Olga Tokarczuk - Ur und andere Zeiten (ab 06.12.2019)

  • Oder muss das jetzt alles immer schlimmer werden,

    Ja, ich denke schon. Das Kapitel "Die Zeit Pawels" (S. 229) ist von Zukunftspessimismus geprägt - und das ausgerechnet Pawel, der dem Leser zunächst als aufstiegswillig und tatkräftig beschrieben wurde.

    Ich habe das Bild der Kaffeemühle im Kopf, und so Sätze wie "Die Mühle der Welt war stehen geblieben" (S. 188) betrachte ich auch als Hinweise.

    Ich wiederhole mich jetzt (pardon), aber wir sehen den Zerfall auch in den familiären Bindungen.

    Michal betreut demütig seine erstarrende Frau. "Genowefa und ihr Körper waren jetzt zweierlei." (S. 195)

    Kein Wort davon, ob er den Grund der Erstarrung kennt. Auch die Tochter Misia wendet sich der Mutter noch liebevoll zu, aber die Kinder schon nicht mehr.


    Und der Zug der Vergangenheit, die Toten, die Genowefa sieht … Mich hat das an den Zug der toten Könige in "McBeth" erinnert, die als Mahnung auftreten. Es heißt, dass Sterbende oft vertraute, tote Menschen sehen, die sie gewissermaßen erwarten.


    Du hast mir ansonsten das Wort aus dem Mund genommen. Ich habe manche Kapitel mehrmals gelesen, z. B. das mit dem Wassermann (S. 189), der mit den toten Seelen spielt und enttäuscht und alleine zurückbleibt - da gelingen der Autorin einfach wunderschöne Bilder.


    Der Freiherr betrachtet seine Enteignung offenbar als Befreiung, er wirft Ballast ab und sagt: "Alles, was geschieht, ist zum Guten." Ein großes Vertrauen hat er, im Gegensatz zu seiner Frau! Über das Spiel, diese verdrehte Genesis, muss ich erst mal nachdenken, wenn ich alles gelesen habe.


    Manche Erzählstränge verbinden sich immer mehr. Ruta rückt in Misias Familie ein, Ähre trifft wieder Genowefa, Isidor und Ruta kommen sich näher, und Rutas Auserwählter wird als "Werwolf" bezeichnet.


    "Die Zeit des Gartens" (S. 236) ist ein merkwürdiges Kapitel, finde ich. Der Wechsel zwischen Statik und Dynamik, zwischen Entwicklung und Innehalten wird hier an Früchten festgemacht, und damit werden auch den Bäumen magische Kräfte zugesprochen. Die Autorin verankert sie damit auch im Wesentlichen der Welt, ich weiß nicht, wie ich es anders ausdrücken soll. Sie sind nicht nur Dekor und nützlich für die Menschen, sondern sie haben eigene Wesenheiten und sind eingebunden in das Weltganze.

    heiteres Kapitel..

    Naja, der Pfarrer ist immer für ein Späßchen gut. Das fand ich sehr originell, wie er die Begräbniskosten berechnet und mit sich handeln lässt!

    Auch die Muttergottes von Jeszkotle , "die Königin der Antibiotika" (S. 251) wird heiter gesehen - aber das sind nur ein paar kleine Tupfer in einem ansonsten eher immer dunkler werdenden Bild.

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Kommt in diesem Buch auch nochmal irgendwann ein heiteres Kapitel...? Oder muss das jetzt alles immer schlimmer werden, weil Ur am Ende untergehen wird?

    Die gleichen Gedanken hatte ich auch beim Lesen dieses Abschnittes. Ich habe die ganzen Kapitel in diesem Abschnitt als sehr traurig, düster und depremierend wahrgenommen. Aber ich hoffe nicht, dass Ur am Ende untergehen wird. Ich bin zuversichtlich, dass es zum Ende hin wieder fröhlicher und positiver wird. Das wünsche ich mir zumindest sehr.:)

    Ich habe mir leider zu diesem Abschnitt keine Notizen gemacht, weil ich die letzten Tage so wenig Zeit hatte. Aber ich habe das Gefühl, alle Männer sprechen hier immer mehr dem Alkohol zu, misshandeln ihre Frauen und Kinder und es ist einfach eine sehr trostlose Stimmung.

    Ich hätte zu Beginn des Buches gar nicht mit so einer düsteren Atmosphäre gerechnet. Die ersten Kapitel kamen mir alle sehr heiter und leicht vor. Man hatte das Gefühl, Ur ist ein friedlicher, beschützter Ort, an dem es nie zu solchen traurigen Ereignissen kommen kann. Aber da habe ich mich sehr getäuscht.

