Min Jin Lee - Ein einfaches Leben / Pachinko

  • Kurzmeinung

    nordlicht
    eine beeindruckende Familiengeschichte, die mich emotional mitgenommen hat, sehr gut erzählt
  • Kurzmeinung

    Sushan
    Ein grandios gutes Buch! Kraftvoll, erschütternd und voller Liebe und Hoffnung!
  • Klappentext:

    Zwanzig Jahre Arbeit stecken in diesem großen, umwerfenden Buch, das in über zwanzig Ländern erscheint.

    Sunja, Tochter eines Fischers, wird genau im falschen Moment schwach, beim genau falschen Mann. Um ihrer Familie keine Schande zu machen, verlässt sie Korea und bringt ihre Söhne Noa und Mozasu fernab der Heimat in Japan zur Welt. Koranische Einwanderer, selbst in zweiter Generation, leben dort als Menschen zweiter Klasse. Während Sunja sich abzufinden versucht, fordern ihre Söhne ihr Schicksal heraus. Noa studiert an den besten Universitäten, Mozasu zieht es in die Pachinko-Spielhallen der kriminellen Unterwelt der Yakuza.

    Ein opulentes Familienepos, mit leichter Hand erzählt. Zeitlos und universell.

    Mein Leseeindruck:

    „Die Geschichte hat uns im Stich gelassen, aber was macht das schon.“ Mit diesem resignierten Satz beginnt der Roman, und damit ist zugleich das Thema angeschlagen: die Situation der koreanischen Minderheit in Japan, die einem westlichen Leser vermutlich weitgehend unbekannt ist.


    Das Buch teilt sich in drei große Teile auf:

    Buch I beginnt 1889 mit der Heirat der Eltern in einem kleinen Fischerdorf und erzählt das Aufwachsen der Protagonistin Sunja in ärmlichen Verhältnissen in Korea, das zu Beginn des 20. Jahrhunderts von Japan annektiert und ausgebeutet wird.

    1939 flieht Sunja mit ihrer Familie wegen der immer dringlicher werdenden wirtschaftlichen Not nach Japan: Buch II.

    Buch III schließlich stellt das Schicksal der Kinder und Kindeskinder in Japan vor.


    Die Autorin erzählt eine lineare Geschichte, die in ihrem Aufbau an die Familienromane des 19. Jahrhunderts erinnert. Ein großes Familienepos entfaltet sich vor dem Leser. Fast liebevoll wendet sich die Autorin dabei auch Figuren zu, die eigentlich eher Nebenfiguren sind, und lässt den Leser an deren Gedanken- und Gefühlswelt teilhaben.

    Die Familie kämpft nicht nur gegen den allgegenwärtigen Hunger und das Überleben, sondern sieht sich auch den bis heute andauernden Widerständen der Japaner gegen die koreanische Minderheit ausgesetzt. Diese Widerstände zeigen sich im Steuersystem und in verringerten Bildungs- und Arbeitschancen. Da Koreaner nicht auf eine Anstellung in einem japanischen Betrieb hoffen können und sozial ausgegrenzt leben müssen, halten sich viele mit harter körperlicher Arbeit oder aber mit Pachinko (so auch der ursprüngliche Titel des Romans) über Wasser, s. https://de.wikipedia.org/wiki/Pachinko. Mit den zwielichtigen Glückspielhallen kommen sie auch zu Wohlstand, ohne jedoch ihre soziale Ächtung damit aufheben zu können. Hier ist es die Figur des Noa, Sunjas erstem Sohn, der trotz seines persönlichen Fleißes und seiner Erfolge erkennen muss, dass er niemals zur japanischen Gesellschaft dazugehören und immer ein geduldeter und verachteter Außenseiter bleiben wird. Seine Biografie schildert diese nach Aussage der Autorin nach wie vor existente Form des Rassismus besonders eindringlich.


    Der Erzählton ist immer gelassen. Die Familie muss einige Schicksalsschläge ertragen, die in zurückhaltendem, fast poetischem Ton erzählt werden. Die Schuldzuweisungen muss der Leser sich selber überlegen. Viele Ereignisse der Zeitgeschichte, die das Leben der Familie bestimmen, werden eher am Rande und nur indirekt erwähnt – sei es z. B. der Atombombenabwurf über Nagasaki oder das traurige Kapitel der sog. Trostfrauen: junge Koreanerinnen, die in japanische Bordelle verschleppt wurden und deren Geschichte erst in den letzten Jahren öffentlich wahrgenommen wurde.


