Der Himmel ist blau, die Erde ist weiß
von Hiromi Kawakami und Jiro Taniguchi
Inhalt: Als die 38-jährige Tsukiko in einem Restaurant zufällig ihren alten Japanischlehrer trifft, ist das der Beginn einer sich langsam entwickelnden Liebesbeziehung. Zunächst noch sehr stark voneinander distanziert, fallen langsam die Schranken des Alters, der Lebensanschauungen und der Distanz.
Meinung: Für uns Westeuropäer ist es bisweilen schwer, sich in die Mentalität der Menschen im fernen Japan hineinzudenken. In Jiro Taniguchis Comicadaption des gleichnamigen Bestsellerromans der Autorin Hiromi Kawakami muss man sich als schnelllebiger Westeuropäer schon etwas an das Verhältnis von Tsukiko und ihres ehemaligen Lehrers, den sie nur Sensei nennt, herantasten. Fast wie zufällig begegnen sich beide immer wieder im Restaurant, sie stellen dabei immer wieder Gemeinsamkeiten und Unterschiede fest. Dabei sind sie stets auf der Hut, dem Gegenüber nicht zu nahe zu treten. Eine Gemeinsamkeit verbindet sie aber beide: Einsamkeit! Dieses Motiv zieht sich durch die gesamte Geschichte wie ein Faden und wird immer wieder aufgegriffen. Auch wenn beide mit ihrem Schicksal zufrieden zu sein scheinen, scheint die Einsamkeit die beiden wie ein unsichtbarer Schatten zu umgeben - dieses gemeinsame Band, geknüpft durch den gegenseitigen Respekt und ihrer Einsamkeit wird im weiteren Verlauf der Geschichte jedoch langsam und stetig fester.
Die Story wird aus der Sicht von Tsukiko erzählt. Daher sind fast ausschließlich nur ihre Gedanken dem Leser bekannt, ihr gegenüber kann vom Leser auch eine gefühlsmäßige Nähe aufgebaut werden. Das steht im krassen Gegensatz zum Sensei, dem man eigentlich immer auf Distanz bleibt. Das schafft zwei vollkommen verschiedene Ebenen, auf denen der Leser den beiden Protagonisten begegnet. Das ist spannend und lässt eine differenzierte Wahrnehmung der Figuren zu. Gerade die Gefühlswelt des Senseis ist hier eher auf Metaphern angelegt, was sich nach meiner Meinung besonders an dessen Aktentasche, die er dauernd mit sich führt, festmachen lässt:
Am Ende erkennt Tsukiko, dass die Tasche leer ist. Aber nur auf den ersten Blick ist sie leer. Offensichtlich ist die gefüllt mit den Gefühlen eines von den Ängsten vor dem drohenden Tod und der Liebe zu Tsukiko zerrissenen, alternden Mannes. Eine Tasche, die sich über -300- Comicseiten mit Gefühlen angefüllt hat …
Die Zeichnungen Taniguchis sind passend zur Geschichte. Die Hintergründe wurden teilweise bis ins kleinste Detail ausgearbeitet. Die Darstellung der Gefühle durch Mimiken ist knapp und lässt den Leser Raum für eigene Interpretationen, so dass auch die gefühlsmäßige Bindung besonders zu Tsukiko nie verloren geht.
Fazit: Ich lese gerne und oft Superheldencomics. Aber wenn man einmal gerne fernab von Superhelden-Massenschlägereien etwas Ruhe, Melancholie und die Erfahrung der Langsamkeit machen möchte, der ist bei diesem rührenden Liebesdrama eigentlich bestens aufgehoben.