Stella Müller-Madej - Das Mädchen von der Schindler-Liste / Dziewczynka z Listy Schindlera

  • Klappentext (amazon.de)

    »Ein ganz wichtiges Buch für eine Generation, die lernen muß, daß Spielbergs Film von wirklichen Menschen handelt.« Martin Pollack

    Stella ist zehn Jahre alt, als sie mit ihrer Familie ins Krakauer Ghetto ziehen muß. Zwei Jahre später werden sie ins KZ Plaszow bei Krakau gebracht. Dort erlebt und überlebt Stella ein unvorstellbares Grauen. Doch es gibt einen Hoffnungsschimmer: Die Familie wird zusammen mit etwa tausend anderen jüdischen Häftlingen von Oskar Schindler für seine Fabrik in Böhmen angefordert. Die Männer erreichen dieses Ziel, die Frauen jedoch werden nach Auschwitz deportiert.

    Mit beherzter Hartnäckigkeit sorgt Schindler dafür, daß sie doch noch nach Böhmen kommen. Stella, ihre Familie und viele andere sind gerettet. Stella Müller-Madejs Erinnerungen sind ein Dokument von ähnlicher Bedeutung wie die Tagebücher der Anne Frank. Stella Müller-Madej, 1930 in Krakau geboren, lebt heute in Bukowina bei Krakau.


    Ich habe das Buch von einem Bekannten ausgeliehen bekommen, weil wir auf den Film "Schindlers Liste" kamen.

    Der Bericht der Zeitzeugin Stella Müller-Madej hat mich sehr berührt. Natürlich hört man immer wieder von der dunklen Geschichte Deutschlands im Dritten Reich, aber wahrscheinlich geht nichts näher als es aus der Sicht von jemandem zu hören, der es selbst erlebt hat. Die Autorin gibt sehr gut die Stimmung dieser Zeit wieder und wie die betroffenen Menschen damit umgingen, um nicht verrückt zu werden und vor allem nicht aufzufallen. Wer auffiel, erregte die Aufmerksamkeit der Nazis, und war damit zum Tode verurteilt. Für mich war das Buch erschütternd und gleichzeitig aufschlussreich, denn damals hatten wir in der Schule nie diesen Teil der deutschen Geschichte besprochen.


    Was mich allerdings am Schreibstil extrem gestört hat und was sich durch das ganze Buch gezogen hat: Auch wenn in einem Kapitel durchgehend dieselbe Szene oder derselbe Tag beschrieben wurde, wechselte die Zeitform von der Gegenwartsform in die Vergangenheitsform und manchmal auch noch mal zurück. Nicht weil die Autorin sich innerhalb der Szene auf frühere Dinge bezogen hätte, sondern es war tatsächlich immer die Situation, die sie in den Kapiteln gerade beschrieben hat. Das war für mich jedes Mal wie ein Bruch im Text, weil es für mich einfach überhaupt keinen Sinn gemacht hat. Ich habe gelesen, dass das Buch im Original auf Polnisch geschrieben wurde. Daher könnte ich mir vorstellen, dass es im Polnischen bestimmte Gründe für solche Zeitsprünge innerhalb einer Szenenbeschreibung geben könnte, weil die Grammatik sehr kompliziert ist. Evtl. ist es ein bestimmtes Stilmittel. Auf Deutsch macht es aus meiner Sicht irgendwie keinen Sinn. Daher habe ich das Buch zwischendurch frustriert weggelegt. Hier ein Beispiel von Seite 111:


    Ich hebe den Blick. [...]

    "Mama", flüstere ich.

    "Still! Ich kann dir nicht helfen."

    "Sieh doch nur, Mama, die schönen Sterne am Himmel..."

    Sie hob nicht einmal den Kopf. Ich ahnte mehr, als dass ich es sah: sie weinte. Ich berührte ihr Gesicht.


    Falls jemand eine Idee hat, ob es ein Stilmittel ist und welches, freue ich mich auf eine PN. Ich lerne immer gerne was Neues dazu. O:-)

  • Das könnte ein journalistisches Erzählen sein, das zwei Erzählstimmen (Ichstimme/neutraler Beobachter oder Buchautor/Berichterstatter) verbindet. Evtl. mit dem Ziel, durch den Zeitwechsel die Leser aus der intimen Szene heraustreten und die neutrale Position einnehmen zu lassen. Egal wo, ich habe mit der Zeitform auch immer Schwierigkeiten.

    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Weber - Bannmeilen (Paris)

    :musik: -- Catton - Gestirne; Rehear


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Mich nerven solche unmotivierten Zeitformenwechsel auch sehr. Hatte das neulich in einem Buch, das tatsächlich von einer Journalistin geschrieben wurde. In einem meiner aktuellen Bücher, ebenfalls von einer Journalistin verfasst, das allerdings eine Übersetzung aus dem Englischen ist, taucht das Phänomen auch gelegentlich auf und ich kann nicht erkennen, welchen Zweck es verfolgt. Keine Ahnung, vielleicht lernt man sowas ja auf der Journalistenschule!? :roll: :lol:

    :study: Han Kang - Griechischstunden

    :musik: Asako Yuzuki - Butter (Re-???)

    :montag: Jane Austen - Stolz und Vorurteil (Reread)

    :montag: Sally Coulthard - Am Anfang war das Huhn





  • Falls jemand eine Idee hat,

    Ausgehend von der kleinen Passage rate ich mal: Dialoge im Präsens? Fließ(=erzähl)text im Präteritum? Einen Sinn ergibt das aber auch nicht. :-k

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Bei der beschriebenen Szene klingt es ein wenig so als sei die Gegenwartsform genutzt worden um die damalige Szene genau zu beschreiben (also IN der Szene drin zu sein) und danach dann wieder mit ein wenig Abstand von den früheren Ereignissen und dem was folgt zu berichten. So ähnlich wie Marie das auch beschreibt, würde ich vermuten.

    Unschön klingt es trotzdem, aber vielleicht ist das im Polnischen ja tatsächlich ein wenig anders als bei uns. :-k

    "I'm one with the force, the force is with me..." - Chirrut Imwe (Star Wars: Rogue One)

    俺は、お前を裏切らない - Ich werde dich nicht verraten

  • K.-G. Beck-Ewe

    Hat den Titel des Themas von „Stella Müller-Madej - Das Mädchen von der Schindler-Liste“ zu „Stella Müller-Madej - Das Mädchen von der Schindler-Liste / Dziewczynka z Listy Schindlera“ geändert.
  • Ich glaube auch, dass es als Stilmittel gedacht ist. Der Dialog im Präsens soll Unmittelbarkeit ausdrücken und darauf aufmerksam machen, dass dieser Dialog, diese Worte in genau diesem Moment eine Unwiederholbarkeit darstellen, die sich der Erzählerin für immer einprägen wird. Danach kehrt sie in den Erzählfluss zurück.

    In meinem Deutsch-Unterricht, der natürlich lange her ist, haben wir das tatsächlich noch als gültiges Stilmittel kennengelernt. Ich glaube auch nicht, dass es das nur in Deutsch gibt. Vielleicht aber eher in alten Büchern.

    signed/eigenmelody

    Dear Life,

    When I said "Can my day get any worse?" it was a rhetorical question, not a challenge.

    -Anonymous

  • Danke für deine Antwort. Ich glaube, als Muttersprachler habe ich im Deutschunterricht nicht immer bei jedem Detail zugehört. :uups: Und vielleicht kam dieses Stilmittel nicht oder für mich eher unbemerkt in den Büchern vor, die ich bisher gelesen habe.