Elizabeth Strout – Alles ist möglich/Anything Is Possible

  • Kurzmeinung

    Studentine
    Sehr direkt u. nah am Leben mit seinen ganzen Unfeinheiten, Bürden, Erinnerungen, Enttäuschungen und geplatzten Träumen.
  • Kurzmeinung

    Squirrel
    Still und leise im Stil werden Menschen mit all ihren Facetten zum Leben erweckt. Wunderbar :)
  • Original : Englisch/USA, 2017


    INHALT:

    In ihrem neuen Roman erzählt Elizabeth Strout unvergessliche Geschichten über die Menschen der Kleinstadt Amgash in Illinois. Menschen, die sich nach Liebe und Glück sehnen, aber oft Kummer und Schmerz erleben. Die ganze Bandbreite menschlicher Gefühle, von Hass und Neid, Einsamkeit und Wut bis zu innigster Menschenliebe entfaltet sich in diesen Familiengeschichten. Es sind Geschichten über die Natur des Menschen in all seiner Verletzlichkeit und Stärke, über die unendliche Vielfältigkeit des Lebens. Und inmitten größten Elends, gar eines « Schmutzes », leuchtet manchmal was Unbeschädigtes und Reines auf, ahnen manche Protagonisten etwas von « ihrer » Wahrheit.


    Hier also die Stories, seltsam miteinander verflochten und doch auch unabhängig lesbar. Im Einzelnen :


    - «The sign » (29 S.) handelt von Tommy, der seinerzeit bei einem Brand alles verlor, und dennoch dabei seltsamer Weise eine Gotteserfahrung machte : « es ist alles okay ». Er wurde Hausmeister einer Schule, kennt die Geschichten so mancher Häuser, so auch das der Bartons. Der Vater hatte damals auf seinem Hof gearbeitet. Nun besucht er aber regelmäßig den etwas verlorenen Sohn, der hinter seinen Besuchen einen stillen Vorwurf vermutet : Hat der Vater das Feuer entfacht ???


    - « Windmills » (31 S.) erzählt von Patty, die ebenfalls in der Schule als Ratgeberin arbeitet. Sie trifft auf eine aufmüpfige Schülerin, die ihr von ihrer scheinbaren Jungfräulichkeit herablassend erzählt, und sie im Herzen trifft. Patty läßt sich zu einer großen Beleidigung hinreißen, in der sie das Mädel als « Dreck und Schmutz » beschimpft. Erst später wird ihr bewußt, dass sie selber, und ihr Mann mit ähnlichen Worten, ähnlicher Herablassung betrachtet wurden…


    - « Cracked » (29 S.) Es geht um ein reiches Paar, das bei einer Kunstausstellung eine Künstlerin bei sich aufnimmt. Dahinter verbirgt sich aber die Komplizenschaft, jenen Besuch – wie schon andere vorher – voyeuristisch zu« beobachten » durch Kameras und eventuell gar weiter zu gehen… Erst nach einer weiteren schrecklichen Erfahrung kann eventuell jemand aus diesem Inferno ausbrechen ? Und was wird ihr helfen ?


    - « The Hit-Thumb-Theory » (23 S) Charlie hat seit Langem seine Mätresse, die anscheinend zur Geliebten wurde. Eines Tages bittet sie ihn um viel Geld…


    - « Mississippi Mary" (35 S) Mary hat sich nach 51 Jahren von ihrem Mann getrennt und lebt mit einem jüngeren Italiener irgendwo an der italiensichen Küste. Ihre Tochter kommt auf Besuch. Entsetzt, aber dennoch ihre Mutter liebend und sich nach ihr sehnend. Sie erinnern die Vergangenheit...


    - « Sister » (31 S) Lucy Barton ist inzwischen Schriftstellerin geworden, hat sich aus einer armen Kindheit emporgearbeitet. Doch lange kehrte sie nicht in ihre Heimatstadt zurück. Nun aber besucht sie ihren Bruder Pete. Ihre Schwester kommt hinzu. Kann es ohne Neid und Leid abgehen ?


    - « Dottie’s Bed and Breakfast » (28 S) In Dotties Pension kommen verschiedenste Menschen und Einsamkeiten zusammen. So eines Tages das Small-Ehepaar. Frau Small vertraut sich und eine vertrackte Geschichte Dottie an...


    - « Snow-Blind » (18 S) Die noch kleine Annie wächst in armen Verhältnissen auf. Ihre Träumereien führen sie in den Wald. Warum droht ihr der Vater ? Warum soll sie wohl nicht in den Wald gehen ? Was versteckt er ?


    - « Gift » (27 S) Unter seltsamen Umständen kommt es zu einer bedrängenden, existenziellen Begegnung zwischen Abel und einem Scrooge-Laiendarsteller. Beide stehen vor ihrer Einsamkeit und entdecken vielleicht doch mehr ?


    BEMERKUNGEN :

    Die Erzählweise der Autorin durchzieht anscheinend mehrere ihrer Bücher. So sagte Conor zu einem anderen Buch der Autorin : Eigentlich kann man diesen Roman eher als Ansammlung von Episoden in wechselnden Erzählperspektiven ansehen als einen durchgehenden Roman. So geht es auch hier um einen « Erzählzyklus », der in der Kleinstadt Amgash/illinois angesiedelt ist. Er greift ebenfalls eine Protagonistin eines vorhergehenden Romans von ihr auf, nämlich Lucy Barton aus « Die Unvollkommenheit der Liebe ». Im Englischen heißt jener Roman « My name is Lucy Barton ». In allen Geschichten ist früher oder später, mehr oder weniger auch mal von Lucy die Rede. Ihr neues Buch, dann auch ihr Kommen in die Heimatstadt enthüllen hier und da Verborgenes.