    Und genau Letzteres scheint mir auch das Anliegen der Autorin zu sein: die historische und immer noch andauernde Diskriminierung der koranischen Bevölkerung in Japan ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken.


    Das Buch liest sich prinzipiell sehr leicht und flüssig durch die eher einfach gehaltene Sprache, die lineare Erzählstruktur und den einfachen und übersichtlichen Satzbau. Trotzdem gibt es immer wieder Störungen im Lesefluss, die mit der Übersetzung zusammenhängen. So wird eine junge Japanerin als „die radikale Schönheit des Campus“ (S. 324) bezeichnet, und auch der „tänzerische Geist“ (S. 410) einer Handschrift ist doch sehr lyrisch. Noch störender empfand ich aber die nicht einheitliche Art des Übersetzens. Im Anhang befindet sich ein Glossar, das viele Ausdrücke übersetzt, aber ich frage ich mich, wieso Ausrufe wie Genau! , Köstlich! oder „Tatsächlich? u. ä. im koranischen Original verbleiben müssen und nicht übersetzt werden – schließlich muss man die Lektüre unterbrechen und nachschlagen. In vielen anderen Fällen fehlen die Übersetzungen. Was bitte heißt „Minna nihongo hanase-masu“ (S. 469)? „Moshi-moshi“ (S. 456)? Das sind nur zwei Beispiele von vielen. Klar, man kann drüber weglesen, aber ich persönlich hätte es gerne genau gewusst.


    Fazit:

    Ein opulenter Familienroman, der der Geschichte der Koreaner in Japan ins Licht der Öffentlichkeit rückt.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Und das Original: Pachinko


    Min Jin Lee ist eine koreanisch - amerikanischer Schriftstellerin, die sich häufig mit koreanisch - amerikanischen Themen beschäftigt.

    Geboren: 11. November 1968 in Seoul, Südkorea

    Sie ist die Autorin der Romane Free Food for Millionaires und Pachinko.

    Ausbildung: Yale College, Bronx High School of Science, Rechtszentrum der Universität Georgetown, Trumbull College

    Auszeichnungen: Guggenheim Stipendium - Kunst, US Amerikaner & Kanadier

    :study: Ich bin alt genug, um zu tun, was ich will und jung genug, um daran Spaß zu haben. :totlach: na ja schön langsam nicht mehr :puker:

  • K.-G. Beck-Ewe

    Hat den Titel des Themas von „Min Jin Lee - Ein einfaches Leben“ zu „Min Jin Lee - Ein einfaches Leben / Pachinko“ geändert.
  • Danke, drawe , für die Rezi. Das Thema interessiert mich seit meinen Aufenthalten in Korea vor einigen Jahren. Dazu las ich vor Kurzem noch einen der Form und Länge nach aber viel "kürzere" Behandlung des Thema, siehe unten. Wenn man bedenkt, dass das erste Buch von Dusapin (das ich ebenfalls besprochen hatte "Ein Winter in Sokcho") inzwischen also auf Deutsch erschienen ist und man zurecht auf diese Autorin aufpassen sollte, hoffe ich mal dass auch dieses untige Buch bald auf Deutsch erscheint? Mal sehen!

  • auf diese Autorin aufpassen sollte,

    Dann ist Min Jin Lee nicht die erste und einzige, die auf dieses vergessene Thema aufmerksam macht.

    Danke für den Hinweis!

    In Deiner Rezension klingt es so, als ob sich die Koreaner in Japan freiwillig absondern und nicht integrieren. Obwohl sie inzwischen in der 3. Generation dort sind, Bei Min Jin Lee hat man den Eindruck, dass sie alles dafür gäben, die Diskriminierung zu überwinden. Was stimmt denn nun?

    Allerdings erscheint mir in der Rückschau das Bild, das "meine"Autorin von den Koreanern in JPn zeichnet, recht aufpoliert vor. Die Koreaner kommen in diesem Buch generell gut weg: sie sind entgegen der japanischen Einschätzung fleißig, familienbewusst. sparsam, hart im Nehmen etc., kurz: einfach brave Leute. Auch wenn sie in ihren Spielhallen betrügen.

