René Anour - Im Schatten des Turms

  • Kurzmeinung

    Bücherhuhn
    Opulenter, praller Schmöker mit Allem, was es braucht: Intrigen, wahrer Liebe, Spannung, Verrat und Geheimnissen.
  • Atmosphärisch dicht und spannend



    Alfred Wagener ist Medizinstudent mit Leidenschaft, allerdings entstammt er nicht der gehobenen Klasse, was im Jahre 1787 noch ein Problem ist. Zudem ist er vor allem an dem Schicksal der Menschen interessiert, die im Narrenturm ihr Leben fristen müssen. In diesem Turm wird der Irrsinn behandelt. Für Alfred steht fest, hier muss sich etwas ändern, hier muss ich helfen und mein Wissen einsetzten, aber das Leben hat einen anderen Weg für ihn bestimmt.


    Die Komtesse Helene Amalia von Weydrich wächst behütet im Schloß ihres Vaters auf. Dieser hält aber nichts vom Leben am Wiener Hof und so kommt es, dass die junge Frau nicht in die Gesellschaft eingeführt wurde, sondern viel mehr ihren wachen Geist schulen durfte. Sie lernt viel, aber wenig vom Leben. Und so nimmt das Schicksal seinen Lauf.


    Die Geschichte beginnt mit einem Prolog, der direkt unter die Haut geht. Es wird das Leben in dem Narrenturm zu Wien geschildert. Dieser Beginn verspricht einen eindrucksvollen Roman und so war es letztendlich auch, wenn auch anders als erwartet. Ich hatte erwartet, viel über die Medizin im 18. Jahrhundert zu lesen. Zu Beginn ist es auch so gewesen, im ersten Drittel des Romans erzählt René Anour einiges über diesen Bereich. Er schildert aber auch das Leben seiner Protagonisten. Und weil das Schicksal nun mal nicht immer auf geraden, direkten Weg daherkommt, müssen auch Alfred und Helene einiges erleben und überstehen, um ihren Weg im Leben zu finden.


    Ich fand es spannend, was das Leben mit diesen Charakteren vorhatte. Der Autor hat seine fiktive Handlung dabei wunderbar mit den historischen Ereignissen der Zeit verwoben. Er hat Einblicke in die Welt der Medizin gegeben, um dann auch die Seite des Krieges zu zeigen. Mir hat gut gefallen, wie hier beide Seiten miteinander in Einklang gebracht wurden.


    Zum einen war es eine berührende Liebesgeschichte und zum anderen ein spannender historischer Roman, der mit Intrigen, Mord und Verrat aufwarten konnte. In zwei Handlungssträngen hat Anour die Geschichte aufgeteilt, zum einen erzählt er von Alfred und seinem Leben, um dann immer wieder zu Helene zurückzukehren. Die junge Frau hatte nicht weniger zu erleben, wie Alfred und so hat sich dieser Roman zwischendurch spannender als so mancher Krimi entpuppt.


    Beeindruckt war ich von der Fülle der gesamten Handlung und der doch sehr zahlreichen Protagonisten und vor allem von den unerwarteten Wendungen, die der Geschichte immer wieder neue Richtungen aufwies. Der Autor hat es verstanden, die Spannung nicht nur aufzubauen, sondern bis zum Schluss zu halten.


    Der Erzählstil von Anour ist dabei angenehm zu lesen und lässt die Seiten nur so dahin fliegen. Zudem verschafft ein Personenregister den nötigen Überblick über die Protagonisten und klärt auch gleich, wer historisch belegt ist und wer der Fantasie des Autors entsprungen ist. Am Ende befindet sich ein ausführliches Nachwort und ein Glossar klärt ungewöhnliche Begriffe.


    Fazit:


    Dies war mein erstes Buch von René Anour und ich hoffe, er schreibt noch einige historische Romane, den „Im Schatten des Turms“ war nicht nur gut recherchiert und hatte eine spannende Geschichte, sondern hat mich in seinen Bann gezogen und gefesselt. Es war in nur wenigen Tagen gelesen.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • 1787/1788: Der Roman erzählt die Geschichte zweier Personen: Alfred Wagener ist Medizinstudent, muss nebenbei arbeiten und hat Ideale. Helene von Weydrich ist eine junge Adelige, die durch ihren Vater viel Freiheit genießt und einen klugen Kopf hat. Beider Leben kreuzen sich, beider Leben werden aber auch auf den Kopf gestellt und nehmen einen unerwarteten Lauf. Ihre Geschichten werden eingebunden in das tatsächliche historische Geschehen und sind verknüpft mit dem Wiener Narrenturm, der ersten psychiatrischen Heilanstalt.


    Der Roman hat mich sehr schnell gepackt, beide Protagonisten gefallen mir gut, sie sind sehr unterschiedlich und man kann wunderbar mit ihnen mitfühlen. Auch die anderen Charaktere sind interessant gestaltet. Die Geschichte ist spannend, auf beiden Seiten, oft mag man den Roman kaum aus der Hand legen. Besonders gefallen hat mir die historische Einbindung. Im Personenverzeichnis kann man überprüfen, welche Charaktere fiktiv und welche historische Persönlichkeiten sind, wobei sich bei letzteren der Autor auch Freiheiten nahm, die er im Nachwort aber auch benennt. Gut recherchiert ist der Roman natürlich trotzdem. Ein Glossar im Anhang erklärt womöglich unbekannte Begriffe.


