Literatur-Kanon - männlich, weiblich oder neutral?

  • @Brideelke Du hattest in deinem Post Hiyanha in Schutz genommen und mir einen Vorwurf gemacht. Darauf darf ich antworten und habe dir ausführlich erklärt, was mein Problem ist. :wink:

  • Hm, zum Glück sind die heutigen Zeiten etwas Anderes. Zumindest in Deutschland.

    Ich finde es eine Zumutung, dass Jugendliche sich Lektüren wie Faust (p*dophil) oder Prinz von Homburg (se*istisch) reinziehen dürfen. Da wundert es mich nicht, dass das potenzielle Leserinnen und Leser vergrault werden und auf der anderen Seite hocken da Heranwachsende die diese ungesunden Machtunterschiede zwischen Frau und Mann ungefiltert übernehmen oder in ihrem Klischee-Denken bestätigt werden. Sie lernen dann: Das ist okay und wird sogar als große Literatur gefeiert! ...

    Um wieder auf das Thema Literaturkanon zurückzukommen ...

    Die Diskussion, ob Bücher, Comics, Filme oder Songtexte Jugendlichen indirekt schaden, in dem sie falsche Inhalte vermitteln, ist uralt. Angefangen von der Kritik an Grausamkeiten in Märchen, über die Schmutz- und Schunddiskussion der 50er Jahre bis zur Kritik der Gegenwart am Bad Boy und toxischen Beziehungen jugendlicher Figuren in Young Adult Texten. Die Zensurwelle in den USA, die offenbar die Hälfte der Jugendliteratur vernichten will, gibt mir allerdings zu denken.


    Der Sinn von Deutsch-/Literaturunterricht ist ja, eine Allgemeinbildung zu vermitteln als Basis, um überhaupt selbst Kritik üben zu können. Dass das inzwischen mit Bezug zur Verfilmung und Theaterinsezenierung von Texten geschieht, finde ich erfreulich.


    Als ich noch viel auf Flohmärkten gekauft habe und mich mit 18-Jährigen unterhalten habe, die dort "ihre ganze Schulkarriere" in Büchern raushauten, hatte ich den Eindruck, dass diese Schüler im Rückblick mit ihren Schullektüren zufrieden waren. Ich war zwar auch zufrieden, dass sie eine Grundkenntnis erhalten hatten, fürchte aber, dass es bei vielen im Leben die einzigen Bücher bleiben werden.


    Das Kritisieren einzeln herausgepickter Schullektüren finde ich durchaus problematisch (siehe USA-Zensur), weil ich unterstelle, dass damit extreme persönliche Werte durchgedrückt werden sollen, ohne dass die treibenden Kräfte unbedingt selbst Leser sind oder Literatur überhaupt beurteilen können. An existierenden unterschiedlichen Lebensmodellen ändert ja niemand etwas, der queere oder alternative Lebensformen aus Schullektüren zensieren will.


    Langer Rede, kurzer Sinn:

    @Northlight1 Deine spätere Ergänzung über deine Erlebnisse als Schülerin verdeutlichen mir, dass beim Thema Literatur-Kanon gut gemeint noch lange nicht gut gemacht ist - und dass ich die komplizierte Klassendynamik meiner eigenen Abi-Klasse verdrängt hatte. Sie war aus vergleichbaren Gründen "nicht zu unterrichten" - und musste zur Strafe "Kaltblütig" lesen.

    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Naylor - Die Stimme der Kraken

    :musik: --


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Hm, zum Glück sind die heutigen Zeiten etwas Anderes. Zumindest in Deutschland.

    Ich finde es eine Zumutung, dass Jugendliche sich Lektüren wie Faust (p*dophil) oder Prinz von Homburg (se*istisch) reinziehen dürfen. Da wundert es mich nicht, dass das potenzielle Leserinnen und Leser vergrault werden und auf der anderen Seite hocken da Heranwachsende die diese ungesunden Machtunterschiede zwischen Frau und Mann ungefiltert übernehmen oder in ihrem Klischee-Denken bestätigt werden. Sie lernen dann: Das ist okay und wird sogar als große Literatur gefeiert!


    Es stimmt ja auch: Wieso werden Young Adult Romane mit Bad Boys verrissen und bei den Klassikern sieht man brav und ehrfürchtig über den Schmutz hinweg? Nein, man kann an denen gerne loben, was zu loben ist, aber sollte auch ehrlich kritisieren, was zu kritisieren ist!

    Der Kanon repräsentiert den Zeitgeist, Vertreten durch Werke, die viele Menschen miteinander verbinden. Es werden auch heute viele wichtige Romane geschrieben und als Frau der heutigen Zeit, kann ich die Standard-Klassiker, die so genannt werden, nur belächeln. Man kann sie gerne lesen und mögen, aber makellos sind sie nicht und im Bildungskontext auch entwicklungshemmend, statt -fördernd.

    Ich habe den Post die Woche über gelesen und hatte nicht den Kopf zu antworten.

    Und zu der Diskussion der was wir interpretiert und wem unterstellt, halte ich mich raus.


    Ich weiß nicht, wie die derzeitigen Empfehlungen für die Schullektüre aussehen. Da sind ja immer mehrere gelistet, wo die Lehrkraft und die Schüler: innen sich für etwas entscheiden.

    Aus meinem Schulleben damals und meinem anschliessenden Bildungsleben heraus kenne ich es so, dass Bücher gelesen werden, interpretiert und historisch kritisch eingeordnet werden.

    Egal ob die Leiden des jungen Werther, Effi Briest oder der Steppenwolf. Immer war die historische Zeit, die damalige Wertung des Textes, die heutige Wertung Thema.

    Ziel war auch die Klassiker kennen zulernen, Allgemeinwissen zu bekommen. Goethe, Schiller, Fontane usw. mal gelesen zu haben und so zu wissen worauf ein Teil deutscher Kultur basiert. Deutschunterricht ist ja mehr als schreiben und lesen lernen.


    Was ich nervig fand, war das Stückchen für Stückchen lesen und das manche Lehrkraft nur eine Interpretation als richtig akzeptierte. Aber das lag am Lehrer.


    Ob und wie man mehr Autorinnen einbinden kann und evtl. auch Themen wie Migration, gesellschaftliche Differenzen, Armut usw. bin ich mir unschlüssig.

    Muss ein Werk einer Frau gelesen werden oder reicht es, wenn in der kritischen historischen Einordnung die Wertung weiblich verfasster Literatur besprochen wird?

    Genauso sind die "alten" Bücher mit ihren Themen ja auch gut geeignet um gesellschaftliche Entwicklung zu besprechen und zu verstehen. Wenn es Klassen oder Stände gibt aus denen man kaum ausbrechen kann, kann man das ja vor der heutigen Freiheit und den Möglichkeiten gut einordnen und so auch das Risiko der persönlichen Verantwortung damit zum Thema machen.