Veronika Peters - Die Dame hinter dem Vorhang

  • Kurzbeschreibung (Verlagsseite)

    Welch ein Abenteuer! An einem Maimorgen im Jahr 1927 verlässt Jane Banister, Enkelin des Gärtners auf Gut Renishaw, den Landsitz der Sitwells. Sie geht nach London, um in den Dienst von Edith Sitwell zu treten, der ungeliebten Tochter des Hauses. Jane hat schon einiges über die exzentrische Dichterin und deren einflussreichen Freundeskreis gehört. Edith gibt in der Hauptstadt Soireen, liebt große Auftritte und hat sogar Kontakte ins Königshaus. Schon bald wird Jane an Ediths Seite die Metropolen der Welt bereisen. Doch als Ediths Vertraute lernt Jane auch die Dame hinter dem Vorhang kennen und den Preis, den das unangepasste Leben fordert.


    Liebevoll ausgestattete Ausgabe mit Leinenrücken und Lesebändchen.


    Zur Autorin

    Veronika Peters, geboren 1966 in Gießen, verbrachte ihre Kindheit in Deutschland und Afrika. Im Alter von 15 Jahren verließ sie ihr Elternhaus, schlug sich mit Gelegenheitsjobs durch und absolvierte eine Ausbildung zur Erzieherin. Sie arbeitete in einem psychiatrischen Jugendheim, bis sie Ende 1987 für zwölf Jahre aus dem sogenannten bürgerlichen Leben ausstieg und in eine Benediktinerinnenabtei eintrat. Von der Zeit, die sie dort lebte, handelt die autobiographische Erzählung »Was in zwei Koffer passt« (2007). Es folgten die Romane »An Paris hat niemand gedacht« (2009), »Das Meer in Gold und Grau« (2011), »Die Liebe in Grenzen« (2013) und »Aller Anfang fällt vom Himmel« (2015). In ihrem neuesten Roman »Die Dame hinter dem Vorhang« setzt sie der englischen Exzentrikerin Edith Sitwell ein Denkmal.

    Veronika Peters ist verheiratet mit dem Schriftsteller Christoph Peters, hat eine Tochter und lebt als freie Autorin in Berlin.


    Meine Eindrücke

    Von Edith Sitwell (1887 – 1964) hatte ich bis dato noch nie gehört, in Künstlerkreisen bin ich nicht sehr bewandert, doch Kurzbeschreibung und Aufmachung des Buches haben mich angesprochen. Und diese Mischung aus biografischen und fiktiven Elementen hat mir insgesamt gut gefallen. Wobei ich gestehe, dass mir die zumindest teilweise fiktiven Passagen aus Ediths Kindheit und Jugend mehr zusagten. Ich fand sie einfach unterhaltsamer als die historisch belegten Sequenzen, die für meinen Geschmack ein wenig zusammenhanglos aneinandergereiht gewesen sind. Wenn man sich möglichst eng an belegte Fakten halten möchte, ist das vielleicht kaum anders möglich, aber ich mag es gern etwas flüssiger.


    In ihrem Bericht über das Leben Edith Sitwells springt Jane von deren Lebensabend als Ausgangspunkt immer wieder in der Zeit zurück. Sie erzählt u. a. von den ersten Begegnungen ihrer Mutter Emma mit der kleinen Edith, wie und warum sich deren Beziehung eine Zeitlang sehr eng gestaltet hat. Diese Phase hat mich persönlich am meisten gefesselt. Optisch ist Edith für ihre Eltern schon früh eine Enttäuschung gewesen, die man sie hat spüren lassen. Die Mutter lieblos, der Vater bestenfalls gleichgültig, bitter für ein so kleines Mädchen. Aber sie hat es wohl weggesteckt und ihren eigenen Weg, den Weg einer zur Exzentrik neigenden Künstlerin beschritten. Leicht hatte sie es auch später nicht wirklich, die meiste Zeit in Geldnöten, und mit einer fatalen, fast schon als masochistisch zu bezeichnenden Neigung zu „diesem Bojaren“, wie Jane ihn nennt, der sie nach Strich und Faden ausnutzte, finanziell und auch emotional. Irgendwann auf diesem Weg wurde dann der Alkohol zu einem engen Gefährten, in ihren späteren Jahren dosiert und kontrolliert von Jane.


    Edith und Jane verbindet ein sehr spezielles Verhältnis, das sich über siebenunddreißig gemeinsame Jahre entwickelt hat. Jane stellt ihr Leben ganz und gar in den Dienst ihrer „Dame Edith“ (diese wurde 1954 aufgrund ihrer Verdienste in den Adelsstand erhoben) und weicht bis zu deren Lebensende nicht von ihrer Seite. Jane ist für mich eine sympathische Person, klug und schlagfertig, und, gemessen an ihrer Stellung, relativ selbstbewusst.


    Man begegnet einigen bekannten Zeitzeugen und auch die Kriegszeiten nehmen einen gewissen Raum ein, aber nach dem Hinweis in der Kurzbeschreibung „In ihrem bewegten Leben spiegelt sich das Bild einer Epoche, die sowohl in politischer wie in kultureller und gesellschaftlicher Hinsicht von tiefen Brüchen und Umbrüchen geprägt war“ hatte ich mir ein bisschen mehr historischen Hintergrund erwartet. Die Autorin hat die Schwerpunkte anders gesetzt, ist gerade in den späteren Jahren eng an der Figur Edith Sitwells und ihren Eigenheiten geblieben, was der Geschichte für mein Empfinden ein paar Längen beschert hat.