    Erstaunlicherweise gefällt mir das Buch trotzdem immer noch richtig gut und ich lese es wirklich gerne. Das überrascht mich ein wenig, weil ich eigenltich so dürster Stimmungen nicht gerne in Büchern hab. Aber die Erzählweise der Autorin ist einfach phantastisch und ich stoße immer wieder auf wunderschöne, bildhafte Sätze.

    Ich weiß jetzt schon, dass ich auf jeden Fall noch mehr von dieser tollen Autorin lesen möchte. Für mich ist sie schon mal eine tolle Entdeckung in diesem Jahr.:D


    Du hast mir ansonsten das Wort aus dem Mund genommen. Ich habe manche Kapitel mehrmals gelesen, z. B. das mit dem Wassermann (S. 189), der mit den toten Seelen spielt und enttäuscht und alleine zurückbleibt - da gelingen der Autorin einfach wunderschöne Bilder.

    Dieses Kapitel mit dem Wassermann fand ich auch großartig. Einfach großartig was die Autorin dort für Bilder erschafft.

  • ch hätte zu Beginn des Buches gar nicht mit so einer düsteren Atmosphäre gerechnet.

    Stimmt, jetzt wo du es sagst - ich auch nicht! Vor allem, da das Gebiet von Ur doch von vier mächtigen Engeln beschützt wird.

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    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Gott ist böse und die Engel schlafen. :|

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  • Gott ist böse und die Engel schlafen.

    Das passt. Also war der idyllisierende Einstieg bloß ein Blendwerk?


    Mir kommt Gott auch nicht direkt böse vor (wie der Böse Mann, der inzwischen im Dorf angekommen ist und dort für viel Böses sorgt...), eher wie beleidigt, weil der Mensch ihn nicht so liebt, wie er sich das vorgestellt hatte. Er kommt mir willkürlich vor, langeweilt sich und kommt auf dumme und böse Gedanken, ohne die Folgen zu bedenken - kurz: wie ein unreifer Mensch.

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    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Und noch schlimmer, wie Ruta sich für diesen "Freund" des Vaters, Ukleja, aufgegeben hat und nun in einem goldenen Käfig sitzt - warum lehnt sie sich so lange nicht auf? Ist sie so vollständig zerbrochen worden? Immerhin bleibt ihr die Zuflucht bei ihrer starken Mutter. Aber ob die wirklich immer stark ist?

    Rutas Geschichte hat mich sehr erschüttert. Ihren Pessimismus und ihre ganze Grundhaltung der Welt gegenüber kann ich gut verstehen. Was ich weniger gut verstehen konnte, war, dass sie sich verkauft für ein paar schöne Schuhe und Mäntel. Es will nicht in meinen Kopf, wie eine junge Frau, die so viel durchgemacht hat wie Ruta, die Ehe mit so einem Kerl eingeht. Oder ist es Bestrafung? Sie hätte sicher auch so einen Weg gefunden, Ur zu verlassen, notfalls ins Kloster.

    Unser gruseliger Nöck, der Wassermann Pluszcz, taucht wieder aus dem Schlamm hervor und treibt sein Unheil. Ich finde es genial von Tokarczuk, wie sie ihn machtlos zusehen lässt, als die Seelen der gefallenen Soldaten sich aus den toten Körpern lösen und nach oben aufsteigen - dieses Bild werde ich so schnell nicht wieder vergessen.

    Das fand ich auch eine sehr beeindruckende Szene.

    Und so kommt nun sogar die biblische Erzählung von Hiob ohne den bösen Satan aus, der es Gott erst nahelegt, Hiob zu versuchen. Gott beschließt aus eigenem Antrieb, Hiob alles zu nehmen - und während er das tut, weint er vor Mitgefühl mit ihm. 8-[ Was für ein schräges, schmerzendes Gottesbild. Bei Tokarczuk ist Gott offenbar wirklich böse.

    Ohja, Gott ist ein ganz schöner Fiesling bei Frau Tokarczuk. Mich erinnert das an das Bild von Gott als Spieler - denn genau das ist ja Hiob für ihn, ein Spielball. (Wobei dieses Handeln Gott absurderweise auch wieder menschlich hat...)

    Kommt in diesem Buch auch nochmal irgendwann ein heiteres Kapitel...? Oder muss das jetzt alles immer schlimmer werden, weil Ur am Ende untergehen wird?

    Tja, ich glaube, heiter will dieses Buch nicht sein...

  • Tja, ich glaube, heiter will dieses Buch nicht sein...