    Ein bisschen schade ist, dass der Narrenturm eine letztlich doch eher untergeordnete Rolle spielt. Ich hatte mehr Medizinhistorie erwartet, aber das ist Jammern auf hohem Niveau, denn der Roman hat mich auch ohne das glänzend unterhalten. Der Autor hat einen bildhaften Erzählstil, der das Kopfkino anspricht. Erzählt wird abwechselnd aus den Perspektiven der beiden Protagonisten, so dass auch immer wieder kleine Cliffhanger möglich sind, die die Spannung noch erhöhen.


    Für mich ist dies eines der Bücher, bei denen ich am Ende einerseits froh bin, es ausgelesen und erfahren zu haben, wie es ausgeht, andererseits traurig bin, dass ich mich von liebgewonnenen Charakteren trennen muss – ein Buch also, das ich sehr gerne gelesen habe. So kann ich es vor allem Genrefans uneingeschränkt empfehlen und vergebe gerne volle Punktzahl.

  • Klappentext


    Hinter den Mauern des Narrenturms, der ersten psychiatrischen Heilanstalt der Welt ... Ein hervorragend recherchierter und extrem spannender Roman, der ein außergewöhnliches Stück Medizinhistorie vor der Kulisse weltgeschichtlicher Ereignisse erzählt.


    Wien, 1787. Der Medizinstudent Alfred ist fasziniert vom sogenannten Narrenturm. Hier werden erstmals die Irrsinnigen behandelt, ein ganz neuer Zweig der Medizin. Doch die Zustände sind erbarmungswürdig. Und der Anblick einer jungen Frau mit seltsamen Malen auf den Armen lässt ihn nicht los.
    Die junge Adlige Helene war noch nie am Wiener Hof. Ihr Vater hält Schönbrunn für eine Schlangengrube und will seine Tochter möglichst lange von dort fernhalten. Doch er kann sie nicht beschützen.
    Der Student, der zu viel sieht. Und die Adlige, die frei sein will. Zwei Menschen, ein Schicksal – das sich im Schatten des Turms entscheiden wird …

    Meine Meinung


    Vor einigen Jahren ist von René Anour eine historische Fantasy Reihe erschienen, Die Wanifen, die mich richtig gut unterhalten hatte. Jetzt war ich natürlich freudig überrascht als ich gesehen habe, das etwas neues von ihm auf den Markt gekommen ist. Eine Handlung, die in Österreich spielt, entdecke ich selten und grade der historische Aspekt im Hinblick auch auf den "Narrenturm" fand ich super interessant.


    Ich muss allerdings gleich vorweg sagen, dass die Irrenanstalt und wie es darin zugeht, nicht der Hauptaugenmerk der Handlung ist. Sie spielt zwar eine wichtige Rolle; wer aber hier an der damaligen Medizin interessiert ist, wird nur einige kurze Einblicke finden.

    Zum Beispiel im Prolog, der trotz einer nur kurzen Momentaufnahme schon die Spannung schürt, wie es wohl zu dieser Situation kommen kann.


    Im Vordergrund stehen dafür der mittellose Medizinstudent Alfred Wegener, der sich mit jeglicher niederen Arbeit sein Studium finanzieren muss und die dem Adel zugehörige Helene Weydrich, welche die Zwänge, die der hohe Stand ihr auferlegt, endlich abschütteln möchte.

    Aus ihrer beiden Perspektive erzählt der Autor immer abwechselnd, wodurch die Geschichte eine gewisse Dynamik erhält und man einen guten Überblick hat, was die beiden bewegt und welche Steine das Schicksal ihnen in den Weg legt.


    Ein Zufall lässt sie sich begegnen und die Zufälle muss ich leider sagen, waren mir dann im Verlauf der Handlung dann auch etwas zuviel. Überraschungen gibt es wirklich zuhauf und man kann nie sicher sein, wie es sich weiterentwickeln wird, aber für Alfred gab es trotz vieler Schicksalsschläge für mich einen Tick zu viel "Glück".


    Während ich im ersten Drittel des Buches wirklich gebannt war von dem Verlauf und auch der anschaulichen Schreibweise, mit der René Anour das historische Wien wiederbelebt hat, kam ein Abschnitt der mir etwas zu schwerfällig voranging. Man merkt einfach, dass er gerne erzählt, aber an manchen Stellen hätte ich etwas mehr Tempo besser empfunden. Auch die Liebesgeschichte war mir einen Tick zu viel, aber das ist wirklich sehr individuell und ich denke, für andere mag das absolut im Rahmen sein.


    Moralische Werte lässt der Autor auch immer wieder einfließen und er hat ein gutes Gespür dafür, diese im richtigen Moment beim Leser ankommen zu lassen - was ihn mir auch immens sympathisch gemacht hat in seinen Aussagen. Seine Botschaften möchte er mit einbringen, was mir die Geschichte aber dafür an manchen Stellen auch etwas zu ... glatt gemacht hat oder "weich" - ich weiß nicht, wie ich es anders ausdrücken kann - es hätte einfach mehr Pfeffer dahinter sein dürfen. Es ist absolut lebendig geschrieben und mit viel Empathie für die Charaktere, aber mir hat noch so ein bisschen Biss gefehlt.


    Abwechslung gab es aber defintiv genug und auch die Reifung der Charaktere, die Ränke und Intrigen in all ihren Facetten waren spannend aufgebaut. Ich hab die beiden, Alfred und Helene, gerne auf ihrem schwierigen Weg begleitet, der sie an so manche Grenzen gebracht hat, die sie erst überwinden müssen. Definitiv unterhaltsam mit einigen wirklich tollen Einblicken in die damalige Zeit.


    Dazu gibts am Ende vom Autor auch noch einige Infos über die realen Hintergründe und in welchen Momenten er sich seine schriftstellerische Freiheit erlaubt hat :)


    Mein Fazit: 4 Sterne