    Nichtsdestotrotz habe ich diesen biografischen Roman gern gelesen, mochte den ruhigen, unaufgeregten Erzählstil und vor allem Jane, die (fiktive) Erzählerin.


    Aufgrund der wunderschönen und wertigen Ausstattung auch ein schönes Geschenk-Buch für Leser, die Romanbiografien mögen.


    Schwierig ist für mich die Einordnung dieses Buches. Auf der Verlagsseite wird es als Romanbiografie geführt, was für mich auch perfekt passt.

    Aber wohin sollte es hier im BT am besten:-k? Biografie, historischer Roman oder Romane/Erzählung :-?.

    Weil es sowohl bei vorablesen, als auch bei Amazon unter historisch steht, habe ich mich mal dafür entschieden, obwohl es für mich persönlich am wenigsten passt.

    Also ggf. sehr gerne verschieben liebe Squirrel :geek::friends:

  • Nachdem die Tochter des Hauses den Yorkshire Landsitz der adligen Familie Sitwell hinter sich lässt und nach London zieht, folgt die 18-jährige Gärtnertochter Jane Banister Edith Louisa Sitwell und wird das Dienstmädchen der Dichterin, die ihrer eigenen Familie eine traurige und schmerzhafte Kindheit verdankt und ihr seit Jahren zu unbequem ist. Im Zeitraum von 37 Jahren entsteht zwischen der intelligenten und schlagfertigen Edith und Jane eine ganz besondere Beziehung, die beiden Frauen mögen sich und werden zu Vertrauten, obwohl sie aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten stammen. Durch Edith Sitwell bekommt Jane Banister einen Einblick in die Welt der Künstler, geht mit ihrer Dienstherrin auf Reisen und lernt so einige berühmte und illustre Persönlichkeiten kennen. Aber auch Ediths unglückliche und vergebliche Liebe zum russischen Maler Pavel Tchelitchew erlebt Jane mit und versucht, Edith vor weiterem Unheil zu bewahren. Erst der Krieg führt Edith Sitwell zurück auf den heimischen Landsitz Renishaw Hall, wo sie das Anwesen für Künstler öffnet. Ihren Lebensabend verbringt Edith Sitwell in London, wo sie 1964 im Alter von 77 Jahren stirbt.


    Veronika Peters hat mit „Die Dame hinter dem Vorhang“ das Leben der englischen Dichterin Dame Edith Louisa Sitwell (1887-1964) durch die Erzählungen einer fiktiven Bediensteten Revue passieren lassen, die viele biografische Züge enthält. Der Schreibstil ist flüssig und bildhaft, der Leser fühlt sich während der Lektüre wie bei einem Kaffeekränzchen, bei dem das Dienstmädchen Jane aus dem Nähkästchen plaudert. Schon der Aufbau des Romans ist bemerkenswert, denn er erzählt Edith Schicksal in Rückblenden durch die Augen ihrer Bediensteten. Die sehr gute Recherche der Autorin sowie die wunderbare Verknüpfung von Fiktion und Wahrheit geben dem Leser einen guten Einblick in das Leben der Dichterin. Die unterschiedlichen Gesellschaftsschichten sind ebenso ein Thema wie Standesdünkel, der Krieg oder auch die Künstlerszene, der sich Edith in besonderem Maße zugehörig fühlte und damit ihrem eigenen einengendem Background entfliehen konnte. Peters zeigt aber auch eine erschreckende Kindheit auf, geprägt von körperlichen Schmerzen und von Eltern, die ihrer Tochter gegenüber kaum Nähe und Liebe zulassen, weil sie dem damaligen Schönheitsideal nicht entsprach.


    Die Charaktere sind sehr detailliert, individuell und glaubwürdig gestaltet und lassen den Leser auf besondere Weise ganz nah an sich heran. Edith ist die älteste Tochter einer Adelsfamilie, die aufgrund ihres wenig attraktiven äußeren Erscheinungsbildes von ihren Eltern abgelehnt wird. Sie besitzt einen wachen Verstand und weiß sich mit Wortgewandtheit ins Licht zu setzen. Aufgrund ihrer recht trostlosen Kindheit hat sie sich zu einer starken und selbstbewussten Frau entwickelt, die ein recht gutes Verhältnis zu ihren jüngeren Brüdern Sacheverell und Osbert pflegt, sich aber auch in Kreisen bewegt, in denen ihr namhafte Künstler T.S. Eliot oder Billy Wilder begegnen. Sie ist recht unkonventionell und exzentrisch. Jane ist die Enkelin des Gutsgärtners, die Tochter von Emma, die Edith schon von Kindheit an kannte und ihren Leidensweg innerhalb der Familie miterlebte. Jane ist fleißig, zuverlässig und vor allem mit den Jahren eine unverzichtbare Vertraute, die ihre Rolle als Bedienstete voller Inbrunst verrichtet. Aber auch Hanna Rootham sowie einige andere Protagonisten spielen durchaus eine Rolle in Edith Leben.


    Mit ihrem biografisch angehauchten Roman „Die Dame hinter dem Vorhang“ gibt Veronika Peters dem Leser nicht nur einen schönen Blick durchs Schlüsselloch in das Leben von Edith Louisa Sitwell, sondern lässt auch die damalige Zeit und deren gesellschaftliche Normen wieder lebendig werden, in der sich eine starke und unkonventionelle Frau zu behaupten wusste. Verdiente Leseempfehlung!


    Interessante :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    Bücher sind Träume, die in Gedanken wahr werden. (von mir)


    "Wissen ist begrenzt, Fantasie aber umfasst die ganze Welt."
    Albert Einstein


    "Bleibe Du selbst, die anderen sind schon vergeben!"
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