    Zu Beginn fand ich das Buch schon recht heiter. Da hatte ich auch während des Lesens immer mal wieder ein Grinsen im Gesicht, es gab einige lustige Szenen, zum Beispiel mit dem Pfarrer.

    Aber zum Ende hin gibt es so gut wie nichts heiteres mehr in Ur.

  • Also war der idyllisierende Einstieg bloß ein Blendwerk?

    So sehe ich es. Wenn behauptet wird, dass sogar die vier Erzengel persönlich die Stadt beschützen, nimmt man das ja erst einmal als gegeben hin und erwartet, dass es dann auch mit entsprechender Wirkmacht so passiert. Umso größer die Enttäuschung, wenn man feststellt, dass die Engel sich nicht kümmern, man sich also in falscher Sicherheit gewiegt hat. Das passt doch prima zu Tokarczuks im Roman gezeichnetem Gottesbild - da zeigt sich trotz aller metaphysischen und magischen Elemente eine ganz deutliche Religionskritik.


    Im Wiki-Artikel zu Tokarczuk steht, dass sie sich in der Tradition Carl Gustav Jungs sieht. Der hat ganz interessante Ideen zu Religion / Spiritualität, ohne dabei spirituelle und auch okkulte Erfahrungen anzuzweifeln; sie sind nämlich für ihn nützliche Vehikel zur Entwicklung der Persönlichkeit und zur Erlangung von seelischem Wohlbefinden, klick.

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  • Ich konnte nun endlich dem Buch etwas mehr Zeit widmen und bis zum aktuellen Stand lesen.
    Puh, es fällt mir schwer meinen Eindruck in Worte zu fassen. Erwartet hatte ich nach dem Beginn etwas anderes und ganz warm geworden bin ich mit der Geschichte auch (noch) nicht. Ich versuche mich mal an euren Beiträgen entlang zu hangeln.


    Hätte ich die Jahreszahl nicht, ich hätte die Handlung vom Gefühl her früher eingeordnet.

    Das geht mir ebenfalls so, gefühlt hätte ich es deutlich früher eingeordnet und wurde von den Jahreszahlen plötzlich eingeholt. Was aber auch mit daran liegt. dass ich es eigentlich zunächst losgelöst von der aktuellen Realität und Zeit eingeordnet hatte. Also zwar früher, aber auch nicht in der heutigen Wirklichkeit zu verorten.


    Mir gefällt das Buch nach wie vor recht gut. Mir gefällt die Mischung aus Realität, Magischem und Religion und wie alles ohne Grenzen inneinander fließt. Und ich bin froh, dass es auch einige Kapitel gibt, in denen die Handlung sehr realistisch ist. Wenn das Buch nur aus solchen Erzählungen bestehen würde, wie das Kapitel in dem Ähre mit einem "Pflanzenmann" schläft, würde ich das Buch wahrscheinlich abbrechen. Das war mir dann doch ein wenig zu fantastisch. Aber so in der Mischung passt es ganz gut für mich.

    Mir geht es da ähnlich, dass ich dem Buch weiter versuche zu folgen liegt auch mit daran, dass es eine gute Mischung aus oben Genanntem ist und nicht völlig ins Magische abdriftet.


    Die Aufsplitterung in viele kleine Geschichten stört mich nicht. Für mich ist das wie ein Bilderbogen, den der Erzähler/die Autorin aufspannt und bei dem er/sie mal hierhin, mal dorthin schaut. Alle Figuren, denke ich, hängen irgendwie zusammen.

    Es ist denke ich auch diese Aufsplitterung, die mich einerseits stört, weil ich das Gefühl habe, die Personen nicht wirklich kennenzulernen und andererseits dazu geführt hat, dass ich das Buch weiterlesen konnte, auch wenn mir der rechte Zugang fehlt, weil man wusste, dass nur ein kurzer Abschnitt kommt.

    Wow, ich muss ja schon sagen, jetzt gewinnt die Handlung doch sehr an Härte. Verwundert muss man natürlich nicht sein, denn schließlich spielt das Buch ja in einem gewissen zeitlichen Rahmen. Aber bisher hatte ich einfach das Gefühl, alles sei so dahingeplätschert. Das meine ich auch gar nicht negativ, aber es war eine ruhige Handlung mit einem fast märchenhaften Ton an vielen Stellen.


    Und dann kommen die Schrecken des Krieges doch nach Ur. Bis zu diesem Abschnitt hatte ich den EIndruck Ur ist ein friedliches und glückliches Örtchen an dem gar nichts Schlimmes passieren kann. Aber Der Krieg kommt mit voller Wucht und mit Angst und Schrecken. Die Autorin schildert alles sehr schonungslos und nimmt kein Blatt vor den Mund. Das fand ich zum Teil nicht ganz einfach zu lesen, weil es mich sehr traurig gemacht hat.

    So wie ihr es beschreibt, ist es mir auch ergangen. Ich war völlig in dieser märchenhaften, phantastischen Welt und dann tritt mit voller Härte der Krieg in die Handlung ein. Und mit dem Krieg schonungslose, herzzerreißende Schicksale, die einen mit voller Wucht treffen.

    Allerdings habe ich nicht ganz verstanden, wieso sich Misia dieser Gefahr aussetzt, in ihr Haus zurückzukehren. Neugier? Heimweh? weil ihr jemand gesagt hatte, das Haus steht nicht mehr? Und das nach der furchtbaren Vergewaltigung Rutas?

    Die auch so erschütternd karg erzählt wird...

    Das frage ich mich auch, wieso setzt sie sich und noch viel mehr, ihre Tochter, dieser Gefahr aus? Wenn es Neugierde ist, dann sollte sie nach den Ereignissen zumindest in Anbetracht der Gefahr, ihre Tochter nicht mit dorthin nehmen. WIe kam es zu dieser Entscheidung? Als Leser ist es nicht wirklich nachzuvollziehen. Wir kennen ihre Beweggründe nicht.

    Nur zu viel Zerfall ist überall am Werke... Kommt in diesem Buch auch nochmal irgendwann ein heiteres Kapitel...? Oder muss das jetzt alles immer schlimmer werden, weil Ur am Ende untergehen wird?

    So scheint es. 8-[


    Ich hätte zu Beginn des Buches gar nicht mit so einer düsteren Atmosphäre gerechnet. Die ersten Kapitel kamen mir alle sehr heiter und leicht vor. Man hatte das Gefühl, Ur ist ein friedlicher, beschützter Ort, an dem es nie zu solchen traurigen Ereignissen kommen kann. Aber da habe ich mich sehr getäuscht.

    Erstaunlicherweise gefällt mir das Buch trotzdem immer noch richtig gut und ich lese es wirklich gerne. Das überrascht mich ein wenig, weil ich eigenltich so dürster Stimmungen nicht gerne in Büchern hab. Aber die Erzählweise der Autorin ist einfach phantastisch und ich stoße immer wieder auf wunderschöne, bildhafte Sätze.

    Die düstere Atmosphäre hat mich auch sehr überrascht und zum Stocken gebracht. Mir fehlt weiterhin der Zugang zu der Geschichte. Vielleicht fügt sich am Ende alles zusammen. Vielleicht ist es für mich nicht die richtige Zeit, um diese Autorin zu lesen. Ich würde zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen, dass ich gar nichts mehr von ihr lesen würde, aber zumindest in naher Zukunft würde ich erstmal davon Abstand nehmen.

    Rutas Geschichte hat mich sehr erschüttert. Ihren Pessimismus und ihre ganze Grundhaltung der Welt gegenüber kann ich gut verstehen. Was ich weniger gut verstehen konnte, war, dass sie sich verkauft für ein paar schöne Schuhe und Mäntel. Es will nicht in meinen Kopf, wie eine junge Frau, die so viel durchgemacht hat wie Ruta, die Ehe mit so einem Kerl eingeht. Oder ist es Bestrafung? Sie hätte sicher auch so einen Weg gefunden, Ur zu verlassen, notfalls ins Kloster.

    Das hat mich auch gewundert. Auch dieser Handel mit ihrer Mutter, dass sie 7 Monate bei ihrem Mann und 5 Monate im Jahr bei ihrer Mutter lebt, hat mich sehr gewundert. Auch hier fehlte mir eindeutig die Einsicht in das Handeln der Figuren z.B. Rutas Beweggründe.

    So sehe ich es. Wenn behauptet wird, dass sogar die vier Erzengel persönlich die Stadt beschützen, nimmt man das ja erst einmal als gegeben hin und erwartet, dass es dann auch mit entsprechender Wirkmacht so passiert. Umso größer die Enttäuschung, wenn man feststellt, dass die Engel sich nicht kümmern, man sich also in falscher Sicherheit gewiegt hat. Das passt doch prima zu Tokarczuks im Roman gezeichnetem Gottesbild - da zeigt sich trotz aller metaphysischen und magischen Elemente eine ganz deutliche Religionskritik.

    Das sehe ich ebenfalls so. Zu Beginn werden die Engel eingeführt und beschrieben und dann herrscht auf dieser Seite nur noch Schweigen. Dazu die unterschiedlich beschriebenen Gottesbilder, die zum kritischen Hinterfragen einladen...Ich bin gespannt, wie es enden wird.

