Original : Russisch, 2009
Zugrunde liegt diesem Buch der Dokumentarfilm von Oleg Dorman von 1997, in dem er das Erzählen Lunginas aus ihrem Leben wiedergibt. Der Film wurde erst 2009 gezeigt.
DIE ERZÄHLERIN :
Lilianna Lungina wurde am 16. Juni 1920 in Smolensk geboren. Ihr Vater Sinowi Markowitsch, von Beruf Bergbauingenieur, war Stellvertreter des Volkskommissars für Bildung Anatoli Lunatscharski und später sowjetischer Handelsvertreter in Berlin, ihre Mutter Maria Liberson engagierte sich für das Puppentheater. Ihre Kindheit verbrachte Lungina in Deutschland, Palästina und Frankreich. In Deutschland wohnte sie mit ihrer Familie von 1925 bis 1930 in Berlin am Hohenzollernplatz. Anschließend lebte sie mir ihrer Mutter getrennt vom Vater, bevor beide 1934 zu ihm in die UdSSR zurückkehrten.
Ab 1938 studierte Lilianna Lungina am Moskauer Tschernyschewski-Institut für Philosophie, Literatur und Geschichte, schloss das Studium an der Staatlichen Universität Moskau ab und wurde 1952 am Gorki-Institut für Weltliteratur promoviert. Sie unterrichtete Französisch und Deutsch.
Laut Lunginas Erinnerungen blieben ihr wegen ihrer jüdischen Herkunft aufgrund des verdeckten Antisemitismus in der UdSSR Übersetzungsaufträge aus dem Französischen und Deutschen verwehrt. So wechselte Lungina zu den skandinavischen Sprachen und deren Literatur. Per Zufall stieß sie dabei auf Astrid Lindgrens Kinderbuch Karlsson vom Dach. Zwei Jahre nach dem schwedischen Original (1955) erschien die sowjetische Ausgabe dieses Buchs (1957) in Lunginas Übersetzung. Sie übersetzte ebenso zB August Strindberg, Henrik Ibsen, Heinrich Böll, Boris Vian, Romain Gary, Friedrich Schiller, Knut Hamsun, Herman Bang, Gerhart Hauptmann, Colette uam
Wie auch ihr Ehemann ist Lilianna Lungina auf dem Nowodewitschi-Friedhof in Moskau begraben.
Lilianna Lungina war mit dem russischen Theater- und Drehbuchautor Semjon Lwowitsch Lungin verheiratet. Ihre gemeinsamen Söhne Pawel und Jewgeni sind Filmregisseure und Drehbuchautoren.
(Quelle : wikipedia)
BEMERKUNGEN :
So mag man dieses Buch ja einreihen in die Riege von Autobiographien. Und klar : Lungina erzählt ja aus ihrem Leben, gibt auch Eckdaten und -infos darauf. Dennoch handelt es sich um so viel mehr : Ihr Leben fällt ineins mit einer weiten Periode unter sowjetischer Herrschaft bis hin zur Perestroika. Ihr Schildern ist voller Einblicke in das Innenleben von Sowjetbürgern. Dazu gehört bei ihr nunmal, dass sie in einem Kreis verkehrte, in dem es nur so von hervorragenden Persönlichkeiten wimmelte. Auf die ein oder andere Weise wird sie somit eine bemerkenswerte Zeitzeugin. Ihre Bemerkungen zu einer Epoche, einem Thema, einer Person sind so gleichzeitig quasi symptomatisch für die Mentalität der Zeit.
Ich las das Buch in der hervorragend editierten franzôsischen Fassung : Erläuterungen in der Seitenkolonne, Photos an der rechten Stelle eingefügt, ein Anhang mit enormen Personenregister (denn derer tauchen nun mal viele auf). Ich kann nicht beurteilen, ab welchem Zeitpunkt ein Leser nahezu überfordert wird von der Fülle der erwähnten Personen und historischen Ereignisse. Dies hier geht schon ziemlich weit und es wäre wohl hilfreich, ein Grundwissen zu haben. Doch bei einem Russophilen dürfte der Nutzen immens sein. Es handelt sich ja um eine Beschreibung wie aus der Innenansicht, von einer Frau, die sicherlich teils Mut zeigte, aber auch hier und da zugeben wird, wie die Angst in gewissen Zeiten ein Geisteszustand war.
Das Wunder aber ist, dass sie nicht nur von einem schrecklichen Leben etwa spricht, sondern dass es am Grunde des Schreckens, des Spiels der Denunziationen immer noch großzügige Menschen gab. Und dass es ein Zusammenhalten, eine Intimsphäre des Vertrauens und des Austausches gab, die so manche Russen zusammenschweißte.
Ein ganz großer Wurf !
Hardcover: 336 pages
Publisher: Gerald Duckworth & Co Ltd (23 Oct. 2014)
ISBN-10: 9780715649220
ISBN-13: 978-0715649220
ASIN: 0715649221
A
bestselling sensation in Russia, where it was called the most
significant cultural event of the year (Ogoniok), Word for Word is
nothing less than the story of a nations literary conscience the
history of the twentieth century as seen through the eyes of single
person. A child of the 1920s, Lilianna Lungina was a Russian Jew born
to privilege, spending her childhood in Germany, France and
Palestine. But when her parents moved to the USSR when she was
thirteen, Lungina became witness to many of the eras greatest
upheavals. Exiled during World War II, dragged to KGB headquarters to
report on her cosmopolitan friends, and subjected to her new countrys
ruthless, systematic anti-Semitism, Lungina nonetheless carved out a
remarkable career as a translator who introduced hundreds of
thousands of Soviet readers to Knut Hamsun, August Strindberg and,
most famously, Astrid Lindgren. In the process, she found herself at
the very centre of Soviet cultural life, meeting and befriending
Pasternak, Brodsky, Solzhenitsyn and many other major figures of the
eras literature. Her extraordinary memoir at once heartfelt and
unsentimental is an unparalleled tribute to a lost world.
(Quelle: Amazon.uk)