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • In Deiner Rezension klingt es so, als ob sich die Koreaner in Japan freiwillig absondern und nicht integrieren. Obwohl sie inzwischen in der 3. Generation dort sind, Bei Min Jin Lee hat man den Eindruck, dass sie alles dafür gäben, die Diskriminierung zu überwinden. Was stimmt denn nun?

    Letztlich kann ich ja auch nicht abschließend beurteilen. Jedoch gebe ich zu Bedenken, dass die Koreaner im Allgemeinen sehr unter den Japanern gelitten haben, so halt bis 1945 ja quasi okkupiert waren. Dabei waren Folter, Diskrimination, "entführte Mädchen" (comfort woman, glaube ich sagte man) etc, gang und gäbe. Da wäre der Wunsch nach einfacher normaler Einordnung eigentlich fast eine Überwindung, bzw ein starkes Stück.


    Aber natürlich gibt es heute genügend Koreaner (und Japaner), die sich auch nach einer Normalisierung der Beziehungen sehnen. Die Nicht-Aufarbeitung seitens der Japaner hat nicht immer geholfen...

  • der Wunsch nach einfacher normaler Einordnung eigentlich fast eine Überwindung, bzw ein starkes Stück.

    Ja, verständlich. In dem Buch ist davon die Rede, dass die Koreaner immer wieder eine Aufenthaltserlaubnis beantragen müssen - aber da muss man wohl uch genauer hinschauen. Es kann durchaus so sein, wie Du sagst, dass sie Koreaner bleiben wollen.


    Das, was Du "Nicht-Aufarbeitung" nennst, finde ich ein interessantes Thema. Und auch in Europa aktuell.

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Mir hat das Buch gut gafallen. Zu Anfang war ich mir nicht ganz sicher ob es etwas für mich ist.

    Ich habe einfach etwas gebraucht um reinzufinden. Es hat mich auch gestört das nicht alles übersetzt oder in koreanisch geschrieben wurde.

    Mit einem mal "Uh-muh" zu lesen ist seltsam gewesen.


    Es liest sich sehr flüssig.

    Ich konnte mir gut ein Bild machen über das schwierige Zusammenleben zwischen Koreanern und Japanern.

    Auch die unterschiedlichen und ähnlichen Mentalitäten wurden gut dargestellt.

  • Ich lese grundsätzlich eher “sachorientiert”, wenig Belletristik, wie es hier der Fall ist. Geholfen hat mir das historische Setting: Japan/Korea 1883 – 1989. In diese Zeit fällt neben den beiden Weltkriegen auch die Teilung Koreas. Aber wer vor allem an den historischen Aspekten interessiert, ist wird von dem Buch vermutlich eher enttäuscht. Im Mittelpunkt des Buches steht eine über mehrere Generationen erzählte Familien-Geschichte. Wundervoll einfühlsam geschrieben.


    Was war für mich besonders? Ich führe das Buch hier auf, weil es einen Moment gab, den ich fast nie beim Lesen habe, dass es zu einer Wendung kommt, die eine echte Gefühlsregung inklusive Tonlaut auslöst. Super Abend-Lektüre. Wer Geschichten mit zwischenmenschlicher Tiefe mag, wird bestimmt Freude haben und nebenbei noch das ein oder andere über diese Zeit lernen und auch den eigenen Wohlstand neu zu schätzen wissen – uns geht es echt gut.

  • Ein einfaches Leben erzählt die Geschichte von Sunja, einer koreanischen Einwanderin in Japan. Während sie in ihrer alten Heimat zwar arm, aber dennoch geachtet war, sind sie und ihre Familie in Japan Menschen zweiter Klasse. Während Sunja sich an ihr Schicksal gewöhnt hat, begehren ihre Söhne dagegen auf.


    Das Buch beginnt lange vor Sunjas Geburt mit der Geschichte ihres Vaters. Dieser Teil und Sunjas Jugend bis zu dem Zeitpunkt, als sie nach Japan geht, wird sehr ausführlich erzählt und hat mir gut gefallen. Aber sobald Sunja in Japan ankommt, erzählt die Autorin schneller. Hat der erste Teil farbig und mit vielen liebevollen Details erzählt gewirkt, wirkte der zweite Teil etwas hastiger und farbloser. Gerade bei den Charakteren und deren Motiven hat mir einiges gefehlt. Das fand ich schade, denn der Anfang hat mehr versprochen, als das Ende gehalten hat.

    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertungHalb: