Karl-Gerhard Seifert - Goodbye Hoechst

  • Der Autor: Karl-Gerhard Seifert
    Titel: Goodbye Hoechst, erschien erstmals 2019
    Seiten: 576 Seiten
    Verlag: Societäts-Verlag
    ISBN: 9783955423216


    Der Autor: (Klappentext)
    Karl-Gerhard Seifert begann seine berufliche Laufbahn 1973 bei der Hoechst AG, die ihn 1988 bis in den Vorstand führte. Er war verantwortlich für die Bereiche Landwirtschaft, Pharma, Kosmetik und Spezialchemikalien. Er unterstützte die von dem Vorstandsvorsitzenden Jürgen Dormann ab 1996 verfolgte Strategie nicht, weil das für ihn das Ende der Hoechst AG bedeutete. Deshalb verließ er 1997 die Hoechst AG und übernahm die Leitung der Schweizer Chemiegesellschaft Clariant. Nach einer kurzen Zeit bei der Deutschen Bank erwarb er 2001 unter dem Namen AllessaChemie die ehemaligen Hoechst-Cassella Chemiewerke in Frankfurt-Fechenheim und Offenbach, um sie vor der Stilllegung zu bewahren. Er verkaufte diese Aktivitäten 2013 und ist seit dieser Zeit Geschäftsführer der Cassella GmbH.


    Inhalt: (Klappentext)
    Hoechst – der Chemiegigant aus dem gleichnamigen Stadtteil im Westen Frankfurts gehörte einst zu den Flaggschiffen der Großchemie in Deutschland. Die Rotfabriker, wie sie im Volksmund genannt wurden, waren Anfang der 1980er Jahre auch das größte Pharmaunternehmen der Welt – ehe ab etwa Mitte der 1990er Jahre ein durch unübersehbare Managementfehler bedingter Niedergang einsetzte, der letztlich zur Zerschlagung des früheren Weltkonzerns führte.
    Karl-Gerhard Seifert, von 1988 bis 1997 selbst Mitglied im Vorstand der Hoechst AG, blickt in seinen Erinnerungen auf die Vorgänge zurück, die maßgeblich waren für die Fusion mit Rhône-Poulenc zu Aventis. Viele Geschehnisse erschienen ihm so unglaublich, dass er ab dem Jahr 2000 begann, das Erlebte aufzuschreiben. Seine Protokolle, Dokumente und Aufzeichnungen der Gespräche mit Kollegen aus Vorstand und Aufsichtsrat beginnen aber viel früher und bilden die Grundlage für dieses Buch, das ein wesentliches Kapitel der jüngeren deutschen Industriegeschichte nachzeichnet.