  • Ich habe das Buch inzwischen fertig gelesen. Und bin insgesamt ziemlich begeistert von dem Buch . Ich habe es mit :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb: Sternen bewertet, vor allem weil mir die Erzählweise der Autorin so gut gefallen hat. Leider fehlt mir im Moment einfach die Zeit um hier mehr über meine Eindrücke zum letzten Abschnitt zu schreiben. Diese Woche ist bei mir vollgestopft mit Fortbildungen, Arbeitsessen und Arztterminen. Tut mir echt leid. Ich schreibe spätestens am nächsten Wochenende noch mal mehr zum letzten Abschnitt.

  • Letzter Abschnitt



    Auch ich habe das Buch inzwischen beendet und mit gemischten Gefühlen zugeklappt. :-?


    Wie sich schon länger angedeutet hatte, ist es zu Ende gegangen mit den BewohnerInnen von Ur - viele teils liebgewonnene oder zumindest bedauerte Figuren sind still und wenig beachtet gestorben (Izydor, die Papuga, etwas "ausführlicher" auch Misia); andere haben an ihrem Lebensende noch ein Stück weit das bekommen, was sie verdient haben (Pawel). Von der jüngeren Generation haben sich viele, die konnten, davongemacht; besonders im Fall von Adelka nur zu verständlich. Wer seinen Kindern mit solcher Missachtung und Lieblosigkeit begegnet, erntet später oft die Früchte davon - da konnte ich über die versöhnlichen Gesten von Adelka am Ende nur staunen. Aber vielleicht ist der innere Abstand nach den vielen Jahren auch einfach groß genug (sie berichtet ihrem Vater erstmals von ihrer da bereits 19-jährigen Tochter!), Pawel ist machtlos genug, um trotz seiner beißenden Bemerkungen keine Macht mehr über sie zu haben. Ich habe solche Konstellationen öfter in meinem Umfeld erlebt, und im Roman wie im echten Leben bin ich tieftraurig über so unnötig zerbrochene familiäre Beziehungen. In der Regel sind es die Eltern, die einfach keinen Respekt vor dem Wesen oder der Eigenständigkeit ihrer Kinder haben, Macht über sie ausüben wollen und irgendwann allein und verbittert dasitzen, wenn die Kinder aus diesen Strukturen ausbrechen und auf Distanz gehen. Das hat Tokarczuk hier in aller Knappheit der Szenen dennoch bedrückend anschaulich eingefangen.


    Wieso der Roman aus der Perspektive der Engel erzählt sein soll, hat sich mir nicht erschlossen; vielleicht kann mich da jemand aufklären. :lol:

    Vielmehr habe ich hauptsächlich die Abwesenheit der Engel wahrgenommen, insbesondere noch einmal beim Sterben Misias: "Doch den ganzen Monat über bis zu ihrem Tod sah Misia die linke Seite der Welt. Da wartete der Schutzengel auf sie, der immer in den wirklich wichtigen Augenblicken erschien." (Seite 314) Wo war er die ganze Zeit in ihrem Leben? Dieser Absatz bedeutet ja, dass "die wirklich wichtigen Augenblicke" nur die Geburt und der Tod sind, die der Schutzengel rein beobachtend begleitet. Aber zwischendrin tritt er nicht in Erscheinung, von irgendwelchem Eingreifen zugunsten des Schützlings ganz zu schweigen. Die Engel und Gott haben in diesem Roman also ganz klar versagt.


    In dieser Hinsicht fand ich auch die Seite 292 im Kapitel "Die Zeit des Freiherrn Popielski" extrem gruselig, wo anhand der beschriebenen Miniaturen (Schloss, Kaffeemühle, Joch usw.) deutlich wird, dass nichts anderes als die Geschicke der Menschen von Ur Gegenstand des kabbalistischen Spiels waren. 8-[ Da dieses Spiel ja eng mit den Schöpfungsgeschichten, den verqueren biblischen Geschichten und negativen Gottesdarstellungen verknüpft ist, stellt sich das Leben der Menschen also als ein Spiel der bösen / gelangweilten / selbstmitleidigen höheren Macht dar, die ich an dieser Stelle gar nicht mehr "Gott" nennen möchte. Ich finde es genial, wie Tokarczuk das im Roman entwickelt, aber die sich daraus ergebende düstere Sicht auf die Welt und die Religion mag ich nicht teilen. Ich glaube, dass die Menschen in Verantwortung füreinander und für die Welt gestellt sind. Der Roman zeigt, wohin es führt, wenn niemand diese Verantwortung wahrnimmt - ich glaube aber, dass man die Hoffnung und den täglichen Kampf nicht aufgeben sollte, es anders zu machen. Sonst könnten wir auch gleich alle von einer Klippe springen. :| Allerdings weiß ich nicht, ob es das ist, was Tokarczuk mit ihrem Roman letztendlich zum Ausdruck bringen möchte...


