Birgit Vanderbeke – Fehlende Teile

  • Kurzmeinung

    tom leo
    Ein lustiger Wirbelwind an Sprache, der schwindlig macht. Hier zählt eher Stil und Sprache?!
  • Original : Deutsch, 1992


    INHALTSBESCHREIBUNG DURCH DEN HERAUSGEBER :

    Lila trägt schwarzes, welliges Haar und ist von Beruf Schauspielerin. Sie ist etwas chaotisch, geht gern allein spazieren und hat einen Hang zum Luxuriösen. Und sie liebt einen Mann, der – zumindest manchmal – blind ist. Beide leben sie ihre »Liebeslügen«, spielen mit Identitäten und täuschen sich bewusst. Und so bleibt alles Inszenierung und schöner Schein – ob Liebe, ob Eifersucht …


    BEMERKUNGEN:

    Vielleicht bin ich etwas zu naiv, aber ich war ganz froh über die obigen Anmerkungen zum Inhalt, wie auch die des inneren Textes auf Seite 4. Denn um ehrlich zu sein ist das irgendwie – in meinen Augen ein Verwirrspiel, was Vanderbeke mit uns anstellt, und ich weiß auch nicht so recht, ob es nun ein, zwei oder gar drei Erzähler gibt. Ein Spiel mit Identitäten ?


    Ha, nun habt Ihr mich. Dennoch fühle ich mich pudelwohl mit diesem Roman. Ich denke letztlich, dass das Wichtigste hier nicht in einer stringenten Erzählweise liegt oder einem festen Inhalt, Ziel und Aufbau, sondern ich begegnete einfach Spaß am Fabulieren, am Erzählen. Das ist einfach eine spritzige, überbordende, lustige und originelle Sprache, lebensfroh, mit einigen Wortschöpfungen hier und da, aber stets einem Kreisen in den circa fünfseitigen Abschnitten um je ein Thema. Dabei tauchen gewiße Worte, Begriffe, Motive öfter auf. Trotz einiger Sätze von zwei, drei, gar vier Seiten bleibt das Ganze ungeheuer geschmeidig und lesbar – ein Lesegenuß.

    ...die Welt liegt im Koma, man hat als erwachsener Mensch für die Welt keine Weltliebe, sondern ein Stirnrunzeln, ein besorgtes Stirnrunzeln, zu empfinden und übrig zu haben, aber ich kann nichts dagegen machen, diese Weltliebe überfällt mich von Zeit zu Zeit unpassend unzeitgemäß, wenn ich im Auto sitze und singe. (S 107)


    AUTORIN :

    Birgit Vanderbeke (* 8. August 1956 im Dahme/Mark) ist eine deutsche Schriftstellerin. Sie wuchs nach der Übersiedlung ihrer Familie in den westlichen Teil Deutschlands im Jahre 1961 in Frankfurt am Main auf, wo sie später auch Jura, Germanistik und Romanistik studierte. Seit 1990 ist sie freie Autorin und lebt seit 1993 in ihrer neuen Wahlheimat in Südfrankreich.


    Persönliche Webseite : https://www.birgitvanderbeke.com/



    Taschenbuch: 112 Seiten

    Verlag: Piper Taschenbuch; Auflage: Ungekürzte Taschenbuchausg. (9. Oktober 2012)

    Sprache: Deutsch

    ISBN-10: 3492300979

    ISBN-13: 978-3492300971

  • Ein Spiel mit Identitäten ?

    Das kommt mir im Zusammenhang mit Vanderbeke, die ich gern lese, ziemlich bekannt vor.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Für mich gehört diese Erzählung leider zu den Werken Vanderbekes, mit denen ich ziemlich wenig anfangen kann. Zugegeben: ich liebe diesen Erzählstil, dieses Fabulieren, Sätze über eine ganze Seite und mehr, das Hin- und Herwenden und Beschreiben einer Situation, dabei die Gedanken der Protagonistin wiedergebend, abwägend, verwerfend und wieder aufnehmend, plötzlich das Thema ändern und dennoch Motive nochmals verwenden, die man zuvor bereits gestreift hat, das alles mit verspielter Sprache, künstlerisch, mit originellen Wortschöpfungen und diversen Andeutungen. Talent zu schreiben hat sie, die Frau Vanderbeke. Aber manche Texte sprechen mich inhaltlich so gar nicht an. Und hier: ein paar Seiten über das richtige Entleeren des Katzenklos, das zweifelhafte Fahrvermögen im Straßenverkehr, den perfekten Badeanzug, das Fabulieren über einen Selbstmord, usw. Dabei stetig täuschen, wer denn hier eigentlich erzählt, ein Perspektivwechsel alle paar Seiten.
    Ja, es ist ein Spiel mit Fakten, vielleicht ein Experiment, inhaltlich eine Aneinanderreihung von alltäglichen Situationen und Gedanken. Mir war das Ganze zu künstlerisch, die Protagonistin Lilalein zu kokett. Wenn ich Alltagssituationen und dazugehörige Gedanken und Beschreibungen lesen möchte, dann greife ich lieber zu Wilhelm Genazino.

  • So haben wir eine ähnliche Wahrnehmung und dennoch eine verschiedene. Prima! Vielleicht ergibt das Ganze zusammen (unsere beiden Meinungen) für die eine und den anderen einen guten Eindruck, was für ein Verwirrspiel die liebe Vanderbeke mit uns treibt. (Okay, Katzenklo mußte nicht sein, aber zB der Abschnitt über den Badeanzug fand ich herrlich!)


    Tatsächlich kann man Frau Vanderbeke und Genazino wohl miteinander vergleichen! Sie halt mal die Laudatio auf einen Preis, den letzterer erhielt!