    Die meisten Protagonisten haben in irgendeiner Weise Traumatisches, eine harte Kindheit, erlebt, das Lebensumfeld ist eher verarmt und einfach. Eine gewisse Form der Vereinsamung, Vereinzelung prägt diese Menschen. Man muss schon kämpfen um dem zu entrinnen. Oder scheitert man, eine Zeitlang ? Und dennoch : leuchtet in fast allen Geschichten ein Licht auf gegen Ende, ohne das man von Happy-End sprechen sollte.


    Für mich eine Autoren- und Schreibeentdeckung ! Empfehlenswert !


    AUTORIN :

    Elizabeth Strout (* 6. Januar 1956 in Portland, Maine) ist eine US-amerikanische Schriftstellerin, die für ihren Roman Olive Kitteridge den Pulitzer-Preis für Romane erhielt. Sie absolvierte nach dem Abschluss des Bates College und einem Studienaufenthalt in Oxford ein Studium der Rechtswissenschaften an der Syracuse University und schloss dieses Studium 1982 mit Auszeichnung ab. Daneben absolvierte sie dort auch ein Studium im Fach Gerontologie und begann nach Abschluss des Studiums mit dem Verfassen von Kurzgeschichten für die Zeitschriften New Letters, Redbook und Seventeen.


    Sie veröffentlichte 1998 mit « Amy and Isabelle » ihren ersten Roman. Neben ihrer schriftstellerischen Tätigkeit war Strout auch Dozentin für Kreatives Schreiben an der Colgate University sowie der Queens University of Charlotte.

    Strout ist mit James Tierney verheiratet.


    Gebundene Ausgabe: 256 Seiten

    Verlag: Luchterhand Literaturverlag; Auflage: Deutsche Erstausgabe (12. November 2018)

    Sprache: Deutsch

    ISBN-10: 3630875289

    ISBN-13: 978-3630875286

  • Hier eine Verlinkung zu einer Ausgabe auf Englisch:


    Anything is possible


    Recalling Olive Kitteridge in its richness, structure, and complexity, Anything Is Possible explores the whole range of human emotion through the intimate dramas of people struggling to understand themselves and others. Anything is Possible tells the story of the inhabitants of rural, dusty Amgash, Illinois, the hometown of Lucy Barton, a successful New York writer who finally returns, after seventeen years of absence, to visit the siblings she left behind.


    Reverberating with the deep bonds of family, and the hope that comes with reconciliation, Anything Is Possible again underscores Elizabeth Strout's place as one of America's most respected and cherished authors.


    Paperback: 272 pages

    Publisher: Penguin (1 Mar. 2018)

    Language: English

    ISBN-10: 9780241248799

    ISBN-13: 978-0241248799

    ASIN: 0241248795

  • Für mich eine Autoren- und Schreibeentdeckung

    Für mich auch und was für eine :applause:


    Du hast schon so wunderbare Worte für dieses wunderbare Buch gefunden, tom leo , dass mir gar nicht mehr viel zu sagen bleibt. Ich sitze hier voller Begeisterung über eine Autorin, die in einer so schönen und einfachen Sprache Menschen mit all ihren (manchmal verborgenen) Stärken und vielen Schwächen zum Leben erweckt. Das schafft sie wirklich auf eine wundervoll unaufgeregte Weise, still und leise in Worten und Stil, der so an Anne Tyler erinnert. Aber wie Du und Conor schon geschrieben habt, gibt es diesen einen Unterschied zu Anne Tyler: Elizabeth Strout verwebt hier Einzelgeschichten, die man auch als separate Kurzgeschichten lesen kann. Und dennoch ergeben die leise miteinander verflochtenen Geschichten am Ende ein rundes Bild einer kleinen, eher verfallenden Stadt am Rande des Nirgendwo und jede der Geschichten wirft irgendwie und irgendwo ein kleines weiteres Licht auf eine der Figuren aus einer der anderen Geschichten. Ja, man kann die Geschichten einzeln lesen, aber wenn man das zeitlich zu separiert tut, entgeht einem vielleicht das größere Bild, das Elizabeth Strout sehr wohl entwirft. Und ich, die ich Kurzgeschichten nicht grade mag, habe all diese Geschichten mit Begeisterung gelesen und in meinem Kopf entstand Amgash mit seinen vielen Facetten und Menschen und wurde lebendig. :love:


    Eine Bemerkung zur Übersetzerin Sabine Roth, die in München, Toronto, Canterbury und Oxford Literatur studierte und u.a. Hilary Mantel und V.S. Naipaul übersetzt hat: ich habe zwar das Original nicht gelesen, aber da Du die Titel der Einzelgeschichten genannt hast, wirft das ein Licht auf die Übersetzerin. Hier war eine Frau am Werk, die sehr fein und mit Bedacht die Worte übersetzt hat. Sie hat genau den Ton getroffen, das übersetzt was wichtig ist für die Geschichten. So fein, wie sie die Titel übersetzte, so fein scheint sie mir auch mit dem restlichen Text umgegangen zu sein. :)

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Kai Seyfarth - Entscheidung in Aleppo: Walter Rößler, Helfer der verfolgten Armenier