    Die Lektüre selbst und das Schreiben darüber haben mich bei allem Lesegenuss dennoch ziemlich ausgesaugt; daher weiß ich momentan nicht, ob und wann ich zu diesem Roman eine Rezi schreiben möchte. Vielleicht schustere ich auch eine aus meinen Beiträgen zusammen - da sollte genug zusammenkommen. :lol: Aber ich glaube, zuerst muss ich das Buch noch ein bisschen sacken lassen.

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  • Wieso der Roman aus der Perspektive der Engel erzählt sein soll, hat sich mir nicht erschlossen; vielleicht kann mich da jemand aufklären.

    Mir hat sich das leider auch nicht erschlossen. Ich habe das nur in mehreren Rezis so gelesen.

    Vielmehr habe ich hauptsächlich die Abwesenheit der Engel wahrgenommen, insbesondere noch einmal beim Sterben Misias: "Doch den ganzen Monat über bis zu ihrem Tod sah Misia die linke Seite der Welt. Da wartete der Schutzengel auf sie, der immer in den wirklich wichtigen Augenblicken erschien.

    Ich habe eigentlich zum Ende hin auch immer darauf gewartet, dass noch mal etwas mehr von den Engeln die Rede sein würde. Wie zu Beginn im ersten Abschnitt. Aber dem war nicht so.

    Dieser Satz von Misia ist mir auch aufgefallen. Dazu hätte ich eine Frage: Warum wartet der Schutzentel auf der linken Seite der Welt? Was hat das denn für eine Bedeutung?

  • Ich verstehe das im Sinne von "auf Links gedreht", also die Innenseite ist außen und umgekehrt. Die Dimensionen sind irgendwie verdreht oder vielleicht auch komplementär. Weiß nicht, wie ich das besser formulieren soll... :-k

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  • Ich verstehe das im Sinne von "auf Links gedreht", also die Innenseite ist außen und umgekehrt.

    Okay, so rum habe ich nicht gedacht, aber so kann man es natürlich auch verstehen. Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, was es mit der Seite Links auf sich hat, warum der Engel nicht Rechts sitzt.O:-)

  • Ich glaube, es soll die Gleichzeitigkeit und dennoch gegenseitige Unsichtbarkeit der Dimensionen umschreiben. Misia sieht im Angesicht des Todes bereits die "andere" Seite in Gestalt ihres "Schutzengels".

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  • ch habe mich die ganze Zeit gefragt, was es mit der Seite Links auf sich hat,

    im katholischen Glaubensbekenntnis heißt es "wo er sitzet zu Rechten Gottes". links wäre für mich daher die ungute Seite.

    ich bin allerdings noch nicht so weit wie ihr.

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  • Letzter Abschnitt


    Das Kapitel gleich zu Beginn des Abschnitts fand ich sehr schön. Ein tröstlicher Gedanke, dass die Bäume nie sterben - die Menschen hingegen sind unbedeutend. In den Stellen, in denen es um die Natur geht, ist das Buch definitiv hoffnungsvoller als im "menschlichen" Teil.


    Izydors Schicksal macht mich traurig, wenn gleich er es im Altersheim vermutlich gar nicht so schlecht hatte. Er scheint mir eher an dem Verlust zu sterben bzw. gibt es jetzt nichts und niemanden mehr, an dem er hängt. Zumindest niemanden, der erreichbar ist. Und selbst seine Mutter, Ähre, kommt am Ende zu spät an sein Totenbett. :cry:


    Über die "Reformierer Gottes" musste ich schmunzeln - Gott reformieren, das ist doch mal ein Gedanke! Und dann stellt Izydor sich Gott auch noch als Frau vor, grandios! Am Ende erkennt er jedoch, dass Gott geschlechtslos ist und noch eine Menge andere Dinge. Man hat das Gefühl, er ist derjenige im Kloster, der am meisten von der Religion verstanden hat. Das sagt ja auch etwas über die kirchlichen Institutionen aus, zumal Izydor ja auch den Ruf hat, nicht der Hellste zu sein.


