkle uneingeschränkt zu ihr steht, wie es ja auch sein soll. Sehr gut fand ich hier auch Pickwicks Überzeugungsarbeit bei Mr. Weller in Bezug auf Sam und Mary - und ausschlaggebend für Wellers Einverständnis war dann die Tatsache, dass Mary keine Witwe ist. :totlach: Nur der gute Sam stellt seine Loyalität zu seinem Herrn über die Liebe zu seiner Angebeteten.


    Squirrel Ich wollte dich übrigens die ganze Zeit schon fragen, ob im englischen Mr. Weller senior auch mit Akzent/Slang spricht? :-k


    In Kapitel 54 nimmt Dickens so allmählich Abschied von seinen Figuren und fasst mit Pickwicks Worten "...ich werde es niemals bereuen, daß ich mich beinahe zwei volle Jahre hindurch unter verschiedenen Nuancen und Schattierungen des menschlichen Charakters umhergetrieben habe..." sein Werk sehr treffend zusammen. Auch Dickens merkt man die Wehmut über den Abschied von seinen Figuren an und mir als Leser ging es ebenso. Die Charaktere haben uns ja nun auch einige Wochen begleitet. Gut gefiel mir Dickens Blick auf die späteren Schicksale seiner Figuren. :applause:Die Formulierung "delikater Gesundheitszustand" habe ich so auch noch nicht gehört, aber es gab ja seinerzeit so einige verschämte Umschreibungen für die anderen Umstände. :mrgreen:

    Mr Pickwick erstrahlt am Ende des Romans in einem fast übernatürlichen Licht! Ene Engelsgestalt, heiter und liebenwürdig, dazu in einem wunderbaren Haus, umsorgt von Dienerschaft und umgeben von treuen Freunden - also das ist ja fast zuviel des Guten!

    Ja, das war schon ein ziemliches Friede-Freude-Eierkuchenende. O:-) Auch die ganzen netten Hochzeiten haben das Bild der heilen Welt noch unterstrichen. Ich hätte aber noch gedacht, dass der etwas farblos gebliebene Mr. Tupman auch noch unter die Haube kommt, aber vielleicht war das Dickens auch too much. :lol:

    Liebe Grüße,
    Tine


    :study: Ken Follett - Die Waffen des Lichts

    :study: Taylor Jenkins Reid - Daisy Jones & The Six

  • Mit beiden Wellers hat Dickens sehr anständige, sympathische und bodenständige Figuren gezeichnet.

    Die absoluten Sympathieträger der ganzen Geschichte, jedenfalls für mich.:uups: Und ja: beide Wellers sprechen Dialekt, aber der Vater schlimmer als der Sohn. Da muss ich mich beim Lesen schon immer sehr konzentrieren. Und Seniors Brief an Sam war fast unleserlich, den hab ich dreimal gelesen. :ergeben:

    gegen dieses sorglose Verhalten junger Männer, die Schulden machen, keinerlei Verantwortung übernehmen wollen, sich durch das Leben schmarotzen und irgendwie immer wieder damit durchkommen.

    Wobei sie eigentlich nicht den richtigen Stand dafür haben, zumindest Sawyer nicht. Der hat sich auf Ben Allens Kosten durchschmarotzt, bis dem das Geld auch ausgegangen ist. Ekelhafte Typen [-(

    Jingle hat in Hiob ja wirklich auch einen loyalen Begleiter gewonnen

    Hiob ist wie ein Spiegel von Sam, nur dass er sich noch zum Positiven wenden musste.

    Hattet ihr in Kapitel 50 auch Bedenken, dass sich Pickwick erneut von den Herren Dodson und Fogg provozieren lässt?

    Und wie - ich hab schon mit einem weiteren Prozess gerechnet :totlach: Im übrigen ist der Name "Fogg" hervorragend gewählt, denn es ist gibt den Begriff des "pettifogging" was bedeutet, alle rechtlichen Mittel anzuwenden um jemanden zu schikanieren :twisted:

    Arabella Winkles Ansage (am Ende von Kapitel 51) an ihren Vater

    Wardle ist nicht Arabellas Vater - Arabella und Ben Allen haben keine Eltern mehr. Arabella ist Emilys Schulfreundin. :wink: Im übrigen hab ich irgendwie zwei Kapitel mehr hier am Ende, die Szene ist bei mir in Kapitel 53. Ich frage mich, welche Kapitel das sind? :-k Fehlt bei Euch die Geschichte, wie sie auf der Rückreise nach London übernachten und dort Pott und Slurk, die beiden "Journalisten" aus Eatanswell treffen? Und das Wiedersehen mit dem Einäugigen aus dem Pub aus Eatanswell, der dann noch diese Gruselgeschichte über seinen Großvater erzählt? :scratch:


    Niedlich fand ich den kleinen dicken Joe, wie er beim Essen in der Küche Mary anschmachtet O:-)

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Kai Seyfarth - Entscheidung in Aleppo: Walter Rößler, Helfer der verfolgten Armenier


  • Jingle und Hiob verschlägt es dank Mr. Pickwick nach Südmerika

    ... und unsere beiden "Ärzte" gehen in die andere Richtung.

