Nancy Springer - Der Fall der linkshändigen Lady / The Case of Left-Handed Lady

  • Verlagsinfo


    Der zweite Fall der Detektivin Enola Holmes


    Enola versteckt sich in London noch immer vor dem genialsten Detektiv der Welt, ihrem eigenen Bruder Sherlock Holmes, und wartet auf weitere verschlüsselte Nachrichten ihrer Mutter. Als sie zufällig von der verschwundenen Lady Cecily erfährt und in den faszinierenden Kohlzeichnungen der offenbar sehr begabten Künstlerin eine Seelenverwandte erkennt, übernimmt Enola die Ermittlungen. In verschiedenen Verkleidungen auf den dunklen Londoner Straßen unterwegs und immer auf der Hut vor Mördern und Verbrechern, muss Enola die Hinweise entschlüsseln: eine angelehnte Leiter, ein gerissener Verkäufer, politische Flugblätter… Um Lady Cecily zu retten, riskiert Enola mehr als sie sollte – und kommt dabei auch ihrem Bruder unerwartet nahe.


    In diesem spannenden Nachfolger des ersten Bands Der Fall des verschwundenen Lords führt Nancy Springer die Leser zurück in das düstere und gefährliche Viktorianische London und setzt die Abenteuer der schlauen Detektivin Enola Holmes fort.


    Meine Meinung


    Ich finde diese Reihe echt außergewöhnlich, weil sie für das empfohlene Lesealter wirklich anspruchsvoll geschrieben ist. Die gesellschaftlichen Umstände Ende des 19. Jahrhunderts werden gekonnt in die Handlung mit eingeflochten und durch viele kleine Details bekommt man die Denkweise der Gesellschaft und die gravierenden Missstände mit, die zwischen Ober- und Unterschicht herrschen.


    "Dieses Land ist verrückt, Menschen nach ihrem Titel zu beurteilen."

    Er schnürte den braunen Stiefel weiter.

    "Warum sollte ein fauler, sogenannter Aristokrat mehr als Gentleman gelten als ein sparsames, nüchternes, fleißiges Mitglied der Arbeiterklasse?" Seite 97


    Auch Enola Holmes, die 14jährige Protagonistin und kleine Schwester der berühmten Holmes Brüder hat damit zu kämpfen, denn es schleichen sich immer wieder Zweifel und Selbstkritik ein. Während nämlich ihre Brüder auf ihre nüchterne, rationelle Art versuchen, sie in London zu finden, hat Enola Eigeninitiative bewiesen und versucht, in die Fußstapfen ihrer Mutter zu treten. Sie möchte nicht in diese klassische Frauenrolle dieser Zeit gepresst werden und ein stilles Vorzeigefrauchen in der Gesellschaft werden, sondern auf ihren eigenen Füßen stehen und Freiheit genießen.


    Dass sie durch ihr Geschlecht und ihr Alter immer wieder unterschätzt wird kommt ihr manchmal aber auch zupass, vor allem wenn sie sich ihrem ersten Fall widmet, dem Verschwinden von Lady Cecily.

    Trotzdem muss sie aufpassen, dass sie sich nicht überschätzt, denn London ist ein gefährliches Pflaster, was man auch als Leser durch die Atmosphäre bestens zu spüren bekommt. Sie überwindet jedoch ihre Ängste und zeigt durch ihr gewieftes Auftreten und ihre mutigen Entscheidungen, dass sie ihren Willen durchsetzen kann. Nichtsdestotrotz spürt sie die Einsamkeit und versucht, einen Kontakt mit ihrer Mutter herzustellen. Aber auch zu ihren Brüdern, vor allem zu Sherlock, spürt sie eine Verbundenheit, der sie nicht nachgeben möchte aus Angst, in ihrer Eigenständigkeit nicht akzeptiert zu werden.


    Der Schreibstil ist, wie oben erwähnt, doch recht anspruchsvoll und doch flüssig zu lesen. Einige fremde Wörter kommen vor und gesellschaftliche Kalamitäten, die bei jüngeren Lesern sicher Fragen aufwerfen: was ich sehr gut finde!


    Die Handlung an sich baut langsam an Spannung auf und grade gegen Ende wird es äußerst brenzlig. Die Aufklärung fand ich ein bisschen weit hergeholt, hat sich aber gut im Rahmen der Geschichte eingefügt.


    Mein Fazit: 4 Sterne


    Weltenwanderer

  • Bis auf das Ende sehr gelungen!

    Nachdem sich Enola Holmes erfolgreich nach London abgesetzt hat, baut sie sich in Windeseile ein neues Leben auf. So nutzt sie ihre Freiheit um unter dem Namen Dr. Ragostin als erste wissenschaftliche Perditorin zu arbeiten. Doch muss sie sich noch weiterer Rollen bedienen, um verschwundene Menschen aufzuspüren, sodass sie ständig ihre Kostümierung wechselt. Hieran gewöhnt sie sich immer mehr – und dem ist gut so, da sie auf einen neuen Fall stößt. Oder eher gestoßen wird. Und das von keinem weniger als Dr. Watson. Sofort ist Enola nicht nur Feuer und Flamme für den Fall einer verschwundenen Lady in ihrem Alter, sondern auch voller Angst davor, in eine Falle ihres Bruders zu tappen. Denn sowohl Sherlock als auch Mycroft sind noch immer auf der Suche nach ihr und wollen sie auf den rechten Pfad zurück führen. Und Enola weiß genau wie dieser aussieht: Enge Mieder tragen, sich damenhaft benehmen und dann die vozeigbare Frau irgendeines Schnösels werden. Aber nicht mit ihr. Und so macht sie sich auf, den Fall zu lösen, ihre Mutter zu finden und das Katz und Maus-Spiel gegen ihren Bruder ja nicht zu verlieren. Dabei hält der Fall um die verschwundene Lady Cecily so einige Rätsel bereit. Wurde sie entführt oder ist sie mit ihrem Liebsten geflohen? Lebt sie noch? Führte sie ein Doppelleben? Enola Holmes ermittelt.

    Auch dieser Fall zieht den Leser sehr schnell in seinen Bann und katapultiert ihn ins London des Jahres 1889. Dabei wird die Geschichte temporeich erzählt und man fiebert mit Enola mit. Sehr schön sind auch die kleinen Rätsel, die in die Geschichte eingestreut wurden, mit denen die Detektivin mit ihrer Mutter in Kontakt zu treten versucht. Was mir zudem sehr gefallen hat, ist, dass Sherlock Holmes jetzt im Geschehen präsenter ist und man ihn vermehrt von seiner emotionalen Seite sieht. Allerdings, und hier liegt mein riesiger Kritikpunkt, ist die Lösung des Falles an den Haaren herbei gezogen. So wirkte es, als hätte die Autorin sich im Verlauf zu viele Fallen beim Schreiben gestellt und dann kurz bevor sie ihre Seitenvorgabe erreicht hatte festgestellt, dass es keine gute Erklärung für das Verschwinden gab. Und dann musste eben eine abstruse Lösung herhalten. Eine, mit der ich gerade bei einem Krimi, der sich an Figuren orientiert, denen auf die Fahne geschrieben wird, höchst rational zu denken, äußerst unzufrieden bin. Da sich allerdings die Aufklärung des Falles auf wenige Seiten beschränkt, hinterlässt dies nur einen enttäuschten Nachgeschmack – die Lektüre an sich hat Spaß gemacht; war spannend und unterhaltsam.

    Von mir gibt es daher – vielleicht etwas zähneknirschend und sehr zuversichtlich dass der nächste Fall wieder mehr zu beiten hat – 4 von 5 möglichen Sternen!