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Mit 22 Jahren ist Muriel Baumeister nicht nur junge Mutter und glücklich verliebt, sondern hält bereits die goldene Kamera in ihren Händen. Viele Jahre lang ist sie aus dem deutschen Fernsehen nicht wegzudenken, arbeitet mit Schauspielgrößen wie Jan Josef Liefers und ihrem Mentor Götz George zusammen.
Doch das Leben auf der Überholspur fordert seinen Preis. Muriel wird Alkoholikerin, und die Presse zerreißt sie dafür in der Luft. Der Alkohol war ihr ein böser Freund, dem sie schließlich mit großem Mut und einer ordentlichen Portion Humor den Kampf ansagt. Muriel rappelt sich auf, wird trocken und lernt während des Entzugs viel über sich selbst.
Muriel Baumeisters ehrliche Geschichten gehen unter die Haut. Sie steht zu ihren Fehlern und lacht dem Leben ins Gesicht. Das längst überfällige Mutmach-Buch einer außergewöhnlichen Frau.
Mein Leseeindruck:
Muriel Baumeister ist wohl eine der bekanntesten Schauspielerinnen Deutschlands. Seitdem ihre Film-Kariere 1990 mit der Serie "Ein Haus in der Toscana" losging, ist ihr Gesicht wohl nicht mehr aus dem TV weg zu denken. In unzähligen Serien und Filmen hat sie im Laufe der Jahre völlig verschiedene Charaktere verkörpert. Zusammen mit Constanze Behrends - ihres Zeichens Schauspielerin, Autorin und Regisseurin - hat sie nun dieses Buch geschrieben, welches einen tiefen und sehr persönlichen Einblick in ihr Leben gewährt.
Es handelt sich jedoch keinesfalls um eine Autobiografie, sondern viel mehr um eine lose und miteinander verbundene Sammlung Lebensgeschichten. Quasi ein Potpourri an gemachten Lebenserfahrungen und Begebenheiten.
Beim Lesen spürt man Frau Baumeisters tief verwurzelte Liebe zu ihrer Heimat, dem Salzburger Land. Zwar lebt sie seit vielen Jahren schon in Berlin, aber sie "flüchtet" regelmäßig mehrmals im Jahr zurück nach Österreich, um ihren Akku - wie sie so schön formuliert - wieder mit Heimat aufzuladen.
Eine ebenso tiefe Verbindung hat sie - der totale Familienmensch - mit ihrer Mutter und den beiden (mittlerweile verstorbenen) Großmüttern. Familienrituale nehmen einen großen Stellenwert ein, werden liebevoll gepflegt und an ihre eigenen Kinder weiter gegeben. Überhaupt sind ihr ihre Kinder und ihre Beziehung zu ihnen, überaus wichtig. Man merkt, dass sie - trotz der großen beruflichen Belastung - voll in ihrer Mutterrolle aufgeht. Und gerade weil sie nun mal drei Kinder von drei verschiedenen Männern hat, ist es ihr ein großes Anliegen, zu den jeweiligen Vätern nach wie vor eine gute und funktionierende Verbindung zu pflegen. Ihre ganz eigene Variante der Patchwork-Familie funktioniert offenbar sehr gut und wird gespeist und getragen durch einen liebevollen, ehrlichen und achtsamen Umgang miteinander. Was ich sehr außergewöhnlich finde, denn dieser arbeitsintensive Balanceakt gelingt wahrlich nicht in jeder Familie. Ob nun Patchwork, oder nicht.
Eine weiteres großes Thema ist natürlich ihr Beruf. Sie gewährt dem Leser einen kleinen Blick hinter die Kulissen. Macht darauf aufmerksam, dass eine gelungene Filmproduktion nicht nur aufgrund der jeweiligen schauspielerischen Leistungen zustande kommt, sondern dass das komplette Filmteam wichtig und notwendig ist. Vom Kabelträger bis zum Regisseur.
Sie legt den Finger auf ganz offensichtliche Probleme, über die man sich als Zuschauer jedoch so gut wie nie - wenn überhaupt - Gedanken macht: Die Klischees zum Beispiel, die nach wie vor bedient werden im Hinblick auf die Rollen und ihrer jeweiligen Besetzung. Das es gerade weibliche Schauspieler ab einem gewissen Alter sehr schwer haben Engagements zu finden und was das große Thema Altersarmut anbelangt. Das eben viele der Schauspieler in ihrer drehfreien Zeit Harz4 beantragen müssen.
Besonders das öffentliche Ansprechen vor allem der letzten Thematik, hat ihr in den Reihen ihrer Kollegen nicht gerade Sympathien eingebracht.
Auch auf anderem Gebiet nimmt Frau Baumeister kein Blatt vor den Mund. Sie thematisiert sowohl die Problematik, dass Mütter nicht über evtl. vorhandene psychische Probleme sprechen. (Über postpartale Depressionen zum Beispiel redet einfach niemand in der Öffentlichkeit. Sehr zum Nachteil jeder davon betroffenen Frau, der es eher helfen würde zu erfahren, dass sie eben NICHT die vermeintlich einzige Mutter mit solchen Problemen ist.) Als auch ganz grundsätzlich die im Alltag an jeder erdenklichen Ecke zu spürenden Unsolidarität und "Stutenbissigkeit" unter Frauen.
Ebenso offen spricht sie über ihre Alkoholsucht und was es alles gebraucht hat, damit sie endlich und mit Erfolg einen Entzug angehen konnte. Welche Kraftanstrengung dieses Nicht-Trinken tagtäglich, ein lebenlang, bedeutet und wie viel mehr Lebensqualität es aber auch mit sich bringt.
In einer Zeit, in der man so gnadenlos für seine geäußerte Meinung von der Öffentlichkeit angegangen wird, finde ich es sehr bemerkenswert und mutig, dass Frau Baumeister sich zu diesem Buch entschlossen hat. Hut ab!
Mir zumindest wurde die Zeit beim Lesen alles andere als lang, im Gegenteil wäre ich ihren Schilderungen und Gedankengängen sehr gerne noch ein paar hundert weiteren Seiten gefolgt. Ich fühlte mich nicht nur gut unterhalten, sondern von dem ein oder anderen Thema sehr nachdenklich gestimmt. Und in der Tat ist ihr so etwas wie ein Mutmacher gelungen, denn in unser aller Leben läuft es doch nicht immer rund und glatt. Wir alle tragen unser ganz eigenes und sehr persönliches Päckchen durchs Leben. Wir verzweifeln manchmal und liegen sprichwörtlich am Boden. Und genau hier kommt Muriel Baumeister und zeigt uns anhand ihrer eigenen Lebenserfahrungen, dass genau dieses vermeintliche Scheitern unwahrscheinlich wichtig für unsere weitere Entwicklung ist. Dass es schlichtweg dazu gehört und definitiv keine Schande ist. Man muss nur immer einmal mehr aufstehen und weiter laufen, als man hingefallen ist.
Vielen Dank, fürs daran erinnern ♥