    Ich hab beim Lesen auch gedacht, wie praktisch doch diese Kolonien sind, auch literarisch gesehen!

    Da kann man alle Bösewichte hin entsorgen.

    Gäbe es die Kolonien nicht, wäre die Sache dramaturgisch verzwickter.:lol:

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Gäbe es die Kolonien nicht, wäre die Sache dramaturgisch verzwickter. :lol:

    Wie die Dinge sich zuweilen gleichen. Das ist bei Thackarey`s >Vanity Fair< auch der Fall.:wink:

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Robert Seethaler - Das Cafe ohne Namen

    :study: Matt Ruff - Bad Monkeys

  • Mittlerweile habe ich das Buch ausgelesen. Gegen Ende ging alles ganz schnell, und alle Probleme haben sich in Wohlgefallen aufgelöst, grösstenteils dank des unerschöpflichen Vermögens von Pickwick. Ruckzuck wird geheiratet, diesmal aus Liebe, auch wenn es teilweise ziemlich plötzlich daher kommt. Bleibt zu hoffen, dass diese Ehen aus Liebe eher glücklich machen als die Ehen, die wir sonst im Roman zu sehen bekamen. Eingerissen Verfechter der Ehe schien mir Dickens nicht zu sein.

    Lustige Szenen gibt es am Ende aber auch noch, neben all dem „Herz-Schmerz-Geplänkel“. Das Kapitel, in dem sich die beiden „Journalisten“ treffen, ist in meiner Ausgabe enthalten. Allerdings sagt mir die Gruselgeschichte des Grossvaters nichts. :scratch:

    Tatsächlich gefiel mir die ersten zwei Drittel des Romans besser, wenn man sich damit arrangiert hat, dass es eher um Schwank, lustige Kurzgeschichten mit einer groben Rahmenhandlung geht. Es ist abwechslungsreich, pointiert, die Formulierungen und Beschreibungen sind einfach hervorragend,... Was mich teilweise bei Dickens etwas stört ist dieses unbedingte Happy-End, und das kam nun zu rasch, finde ich. Aber das ist jammern auf hohem Niveau bei Dickens, und unglaublich was er hier bereits bei seinem Erstling gezeigt hat!

  • Ach ja, eine Frage habe ich auch noch. Als Sam seinen Vater am Tag der Beisetzung besucht, sieht er ihn im Sessel sitzend. Well senior hat scheinbar noch seinen Hut auf, und da hängt ein Band daran - woran Sam erkennt, dass die Beerdigung an diesem Tag stattfand.

    Ich habe jetzt mein Buch nicht da, um es nachschauen...

    Aber diesen Brauch kenne ich nicht. Gibt es dazu noch Infos oder Anmerkungen in Deinem Buch Squirrel ?

  • Gäbe es die Kolonien nicht, wäre die Sache dramaturgisch verzwickter. :lol:

    Wie die Dinge sich zuweilen gleichen. Das ist bei Thackarey`s >Vanity Fair< auch der Fall.:wink:

    In einem der anderen Dickens-Romane war das doch auch - da wurde doch auch eine Familie nach Australien geschickt um dort eine neue Existenz aufzubauen. :-k War das bei Copperfield? :scratch:

    Aber diesen Brauch kenne ich nicht. Gibt es dazu noch Infos oder Anmerkungen in Deinem Buch Squirrel ?

    Bisher stand da nichts, allerdings kenne ich auch die Trauerflor-Gepflogenheit der damaligen Zeit nicht. Falls ich was darüber finde, sag ich natürlich Bescheid.

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Kai Seyfarth - Entscheidung in Aleppo: Walter Rößler, Helfer der verfolgten Armenier


  • Ich werde Euch nicht mehr einholen können, aber ich werde trotzdem weiter lesen und meine Meinung kund tun.

