Meg Wolitzer - Die Zehnjahrespause / The Ten-Year Nap

  • Verlagstext
    In schöner Regelmäßigkeit kommen Amy, Roberta, Jill und Karen im »Golden Horn«, ihrem Stammlokal und Zufluchtsort im hektischen New Yorker Alltag, zusammen. Alle sind sie Mütter, Anfang vierzig und jede von ihnen kann ein Lied davon singen, wie es ist, wenn sich die Rückkehr in den Beruf als schwieriger erweist als gedacht. Trotz der besten Ausbildung. Und so plagen Amy Geldsorgen, Jills Doktorarbeit liegt auf Eis, und Roberta, die früher mal Künstlerin war, begnügt sich mit Bastelnachmittagen in der Grundschule. Allein Karen geht gelegentlich zu Vorstellungsgesprächen, allerdings vor allem, um im Training zu bleiben. Doch während ihre Kinder mit jedem Tag selbstständiger werden, müssen die vier neue Perspektiven finden. Zum Glück haben sie einander. Und das »Golden Horn«. Meg Wolitzer widmet sich in diesem Roman der Frau in ihrer Rolle als Mutter – und vier Menschen, aus deren Leben nicht das geworden ist, was sie sich erhofft hatten. Gewohnt pointiert und unterhaltsam erzählt sie in ›Die Zehnjahrespause‹ von häuslichem Glück, Unglück und allem, was dazwischen liegt.


    Die Autorin
    Meg Wolitzer, geboren 1959, veröffentlichte 1982 den ersten von zahlreichen preisgekrönten und erfolgreichen Romanen. Viele ihrer Bücher standen auf der New-York-Times-Bestsellerliste. Bei DuMont erschienen ›Die Interessanten‹ (2014), ›Die Stellung‹ (2015), ›Die Ehefrau‹ (2016) ›Das weibliche Prinzip‹ (2018).


    Inhalt
    Amy, Roberta, Jill und Karen sind Mütter und Nur-Hausfrauen der New Yorker Mittelschicht, die jeden Morgen ihre schulpflichtigen Kinder antreiben, damit sie pünktlich zur Schule kommen. Bei Müttern 10-jähriger Kinder, die ganztags in der Schule sind, könnte man sich fragen, womit die Damen ihre Zeit verbringen, außer sich regelmäßig im Stammcafé „Golden Horn“ zu treffen. Zu Beginn des Romans scheint Amy im Mittelpunkt der Handlung zu stehen, deren Mann Leo erfolgreicher Anwalt ist. Trotz Leos überdurchschnittlichem Einkommen lebt das Paar in seiner Mittelstands-Blase (samt Privatschule für Sohn Mason) über seine Verhältnisse und hält sich dabei für arm. Vor der Geburt ihres Sohnes hatte Amy mit Leo gemeinsam in einer Kanzlei gearbeitet. Da sie sich zwar für ein Jura-Studium entschieden hatte, aber für keinen konkreten Beruf, hat sie sich inzwischen weder fortgebildet, noch andere Ziele angestrebt. Dass ihr Sohn längst eigenen Interessen folgt, scheint Amy erst spät zu registrieren. Das einzig Interessante an Amy scheint ihre Mutter zu sein, die vor 30 Jahren an einer Frauengruppe teilnahm und seitdem noch immer feministische Historienromane schreibt. Amy und ihre Schwestern mussten als Kinder früh lernen, allein klarzukommen. Ihre Mutter hoffte, dass ihre Töchter es einmal leichter haben und in ihrer Partnerschaft nicht um die Hausarbeit streiten würden. Mit Amys Mutter Antonia legt Meg Wolitzer im bereits 2008 erschienenen „The Ten Year Nap“ den Faden aus für ihr Thema der undankbaren Töchter feministischer Mütter, die die Errungenschaften der Frauenbewegung als selbstverständlich hinnehmen und zu wenig wertschätzen. 2018 wird Wolitzer den Faden in „Das weibliche Prinzip“ wieder aufnehmen.


    Amy wirkt auf mich wie eine noch unbemalte Leinwand, die dazu dient, ihre Freundinnen und deren Herkunftsfamilien darzustellen. Roberta ist Künstlerin und mit einem Partner verheiratet, der ebenfalls andere Träume hatte als für den Unterhalt seiner Familie zu buckeln. Karen, Tochter chinesischer Einwanderer, testet regelmäßig in Bewerbungsgesprächen ihren Marktwert als Datenanalystin, ohne jedoch eine Stelle anzunehmen. Jill und ihr Mann sind frisch in einen Vorort gezogen und haben nach langem vergeblichen Kinderwunsch ein Waisenkind aus Sibirien adoptiert. Im ersten Schuljahr wird deutlich, dass Nadia in ihrer Entwicklung zurückgeblieben ist und ohne intensive Unterstützung mit ihren Mitschülern nicht mithalten kann. Jede im Mütter-Quartett empfindet individuell den Druck, bitte endlich etwas zu leisten, ohne sich bewusst zu werden, dass ihre allein verdienenden Partner diesem Druck ohne die „Zehnjahrespause“ ausgesetzt sind. Die Handlung spielt in der Zeit nach 2001 und zeigt in Rückblenden in die 60er und 70er Jahre, wie die vier Frauen aufwuchsen und von ihrer Herkunftsfamilie geprägt wurden.


    Fazit
    Der „Zehnjahrespause“ ist deutlich anzumerken, dass der Roman bereits vor 10 Jahren verfasst wurde. Meg Wolitzer beobachtet präzise die Generation der Post-Spekulum-Generation, die im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends nicht mehr um Verhütung und Schwangerschaftsabbruch kämpfen muss, und schildert ihren Alltag so ausschweifend wie humorvoll. Gemessen an den beschriebenen Alltäglichkeiten war mir der Stil der deutschen Ausgabe ein wenig zu elitär (ein Kind besucht einen Kindergarten, ein Familienleben wird gestaltet, ein Vorstellungsgespräch absolviert) und die Übersetzung aus dem Englischen ist nicht fehlerfrei. Die Diskrepanz zwischen Inhalt und Stil habe ich in „Das weibliche Prinzip“ ebenso empfunden. Dass die farblos wirkende Amy (auf dem Umweg über ihre feministische Mutter) auf Kosten anderer Figuren sehr breiten Raum erhält, hat mich nicht unbedingt begeistert. Wolitzers Mittelschicht-Figuren verkörpern Klischees, von den in die Rolle lebensuntüchtiger Väter gedrängten Karrieremännern, über die begabte Tochter chinesischer Einwanderer und ihren erfolgreichen Banker-Ehemann bis zur Akademikerin mit tickender biologischer Uhr wird alles geboten. Das Ende der "Pause" kommt recht hastig mit der Botschaft, dass Geld beruhigt, aber nicht glücklich macht. Veränderungen der Väterrolle schienen sich vor 10 Jahren zum Glück am Horizont abzuzeichnen.


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    :study: -- Damasio - Gegenwind

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    :musik: -- Catton - Gestirne; Rehear


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow