Charmantes Appetithäppchen
Als echter Bücherwurm interessiere ich mich schon immer für Lese-Memoiren anderer Leser, vorzugsweise prominenter oder professioneller Leser. Susan Hill hat mich begeistert; ebenso der unumgängliche Alberto Manguel, oder auch Nick Hornby oder Nina Sankovitch („Tolstoi und der lila Sessel“). Und nun auch noch ein Führer durch die Krimi-Landschaft! Da musste ich einfach zugreifen.
Nun – es ist ein charmantes Büchlein, keine Frage. Allerdings ist es mehr „Appetithäppchen“ als Leitfaden. Und es ist, aufgrund der Kürze, auch sehr subjektiv ausgewählt. Allerdings hat die Autorin das Beste aus dem begrenzten Rahmen gemacht, der ihr zur Verfügung stand.
Der Verlag Ars Edition bringt schon länger eine Reihe heraus, in der es jeweils um „99… irgendwas“ geht. In diesem Fall war der Umfang also klar vorgegeben. 99 Krimis sollten es sein. Die Autorin Miriam Semrau, Bloggerin und Journalistin, hat sich daher entschieden, weniger bereits bekannte Bestseller vorzustellen, sondern wirklich nach persönlichen Vorlieben vorzugehen, und eher weniger bekannte, unentdeckte „Perlen“ des Genres vorzustellen.
Es gibt ein alphabetisches Inhaltsverzeichnis. Doch danach geht es völlig ungeordnet los. Krimi steht neben Thriller, und sämtliche Nationalitäten wechseln sich munter ab. Das finde ich einerseits pfiffig gemacht, da so die „Gefahr“ groß ist, sich festzulesen! Die Texte sind jeweils kurz, aber lebendig geschrieben. In Kursivschrift wird in ein oder zwei Sätzen jeweils das Wichtigste am Buch behandelt; erst danach kommt es zu einer kurzen Inhaltsangabe. Die auch mal sehr humorig ausfallen kann! Die Autorin versucht, wo immer möglich neue Wege der Darstellung zu gehen. So lässt sie mehrfach ein Buch durch Zitate für sich selbst sprechen. Oder sie beleuchtet die Verwandtschaft mit anderen Büchern des Genres. Wer hat was erfunden? In einem Fall wird ein Buch sogar rein durch Piktogramme dargestellt! ( Joyce Carol Oates „Pik Bube“)
Auflockernd wirken auch die Zwischenkapitel, „Mimis Bonustracks“. Das Pseudonym der Autorin lautet nämlich im Netz „Krimimimi“. Sie schildert in diesen kleinen Kapiteln ihren Berufsalltag, sowie Fragen, die bei der Erstellung des Buches aufgetaucht sind. Was ist z. B. eigentlich der Unterschied zwischen Krimi und Thriller? Sie gibt sogar ihre E-Mail-Adresse an, und lädt die Leser zur Diskussion ein! Sehr charmant sind auch die Symbole, die jedem Buch beigestellt sind: Blitze stehen für Brutalität, Wolken für düstere Atmosphäre, und Sonne für Humor.
Erfreulich finde ich die Bandbreite des Buches. Miriam Semrau versteht „Krimi“ als einen flexiblen Oberbegriff. Sie bezieht auch Sachbücher oder Klassiker der Weltliteratur mit ein. Ebenso berücksichtigt sie so weit wie möglich alle Nationalitäten. Hier wird also wirklich jeder Leser fündig: ebenso der eher zart besaitete Nachdenkliche, sowie der hartgesottene Blutrünstige. Selbst ich, die ich wirklich viele Krimis lese, habe viel Neues entdeckt! Auch das Büchlein „an sich“ ist so nett geschrieben, dass ich sicher noch öfter darin blättern werde. Zuerst war ich aufgrund der Kürze und Subjektivität abgeschreckt, habe mit fortlaufender zweiter und dritter Lektüre aber immer mehr Charmantes entdeckt. Letztlich verleihe ich doch die volle Punktzahl.