    Misias Leben endet quasi mit der Kaffeemühle, auch wenn sie danach noch ein wenig vor sich hin vegetiert. Ich finde aber, das spannt einen schönen Bogen zum Geschenk ihres Vaters, als sie ein Kind war. Die Kaffeemühle bedeutet ihr viel, sie erinnert sie an bessere Zeiten.


    Misias Kinder, vor allem Adelka, sind die eigentlich einzigen, die einen richtigen Absprung aus Ur schaffen. Bezeichnend fand ich auch, das Adelka ganz am Ende im Auto nochmal die Kurbel der Kaffeemühle dreht; wieder ein geschlossener Kreis.


    Mein Fazit:


    Ein zurecht vergebener Literatur-Nobelpreis und eine Frau, von der ich gerne noch mehr lesen möchte. (Habt ihr noch Empfehlungen?)


    Für mich als nicht-gläubigen Menschen waren auch die gesamten Gedanken zur Kirche und Religion sehr interessant. Wie habt ihr sie wahrgenommen? Die Autorin selbst, so habe ich gelesen, gehört keiner Religion an, scheint mir aber sehr gut Bescheid zu wissen oder sehr gut recherchiert zu haben.

  • Das hat mich auch gewundert. Auch dieser Handel mit ihrer Mutter, dass sie 7 Monate bei ihrem Mann und 5 Monate im Jahr bei ihrer Mutter lebt, hat mich sehr gewundert.

    Der Handel hatte für mich etwas absolut Märchenhaftes - das könnte genauso bei den Grimms stehen. Und ehrlich gesagt hatte ich da mehr erwartet, eine List vielleicht. Ich hatte kurz die Idee, dass Ähre eine Vorahnung hat, dass Ruta in den innerhalb der 5 Monate etwas geschehen könnte und sie versucht, sie vor etwas Konkretem zu schützen. Aber es war wohl nur ein Handel um Zeit.


    Letzter Abschnitt:

    Wieso der Roman aus der Perspektive der Engel erzählt sein soll, hat sich mir nicht erschlossen; vielleicht kann mich da jemand aufklären.

    Das sehe ich auch nirgendwo. Man könnte es vielleicht so interpretieren, aber dann wäre es genauso plausibel, dass Gott selbst die Geschichte erzählt. Für mich gibt es hier "nur" einen allwissenden Erzähler, der nicht näher bestimmt ist.

    In dieser Hinsicht fand ich auch die Seite 292 im Kapitel "Die Zeit des Freiherrn Popielski" extrem gruselig, wo anhand der beschriebenen Miniaturen (Schloss, Kaffeemühle, Joch usw.) deutlich wird, dass nichts anderes als die Geschicke der Menschen von Ur Gegenstand des kabbalistischen Spiels waren. 8-[ Da dieses Spiel ja eng mit den Schöpfungsgeschichten, den verqueren biblischen Geschichten und negativen Gottesdarstellungen verknüpft ist, stellt sich das Leben der Menschen also als ein Spiel der bösen / gelangweilten / selbstmitleidigen höheren Macht dar, die ich an dieser Stelle gar nicht mehr "Gott" nennen möchte.

    Ohja, eine sehr gruselige und trostlose Vorstellung, wobei ich nachvollziehen kann, dass besonders gebeutelte Menschen das durchaus so empfinden könnten. Wenn die Bewohner von Ur sich nicht von Gott verlassen fühlen, wer dann? Da müssten sie schon sehr in ihrem Glauben gefestigt sein.

    Die Lektüre selbst und das Schreiben darüber haben mich bei allem Lesegenuss dennoch ziemlich ausgesaugt; daher weiß ich momentan nicht, ob und wann ich zu diesem Roman eine Rezi schreiben möchte.

    Spontan habe ich auch noch keine Idee, wie ich hier eine Rezension schreiben soll. Aber manche Bücher wirken auch einfach, ohne dass man das großartig in Worte fassen kann. Jedenfalls eine sehr beeindruckende Geschichte und ich glaube, dass die Leserunde für mich die Lektüre sehr bereichert hat. Ich hätte mir manche Gedanken ohne eure Anstöße sicher nicht gemacht. :thumleft:

  • Und selbst seine Mutter, Ähre, kommt am Ende zu spät an sein Totenbett.

    Du meinst, dass Ruta und Izydor tatsächlich vertauscht waren? Wie Genowefa es immer behauptete?


    Der letzte Abschnitt hat mch streckenweise genervt. Das Kapitel "Die Zeit der Linden", so kurz nach den originellen Ausführungen über die Äpfel- und Birnenbäume, fand ich jetzt nicht mehr originell, sondern überspannt, auch wenn es, biologisch gesehen, natürlich stimmt, dass jedes Lebenwesen seine Idee in sich trägt. Aber so Sätze wie "Die Seele der Bäume ruht nach vielfältigen Wanderungen." finde ich zwar sprachlich sehr schön, aber was bedeutet es? Welche Wanderungen? Woher? Wohin?


