Das Kapitel "Piano" lese ich ja mittlerweile das zweitemal. Wobei ich leider noch nicht sehr weit gekommen bin. Ist irgendwie auch ein hartes Kapitel für mich.
Als Burnside schrieb
Zitat von S. 150 / 151Ich habe meine Mutter geliebt. Für manche mag derlei eine selbstverständliche Feststellung sein, für mich aber ist diese Aussage hart erkämpft.
musste ich tief durchatmen. Man kann wirklich verstehen wie schwer es für ihn sein mochte durch seine Ausführung darüber.
Ich kann sehr nachvollziehen wie sich die Einstellung im Laufe des eigenen Lebens zu seiner Mutter ändern kann. Man sieht es tatsächlich dann aus einem anderen Blickwinkel her. Bekommt Verständnis, wo man es vorher nicht hatte. Versteht den einen oder anderen Zusammenhang, den man vorher gar nicht kannte bzw. sich dessen bewusst war.
Zumal sich Burnside ja zunächst mal mit seinem Vater auseinandersetzen musste/durfte. Und seine größte Befürchtung war, so zu werden wie er. Es ist anrührend zu lesen, wenn er schreibt:
Zitat von S. 152(...) vergaß ich ihre Stärke und stille Fähigkeit, mit dem kümmerlichen Details eines nahezu unerträglichen Alltags fertig zu werden.
Was Burnside dann alles über seine Mutter schreibt berührt mich sehr. All die kleinen Details an die er sich erinnert. An die Tatsache, dass sie "mit der Tradition brach und eine Arbeit fand" (S. 153). Ich könnte jetzt einen riesen Abschnitt zitieren, aber ich picke nur diesen einen Satz raus:
Zitat von S. 153Sie zierte sich nicht, flirtete nicht, versuchte sich nie den Anschein zu geben, sie wüsste nicht, was Sache war - und sie behandelte jedermann unter allen Umständen gleich, ganz unabhängig davon wie reich oder besser gestellt jemand auch sein mochte.
Für mich scheint sie eine Frau zu sein, die ihr Herz am richtigen Fleck hat. Und tief schlucken musste ich, als ich gelesen hatte, wie alt sie nur werden durfte und an was sie letzten Endes starb.
Deshalb fühlte ich mich im ersten Moment fast schon wie mit eiskaltem Wasser überschüttet als Burnside folgendes schrieb:
Zitat von S. 153(...) weiß ich, dass, wären alle wie sie, die jedem klassenbasierten System immanenten Ungerechtigkeiten nicht nur fortdauerten, sie würden sogar zunehmen.
Ich habe längere Zeit an diesem Abschnitt "geknabbert" und hätte Burnside zu gerne widersprochen, aber nach ganz vielen Nachdenken darüber, er hat schon recht auf seine Art. Das ist keine gerechte Welt, wo ein derartiges Verhalten belohnt wird. Die Reichen nutzen die Armen aus. Da hilft nur Wachsamkeit um zur rechten Zeit "den Tempel zu stürmen und die Tische der Geldwechsler umzuwerfen".
Ich bewundere gerade wie tief Burnside nachdenkt. Er hat Recht, dass diese quietistische Lebenseinstellung zu passiv ist. Und sieht gleichzeitig auch bzw. wünscht es sich auch, die Gabe seiner Mutter geerbt zu haben "alle Welt mit demselben Respekt zu behandeln". Er war ja fast wie sein Vater verbittert darüber klüger zu sein, als der Vorgesetzte in einer Fabrik. Fast schon versöhnlich, zumindest sehr verständnisvoll wie er dann über sein Vater schreibt und dessen Einstellung zum Leben sieht.
Und so bleibt letzten Endes nur folgendes für ihn:
Zitat von S. 154Mir bleibt nur der Wunsch, er wäre stark genug gewesen, diese bittere Bürde allein zu tragen und seine Kinder in dieese tücksische Welt zu entlassen, wie meine Mutter es geschafft hatte: stets bereit, ihr Glück zu wagen, bereit, einen Augenblick der Gnade zu fordern, und bereit, sollte es dazu kommen, ihn mit allen zu teilen, die gerade anwesend waren.
Weiter bin ich leider noch nicht gekommen. Alleine schon dieser Abschnitt musste von mir länger überdacht werden. Morgen habe ich zwar einen längeren Zahnarzttermin, aber ich hoffe trotzdem bis dahin etwas mehr schreiben zu können.