Mary Berg - Wann wird diese Hölle enden? / The Diary of Mary Berg: Growing up in the Warsaw Ghetto

  • Mary Berg: Wann wird diese Hölle enden?

    Das Tagebuch von Mary Berg beginnt am 10. Oktober 1939. Das 15-jährige Mädchen dokumentiert die Entwicklung des Warschauer Ghettos und die Deportation ihrer Familie. Es endet am 05.03.1944, nach Jahren des Nazi-Terrors. Mary Berg ist in Sicherheit, aber die Bilder werden sie lebenslang begleiten, ebenso wie die Gedanken an all die Menschen, denen eine Ausreise nicht möglich war, die in Warschau oder in Konzentrationslagern umgekommen sind.

    Was Mary Berg auf über dreihundert Seiten ihrem Tagebuch anvertraut ist erschreckend und bedrückend und es wirft zumindest bei mir immer wieder die Frage auf: wie war das möglich ? Wie ist es möglich, dass Menschen sich so voller Hass und Gewalt gegen Mitmenschen richten ? Die Frage ‚Wann wird diese Hölle enden?‘ wirft die Frage auf: ‚Wie war es möglich der Naziherrschaft so viel Macht zu geben?‘.

    In ihrem Tagebuch beschreibt Mary Berg die Verordnungen und Verbote die in Warschau mehr und mehr werden, bis sie schließlich zu Todesfalle werden. Sie versucht so lange wie möglich das alltägliche Leben aufrechtzuerhalten, engagiert sich innerhalb einer Künstlergruppe, immer begleitet von der Angst der nächsten Gräueltat der Nazis. Jedes Treffen birgt die Gefahr verhaftet oder völlig grundlos auf der Strasse zusammengeschlagen oder erschossen zu werden.

    Mit jedem Jahr das vergeht wächst der Hunger, die Situation wird angespannter, die Menschen im Ghetto immer mehr. Die Menschen sterben an Entkräftung, Skorbut, Typhus und bei jedem Gang auf die Strasse wird Mary vor Augen geführt, dass die Situation von Tag zu Tag dramatischer wird. Kinder, die bis auf die Knochen abgemagert sind sterben auf der Strasse, Menschen werden brutal misshandelt, gedemütigt, erschossen. Der tägliche Überlebenskampf wird eindrücklich geschildert.

    ‚Morgen Abend ist Rosch ha-Schana, das jüdische Neujahrsfest. Wir haben Angst, dass die Nazis für diesen heiligen Tag etwas Furchtbares planen, denn an jedem jüdischen Feiertag machen sie etwas besonders Brutales.‘

    Ihre Vermutung soll zur Realität werden.

    Mary Berg und ihrer Familie wird nach langem Warten und Bangen die Ausreise ermöglicht, doch die Gedanken an die, die zurückbleiben trüben die Freude darüber. Nachdem die Mutter amerikanische Staatsangehörige ist, wird die Familie zunächst in ein Gefängnis verbracht, bevor ein endgültiges Entkommen aus der Warschauer Hölle möglich ist.

    Der Tochter gelingt es die kleinen Notizbücher mit den Tagebucheinträgen aus dem Ghetto zu schmuggeln und viele Jahre nach der Veröffentlichung in Englisch liegen sie nun auch in Deutsch vor.

    Ich habe sehr viel zum Thema gelesen und die Erlebnisse, die Mary Berg schildert sind schon oft beschrieben worden, dennoch sind die Tagebücher von großem Wert, beeindruckend und beklemmend, lesenswert und das erschütternde Dokument einer Zeitzeugin.

  • Squirrel

    Hat den Titel des Themas von „Wann wird diese Hölle enden?“ zu „Mary Berg - Wann wird diese Hölle enden?“ geändert.
  • graphida Auch hier erneut meine Bitte, immer die ISBN sowie den Autorennamen einzutragen, damit man die Rezension über die Suche bzw. den Rezensionsindex wiederfindet.


    Auch verschiebe ich den Thread zu den Biografien, da das Tagebuch wie auch das der Anne Frank kein Roman ist. :wink:

    Hier noch das Original

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Kai Seyfarth - Entscheidung in Aleppo: Walter Rößler, Helfer der verfolgten Armenier


  • Squirrel

    Hat den Titel des Themas von „Mary Berg - Wann wird diese Hölle enden?“ zu „Mary Berg - Wann wird diese Hölle enden? / The Diary of Mary Berg: Growing up in the Warsaw Ghetto“ geändert.
  • graphida , kannst Du bitte eine andere Schrift für Deine Beiträge wählen. Diese ist für mich (und sicher einige andere Mitglieder, die Probleme mit dem Sehen haben) sehr schlecht zu lesen. Und warum der Hintergrund Deines Beitrags eingefärbt ist, weiß ich auch nicht. :-s

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • graphida

    Du vermeidest diese Tabellenansicht, wenn du direkt aus Word/Textprogramm kopierst und nicht von einer anderen Webseite, weil du sonst die Formatierung der anderen Seite mit hierher schleppst. Oder du klickst auf das kleine Rechteck hier links über der Eingabemaske und gibst dort deinen Text ein.