    Ich habe mich ein wenig informiert über das Fleet-Gefängnis und kann mir wirklich nicht vorstellen, dass jemand freiwillig dorthin geht, wenn er es vermeiden kann. Vor allem ist es dort sehr teuer, wenn man ein wenig Komfort haben will. Wäre es dauerhaft nicht billiger, die Summe zu bezahlen?Diese Beschreibung des Gefängnis ist sehr duster und Pickwick passt da wirklich nicht rein. Nun ist Sam auch weg, dafür taucht Jingles auf. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll.

    Von allen Welten, die der Mensch erschaffen hat, ist die der Bücher die Gewaltigste.
    Heinrich Heine

  • Ich werde Euch nicht mehr einholen können, aber ich werde trotzdem weiter lesen und meine Meinung kund tun.

    Und ich werde mit Dir hier schreiben bis Du fertig gelesen und geschrieben hast :friends:

    Wäre es dauerhaft nicht billiger, die Summe zu bezahlen?

    Auf jeden Fall, aber dafür ist Pickwick zu stolz. Er ist unrechtmäßig verurteilt worden und will partout nicht zahlen. Punkt, da gibt es für ihn keinerlei Kompromiss. :lol:

    Nun ist Sam auch weg, dafür taucht Jingles auf. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll.

    Zumindest ist Jingles mal da, wo er hingehört. Irgendwo, irgendwie ist er in die Falle seiner Gaunereien gegangen. Geschieht im schon recht, finde ich. Auch wenn die Zustände eigentlich für niemanden gerechtfertigt sind [-(

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Kai Seyfarth - Entscheidung in Aleppo: Walter Rößler, Helfer der verfolgten Armenier


  • Und ja: beide Wellers sprechen Dialekt, aber der Vater schlimmer als der Sohn. Da muss ich mich beim Lesen schon immer sehr konzentrieren. Und Seniors Brief an Sam war fast unleserlich, den hab ich dreimal gelesen.

    Ging mir bei seinem Brief auch so, dass man sich unheimlich konzentrieren oder fast schon raten musste. :D Und dabei habe ich den "nur" auf Deutsch gelesen.

    Wardle ist nicht Arabellas Vater - Arabella und Ben Allen haben keine Eltern mehr. Arabella ist Emilys Schulfreundin. :wink:

    #-o Danke fürs Zurechtrücken, ich glaube, mir war es einfach zu viel Familienmischmasch gegen Ende, so dass ich etwas den Überblick verloren habe.

    Fehlt bei Euch die Geschichte, wie sie auf der Rückreise nach London übernachten und dort Pott und Slurk, die beiden "Journalisten" aus Eatanswell treffen? Und das Wiedersehen mit dem Einäugigen aus dem Pub aus Eatanswell, der dann noch diese Gruselgeschichte über seinen Großvater erzählt?

    Die beiden blauen und gelben Gockel Pott und Slurk hatte ich auch, was haben die sich aufgespielt und kindisches Verhalten an den Tag gelegt. :roll: Etwas Schadenfreude empfand ich, als erwähnt wurde, dass Mrs. Pott sich offensichtlich von ihrem Gatten getrennt hat.

    Was mich teilweise bei Dickens etwas stört ist dieses unbedingte Happy-End, und das kam nun zu rasch, finde ich.

    Ja stimmt, es war einfach zu viel des Guten.

    da wurde doch auch eine Familie nach Australien geschickt um dort eine neue Existenz aufzubauen. :-k War das bei Copperfield?

    Ja, das war die ewig klamme Familie Micawber. :lol:

    Diese Beschreibung des Gefängnis ist sehr duster und Pickwick passt da wirklich nicht rein.

    Die Gefängniskapitel waren ein richtiger Kontrast zu den vorherigen, doch immer noch recht witzigen, Kapiteln und haben das Ganze auf eine etwas ernsthaftere Ebene gebracht.

    Liebe Grüße,
    Tine


    :study: Ken Follett - Die Waffen des Lichts

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  • Ja, das war die ewig klamme Familie Micawber. :lol:

    Genau die waren das #-o danke :kiss:


    Magst Du mal ein Beispiel von Sam und Toni Weller haben? :loool: Dialog am Beginn von Kapitel 54 (bei mir, müsste bei Euch 52 sein):


    Zitat von Dickens

    "Samivel," said Mr Weller, accosting his son on the morning after the funeral, "I've found it, Sammy. I thought it vos there."

    "Thought wot wo vere?" enquired Sam.

    "Your mother-in-law's vill, Sammy," replied Mr Weller. "In virtue o' vich, them arrangements is to be made a I told you on last night respecting' the funs."

    "Wot, didn't she tell you were it wos?" enquired Sam.

