Sergej Lukianenko ist ein populärer russischer Science Fiction- und
Fantasy-Autor, der sich unter anderem mit seiner Wächter-Saga einen
Namen gemacht hat. Für die neuen Abenteuer in „Die Wächter - Licht und
Dunkelheit“ wählt er einen anderen Schauplatz, nämlich eine Schule für
„Andere“, die es Lichten und Dunklen, also unter anderem
Gestaltwandlern, Magiern, Hexen und Vampiren ermöglicht, unter Wahrung
von gegenseitigem Respekt, Achtung und Toleranz, miteinander zu lernen,
um irgendwann unter Menschen zu bestehen. Ähnlichkeiten zu einer anderen
berühmten literarischen Schule liegen durchaus auf der Hand und finden
mehr als einmal hintergründige Erwähnung.
Als einer der Lehrer ist der Lichte Dimitri Drejer, Magier siebten
Grades, eher durchschnittlich begabt. Doch das ist auch nicht
wesentlich, weil er zu jenen Guten gehört, die manchmal mit Naivität und
einer gewissen Leichtgläubigkeit durchs Leben gehen. Was Dimitri
auszeichnet ist das Fehlen von Vorurteilen, ihm ist das Wesen seiner
Zöglinge einerlei. Er respektiert und fördert sie, interessiert sich für
ihre Bedürfnisse, Sorgen und Ängste, tritt für sie ein, solidarisiert
sich mit ihnen und besitzt ihr Vertrauen. Zunächst stellt Dimitri sich
gegen die Inquisition, wird dann aber selbst zum Inquisitor.
Sein Dasein gerät aus den Fugen, als ihm auf dem Schulhof merkwürdige
Vorgänge auffallen. Mutet dies anfangs noch wie ein belangloser Streich
an, wird ihm bald klar, dass er und seine Schüler in eine mächtige
Verschwörung geraten, die das fragile Gleichgewicht zwischen den Mächten
des Lichts und der Dunkelheit zerstören kann, und das überall auf der
Welt…
Manchmal stellt es sich als Vorteil heraus, wenn einem ein Autor und
sein bisheriges Werk unbekannt ist. So erging es mir mit Sergej
Lukianenko und "Die Wächter - Licht und Dunkelheit“. Ich konnte mich
völlig ungezwungen auf das Geschehen und den Erzählstil einlassen, ohne
mit dem bereits veröffentlichten Epos über die Tag- und Nachtwache zu
vergleichen. Denn der vorliegende erste Band der neuen Reihe hat wenig
mit dem Vorgänger zu tun und existiert daher selbstständig. Zudem hatte
Lukianenko einen Co-Autor: Arkadi Schuschpanow.
Das „Grundgerüst“ aus Nachtwache (Lichte), Tagwache (Dunkle) und
Inquisition ist gleich, den sogenannten Anderen, die unbemerkt von der
menschlichen Welt existieren. Womöglich sind dadurch einige Unterschiede
zu vorherigen Werken vorhanden, die ich allerdings nicht festzustellen
vermag.
Was die Geschichte generell ausmacht, in der sich kritische Töne und
philosophische Anmerkungen lesen lassen, ist die ausgefallene
Atmosphäre, die durch die bizarre Mischung aus Magie und der modernen
Welt, nicht immer im gelungenen Rahmen bevölkert mit realen Personen wie
Bruce Lee und Chuck Norris.
Hauptort ist anfangs die Schule für Andere, in der Lichte und Dunkle
europäischer und asiatischer Herkunft aufeinander treffen und gemeinsam
lernen. Auch wenn im Verlauf der Ereignisse, die bei einer Exkursion
nach St. Petersburg stattfinden, etwas mehr Dynamik entwickelt, zieht
sich die Handlung insgesamt, wodurch irgendwie das Gefühl erwächst, dass
hier mit angezogener Handbremse gearbeitet wurde. Es geschieht nicht
viel. Leider wird die ruhige Art und Weise der Schilderung nicht optimal
für eine tiefgründige und ausgereifte Charakterisierung der
Protagonisten genutzt. Sie bleiben einem (noch) sehr fremd, nicht nur
weil sie nicht menschlich sind. Es fehlt an Konsistenz und
Emotionalität, um mit ihnen mitzufühlen. Daneben erschließt sich mancher
Werdegang nicht. Wenn zum Beispiel Dimitri Drejer überraschend diverse
Zaubergrade meistert und sich gegenüber Magiern höherer Grade behaupten
kann, stellt sich schon die Frage des Wie.
Lukianenkos junge Helden sind zwar älter als normale Schüler und
verfügen über außergewöhnliche Begabungen. Trotzdem bewegen sie sich wie
gewöhnliche zeitgemäße Teenager des 21. Jahrhunderts. Wie alle anderen
konkurrieren sie miteinander, verstoßen bewusst oder unbewusst gegen
Regeln wie die, während der Schulzeit nicht zu zaubern. Konflikte
bleiben nicht aus, durchaus vorherrschende Vorurteile und
diskriminierendes Verhalten treten zutage. Es bilden sich
Gemeinschaften, unter anderem die „toten Dichter“, eine Ansammlung von
niederen Dunklen, Tiermenschen, den Werwölfen und Vampiren. Eine von
ihnen ist Anya, eine Dschinn und damit eine Lichte, frühreif, schlau,
verschlossen und in der Lage, Wünsche zu erfüllen. Genau Anna gerät in
den Mitteilpunkt eines Kampfes, in den auch Dimitri hineingezogen wird.
Gerade wegen ihrer Fähigkeit wäre es Anna möglich, ein magisches Buch –
das Fuaran – wieder herzustellen. Und darin befindet sich eine Formel,
bei deren Anwendung aus Menschen Andere werden.
"Die Wächter - Licht und Dunkelheit" ist unterhaltsame Fantasy, die in
den Folgebänden durchaus an Tempo und Intensität in der Spannung und
Figurenzeichnung zunehmen darf.
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Buchdetails
Titel: Die Wächter: Licht und Dunkelheit
Sergej Lukianenko (Autor) , Christiane Pöhlmann (Übersetzer)
Band 7 der Wächter-Reihe
Verlag: Heyne
Format: Broschiert
Seitenzahl: 464
ISBN: 9783453316515
Termin: September 2015
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