    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Toibin - Long Island

    :musik: -- Catton - Gestirne; Rehear


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Unschätzbares Zeitdokument


    Ich finde es ungeheuer schwierig, ein Buch zu „bewerten“, das von wahren Gräueltaten im Warschauer Ghetto berichtet. Noch dazu das Tagebuch einer jungen jüdischen Frau! Eigentlich sollte sich das von selbst verbieten. Ich kann das Buch allerdings in Relation setzen zu anderen jüdischen Tagebüchern aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges – und ich kann versuchen, die Person Mary Berg zu verstehen.


    Ich habe lange für dieses Buch gebraucht! Die Lektüre ist mir nicht immer leicht gefallen. Ich habe es als sehr dicht mit Emotionen empfunden, was gerade durch den Kontrast mit den eher beschreibenden Passagen intensiviert wurde. Es war ein ständiges Wechselbad der Gefühle, mit dem ich mich hier konfrontiert sah. Als solches war das manchmal hart an der Schmerzgrenze.


    Ich finde vorab außerdem, dass das Buch sehr gut lektoriert und betreut wurde. Die diversen Vorworte der Herausgeber fand ich erhellend. Man merkte deutlich, wie sehr ihnen das Projekt am Herzen lag. Zuerst wurde das Buch relativ rasch nach Ende des Krieges veröffentlicht; damals allerdings nur in Amerika. Nun feiert es 75. Geburtstag, und erscheint auch hierzulande. Seltsamerweise in einem Schweizer Verlag, anstatt einem deutschen…! Wie schade, dass Mary Berg das nicht mehr miterlebt.


    Es gibt schon einen deutlichen Unterschied zu – beispielsweise – Anne Frank. Anne war wesentlich jünger als damals Mary; und hatte sich sehr auf Zwischenmenschliches und moralische Reflexionen konzentriert. Sie war ein recht sonniges und heiteres Gemüt. Die unfreiwillige Autorin Mary Berg jedoch war schon im Teenager-Alter, was man deutlich merkt. Mary berichtet eher von dem alltäglichen Ghetto-Leben, von Kunst und Kultur, vom Lebenswillen der eingesperrten Juden. Und natürlich erzählt sie viel von ihren Freunden, und von Verwandtschaftsverhältnissen.


    Mit den Tagebüchern von Victor Klemperer oder Ruth Klüger lässt sich Mary Berg nun nicht wirklich vergleichen. Klemperer war von vornherein wesentlich „literarischer“, Ruth Klüger auch. Und diese schreibt zudem viel im Rückblick. Ich würde sagen, Marys Sprache, Schreibweise und Reflexionsniveau liegen genau erwartungsgemäß bei dem Standard einer 15- bis 19jährigen jungen Frau.


    Teils beschreibt sie, teils denkt sie aber auch nach. Da gibt es Abende mit Theater-Aufführungen, und diverse Verehrer hat Mary auch! Dann wieder schildert sie mit viel Empathie allerlei Maschen und Tricks, die sich die Leute einfallen lassen, um zu überleben. Sie verurteilt niemanden dabei. Allerdings hat sie harsche Kritik übrig für Polen, die sich gegen ihre jüdischen Landsleute gewendet haben!


    Man mag Mary vorwerfen, dass sie „Glück hatte“ und privilegiert war, da ihre Mutter amerikanische Staatsbürgerin war und dies somit letztlich eine Ausreise ermöglichte. Dennoch, ich finde, dass Marys Verzweiflung deutlich spürbar ist. Sie erlebt ja alles hautnah mit, riecht sozusagen das Blut auf den Straßen, hört die Schreie und Schüsse. Und „sicher“ hat sie sich wahrlich nicht gefühlt! Die Armut zumindest hat alle gleich betroffen.


    Die Einteilung in Kapitel und die Überschriften hierzu sind natürlich willkürlich, und von den Herausgebern vorgenommen. Man schreibt ein Tagebuch schließlich nicht „nach Themen“. Ab der Mitte des Buches merkt man auch, dass zwischen den Eintragungen längere Abstände liegen. Manchmal gibt Mary das unumwunden zu. Sie ist einfach zu sehr mit „Überleben“ beschäftigt, oder mit traurigem Grübeln. Doch immer wieder zwingt sie sich, weiterzuschreiben – bis hin zur Ankunft in Amerika.


    Ich verleihe mit voller Überzeugung und allergößter Anteilnahme 5 Stern! Das Buch ist auf seine ganz eigene Art eine würdige Ergänzung des damaligen Zeitpanoramas. Allerdings kann man es meiner Ansicht nach kaum „in einem Rutsch“ durchlesen.

    "Ein Mensch, der Ideale hat/
    Der hüte sich, sie zu erreichen!/
    Sonst wird er eines Tags anstatt/
    Sich selber andern Menschen gleichen."
    (Erich Kästner) :):)