    Gott reformieren, das ist doch mal ein Gedanke!

    Genau! Aber das passt zu dem Gottesbild, das die Autorin (ich habe immer noch keinen Erzähler entdeckt) entwirft.

    Mir kommt der Gott vor wie der Riese, der mit seinen Miniaturen spielt, ohne Plan, ohne Empathie; und dadurch wird der Mensch auf sich selbst zurückgeworfen. Was ich persönlich ja nicht schlecht finde.


    Was mir nach wie vor gefällt, sind diese unerwarteten Wendungen, meist am Schluss des Kapitels. Zum Beispiel im Kapitel "Die Zeit Lalkas" S. 284: Die Hündin Lalka hat noch Gottvertrauen, und deshalb hat sie auch Vertrauen in die Welt - so wie es bei Izydor der Fall war, bevor ihm Mukta sein Gott- und Weltvertrauen raubte. Und dann heißt es:

    Zitat

    Deshalb hat Lalka ein Vertrauen zur Welt, wie kein Mensch es hat.

    Ein ähnliches Vertrauen hatte Jesus, als er am Kreuz hing." S. 284


    Ist das ironisch gemeint? Ist das Humor der besonderen Art? Jedenfalls wirken solche lakonischen Sätze auf mich wie ein Schlag.


    Ähnlich erging es mir, als Pawel eine Grabstätte in Auftrag gibt und seine kranke Frau damit überraschen will - na danke.


    Die Zeit des Spiels (S. 295, S. 324)

    Wer spricht hier? Die Kapitel enden mit einem Schlusszeichen, aber ich finde kein Anfangszeichen. Gottes Rede ist mit diesem Zeichen ' gekennzeichnet, also eingebettet in eine wörtliche Rede. So Unklarheiten irritieren mich, aber vielleicht ist es nur ein Druckfehler...?

    n dieser Hinsicht fand ich auch die Seite 292 im Kapitel "Die Zeit des Freiherrn Popielski" extrem gruselig, wo anhand der beschriebenen Miniaturen (Schloss, Kaffeemühle, Joch usw.) deutlich wird, dass nichts anderes als die Geschicke der Menschen von Ur Gegenstand des kabbalistischen Spiels waren

    Das ging mir auch so. Das Leben ein Spiel.

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Du meinst, dass Ruta und Izydor tatsächlich vertauscht waren? Wie Genowefa es immer behauptete?

    Ja, das habe ich tatsächlich fest angenommen. Ähre gibt es ja zu und zuvor hatte Misia auch schon so ein Gefühl. Und warum sollte Ähre sonst am Ende zu Izydor eilen? Nur weil er ihre Tochter liebte? Nein, da bin ich mir eigentlich sicher, dass die beiden Kinder vertauscht waren. Es würde ja auch zu Ähres vorherigen Erlebnissen passen, dass sie ein "zurückgebliebenes" Kind wie Izydor bekommt.

    Aber so Sätze wie "Die Seele der Bäume ruht nach vielfältigen Wanderungen." finde ich zwar sprachlich sehr schön, aber was bedeutet es? Welche Wanderungen? Woher? Wohin?

    Tja, das habe ich sprachlich einfach mal so hingenommen. Ich hatte eben auch das Gefühl, dass die Autorin hier bewusst einen Gegensatz zur Welt und dem Schicksal der Menschen schaffen will.

    Ist das ironisch gemeint? Ist das Humor der besonderen Art? Jedenfalls wirken solche lakonischen Sätze auf mich wie ein Schlag.

    Ich habe das nicht ironisch gelesen. Jesus' Gottvertrauen und das der Tiere ist ein reines, ein unschuldiges, welches den Menschen so gar nicht möglich ist.

    Wer spricht hier? Die Kapitel enden mit einem Schlusszeichen, aber ich finde kein Anfangszeichen. Gottes Rede ist mit diesem Zeichen ' gekennzeichnet, also eingebettet in eine wörtliche Rede. So Unklarheiten irritieren mich, aber vielleicht ist es nur ein Druckfehler...?

    Ich denke, es ist ein Druckfehler und für mich spricht da der Erzähler. Wieso sagst Du, Du erkennst keinen Erzähler im Buch? Weil er sich nicht zu erkennen gibt? Für mich ist es eigentlich ein recht klassischer auktorialer Erzähler - der muss ja auch nicht zwingend zu identifizieren sein.