    Meinung:
    Die Hoechst AG: einst Jedem ein Begriff, zu Spitzenzeiten das weltgrösste Pharmaunternehmen, über 180.000 Mitarbeiter, das Logo «Turm und Brücke» an gefühlt jeder Apotheke,... verschwand Ende der 1990er Jahre von der Bildfläche. Nicht etwa pleite gegangen, sondern aufgeteilt hat es sich, das Unternehmen. Dem damaligen Managementtrend unterworfen, dass Konglomerate nicht im Sinne des Shareholder Value sind, und man sich auf Life Science fokussieren sollte, was die höchsten Gewinne verspricht. Jürgen Dormann, der erste Kaufmann als Firmenchef bei Hoechst, vollzog stur seine Strategie, verscherbelte «Tafelsilber» und kaufte überteuert zu, sparte dann bei der Forschung, bis der Unternehmenswert der zurecht gestutzten Pharmafirma (nun Aventis) so klein war, dass es von der kleineren Firma Sanofi übernommen wurde.
    Nun kann man als Aussenstehender natürlich sagen, was solls, viele Jobs gibt es noch, nur hängt da ein anderes Firmenschild am Gebäude. Und tatsächlich – steht man heute am Werkstor, wo früher die Hoechst AG ihren Hauptsitz hatte, findet man fast 100 Firmen, es arbeiten noch immer 22.000 Menschen dort, an machen Standorten wird mehr investiert als jemals zuvor.
    Und doch war die Hoechst AG vermutlich nicht nur für die Mitarbeiter eine Art Familie, sondern eine Institution, auf die man im Rhein-Main-Gebiet stolz war. Ich übrigens auch, denn ich habe dort noch meine Ausbildung absolviert und in einem der Nachfolgeunternehmen jahrelang gearbeitet. Daher las ich diesen Bericht begierig, habe noch gute Erinnerung an einige genannte Manager, kenne heute noch viele Mitarbeiter bei InfraServ, Dystar, Celanese, Provadis, AllessaChemie, etc – und habe somit sicherlich auch stärkere Gefühle beim Lesen gehabt, als Jemand, der gar keinen Bezug zur Hoechst AG hat.
    Und auch Seifert, der fast 10 Jahre im Vorstand der Hoechst AG tätig war, schreibt hier natürlich kein objektives Sachbuch, sondern verarbeitet hier Erfahrungen, sozusagen als Mahnung und Dokumentation, was hier für Unfug geschehen ist. Sicherlich liest es sich stellenweise wie ein Krimi: die «Guten» K.-G. Seifert, U.-H. Felcht, etc gegen die «Bösen» Jürgen Dormann, Ernie Drew. Aber das Buch ist nicht unbedingt eine Abrechnung mit seinen ehemaligen Kollegen, sondern zeigt die Komplexität in einem riesigen Unternehmen, und auch, dass das Scheitern nicht überraschend kam, sondern bereits Jahre zuvor Managementfehler begangen wurden. (Und auch, dass nicht Jürgen Dormann die Firma zerlegt hat, sondern die Arbeitnehmervertreter und der Aufsichtsrat dahinterstanden und die Entscheidungen abgesegnet hatten.)
    Und so ist das Buch eine sehr unterhaltsame, und auch wehmütige Lektüre, in der Seifert seinen Werdegang bei der Hoechst AG 1973 über verschiedene Stationen bis zur Vorstandsposition beschreibt. Diverse Geschäftsreisen, versuchte Firmenzukäufe und Projekte, der Chemieunfall am Rosenmontag 1993 und die Entführung von Rudolf Cordes im Libanon 1987 – das alles bietet ausreichend Stoff für spannende Unterhaltung und Einblicke in die Wirtschaftswelt der 80/90er Jahre. Aber auch darüber hinaus schildert Seifert seine weitere Karriere als CEO bei der Clariant, wo er ebenfalls mit Intrigen und Strategien konfrontiert wurden, die ihm nicht zusagten, bis hin zu seiner Periode als Unternehmer und dem Verkauf der Allessa an die ICI im Jahre 2013. Neben viele persönlichen Anekdoten und Fotos, enthält der Band auch zahlreiche Zeitungsberichte, Protokolle von Vorstandssitzungen, Gesprächsnotizen, ...
    Für mich ganz klar ein Jahreshighlight und eine deutliche Empfehlung an Wegbegleiter, die sich noch an die Hoechst AG erinnern können.

  • Und doch war die Hoechst AG vermutlich nicht nur für die Mitarbeiter eine Art Familie, sondern eine Institution, auf die man im Rhein-Main-Gebiet stolz war. Ich übrigens auch, denn ich habe dort noch meine Ausbildung absolviert und in einem der Nachfolgeunternehmen jahrelang gearbeitet.

    Ich auch :ergeben: Ausbildung im Werk Albert und dann 5 Jahre in der Pharma auf der Südseite am Tor K801 :loool: Hach ja, lang ist's her und von der ollen Hoechst AG nicht mehr viel übrig, auch wenn im Industriepark viele Firmen einen neuen Platz gefunden haben. :-?

    Danke für deine Rezension, das Buch ist gleich auf meiner Wunschliste gelandet. Kennst Du dieses Buch hier? Das gab es damals für die Mitarbeiter zum Jubiläum. :wink:

  • Ach ja, K801 sagt mir auch etwas. War das nicht später AgrEvo, und dann Bayer CropScience?

    Nee, die sind am Tor Süd. K801 ist das kleine Nebentor kurz vor der So-Da-Brücke :loool: Ich bin zwar nächsten Sonntag tatsächlich in Hofheim, aber Samstag Abend auf einem großen Geburtstag und Sonntag morgen beim Frühstück mit dem Geburtstagskind, einer ganz engen Freundin. Das werde ich also leider nicht schaffen. :wink:

  • Ich übrigens auch, denn ich habe dort noch meine Ausbildung absolviert und in einem der Nachfolgeunternehmen jahrelang gearbeitet. Daher las ich diesen Bericht begierig, habe noch gute Erinnerung an einige genannte Manager, kenne heute noch viele Mitarbeiter bei InfraServ, Dystar, Celanese, Provadis, AllessaChemie, etc – und habe somit sicherlich auch stärkere Gefühle beim Lesen gehabt, als Jemand, der gar keinen Bezug zur Hoechst AG hat.

    Mein Mann auch :wink: Er hat das Buch auch zuhause stehen, aber noch nicht gelesen.