    Not a bit on it, Sammy," replied Mr Weller. "Ve vos a adjestin' our little differences, an I vos a cheerin' her spirits and bearin' her up, so that I forgot to ask anything' about it. I don't know as I should ha' done it indeed, if I had remembered it," added Mr Weller, "for it's a rum sort o' thing, Sammy, to go a hankering' arter anybody's property, venture you're assisting' 'em in illness. It's like helping an outside passenger up ven he's been pitched off a couch, and puttin' your hand in his pocket, vile you ask him with a high how he finds his-self, Sammy."

    Und hier sind beide nüchtern :mrgreen:

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Kai Seyfarth - Entscheidung in Aleppo: Walter Rößler, Helfer der verfolgten Armenier


  • :huhu:


    Ich bin ja auch durch das sehr schnelle, sehr extreme Happy End durch und lese mich jetzt noch durch all meine Anmerkungen etc. U.a. sind in meinem Buch alle drei Vorworte Dickens zu den drei unterschiedlichen Ausgaben von 1837, 1846 und 1867 enthalten. Anhand des Vorwortes (wenn es in Euren Ausgaben enthalten ist) könnt Ihr auch feststellen, auf welcher Ausgabe Eure Übersetzung basiert. Im Vorwort der letzten Ausgabe ist nämlich ein Statement Dickens in Bezug auf Seymour und dessen "Mitwirkung" an den Pickwick Papers enthalten. Offenbar wurde Dickens vermehrt unterstellt, er hätte Seymours Mitwirkung an den Ideen der Geschichte unterschlagen und ihn quasi in den Selbstmord getrieben. Darauf hat er reagiert mit folgendem Text:

    Zitat von Dickens: Vorwort zur Ausgabe von 1867

    It is with great unwillingness that I notice some intangible and incoherent assertions which have been made, professedly on behalf of MR SEYMOUR, to the effect that he had one hare in the invention of this book, or of anything in it, not faithfully described in the foregoing paragraph. With the moderation that is due equally to my report for the memory of a brother-artist, and to my self-respect, I confine myself to placing on record here the facts:

    That, MR SEYMOUR never originated or suggeted an incident, a phrase, or a word, to be found in this book. That, MR SEYMOUR died when only twenty-four pages of this book were published, and when assuredly not forty-eight were written. That, I never saw MR SEYMOUR's handwriting, in my life. That, I never saw MR SEYMOUR but once in my life, and that was on the night but one before his death, when he certainly offered no suggestion whatsoever. That I saw him then in the presence of two persons, both living, perfectly acquainted with all these facts, and whose written testimony to them I possess. Lastly, that MR EDWARD CHAPMAN (the survivor of the original firm of CHAPMAN and HALL) has set down, in writing, for similar preservation, his personal knowledge of the origin and progress of this book, of the monstrosity of the baseless assertions in question, and (tested by details) even of the self-evident impossibility of there being any truth anthem. In the exercise of the forbearance on which I have resolved, I do not quote MR EDWARD CHAPMAN'S account of his deceased partner's reception, on a certain occasion, of the pretenses in question.

    Die Anschuldigungen müssen also echt massiv gewiesen sein - Seymour beging übrigens vor Erscheinen des zweiten Teils der Pickwick Papers Selbstmord.


    Der "foregoing paragraph" im Vorwort beschreibt, wie Dickens als 24jähriger überhaupt zu dem Auftrag von Chapman kam. Dieser Teil ist in jedem Vorwort enthalten. :wink:

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Kai Seyfarth - Entscheidung in Aleppo: Walter Rößler, Helfer der verfolgten Armenier


  • :huhu:


    Die weiteren Anmerkungen haben nicht mehr ergeben als wir selbst schon diskutiert haben: das Dickens irgendwann anfing, aus den einzelnen Geschichten eine komplette Geschichte zu formen, dass unser Sam das Bindeglied ist, eingeführt als "Antipode" zu Jingles. Dickens hatte wohl erkannt, dass ihn die einzelnen Slapstick-Geschichten nicht durch so viele Auflagen tragen wie er schreiben musste. Und Sam war die Idealfigur, um die naiven weltfremden Pickwickier in die Realität zurückzuholen. :wink: Außerdem war er eine Kombination aus Bindeglied zur Realität und Quelle der Satire und Karikatur mit seinen Sprüchen. :)


    Hier habe ich übrigens meine Rezi hinterlassen. :uups:

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Kai Seyfarth - Entscheidung in Aleppo: Walter Rößler, Helfer der verfolgten Armenier