Verlagstext
Eigentlich verbringt Lukas seine Nachmittage recht gern im Krielenburger Kinderhort. Doch dann liegen dort auf einmal Reißnägel auf den Stühlen, angeschlabberte Papierkügelchen fliegen durch die Gegend und sein Matheheft findet sich an einem Ort wieder, wo es nun wirklich nicht hingehört... Und das ist nur der Anfang. Denn der Junge, der hinter all dem steckt, heckt immer neue Gemeinheiten aus. Zum Glück hat Lukas gute Freunde, die mit ihm durch dick und dünn gehen. Gemeinsam schmieden sie einen ungewöhnlichen Plan, wie sie den Krielenburger Kinderhort von seinem "Dunklen Lord" befreien wollen... Eine ebenso heitere wie spannende Geschichte über Freundschaft, Zusammenhalt und Mobbing - empfohlen für junge Leser im Grundschulalter.
Der Autor
Andreas Langer ist gelernter Journalist und arbeitet als Redakteur und Werbetexter. Gemeinsam mit seiner Frau und seinen drei Kindern lebt er in einer beschaulichen kleinen Stadt in Bayerisch-Schwaben. Und eben jene Kinder sind wahrscheinlich auch der Grund dafür, dass er mittlerweile nicht nur über Geschehnisse in seiner Heimat schreibt, sondern auch das zu Papier bringt, was er sich in seiner Fantasie so alles zusammenspinnt: Heitere, originelle und spannende Geschichten für junge Leser.
Das Buch – handwerklich betrachtet
Auf „Der dunkle Lord vom Kinderhort“ wurde ich durch das optimistisch und zugleich unheimlich wirkende Buchcover aufmerksam. In freundlichen Farben sind vier sehr unterschiedliche Kinder abgebildet, eine weitere Person betritt gerade den Raum und ist nur halb zu sehen. Die Vierer-Gruppe blickt ernst, die Köpfe sind leicht gesenkt, die Münder verschlossen. Was vom dunklen Lord wohl zu befürchten ist?
Das einfach gelumbeckte Buch im Format 13x20cm hat einen gut lesbaren Rückentitel. Das ist wichtig, damit das Buch im Regal nicht nur wahrgenommen wird, wenn es mit dem Cover nach vorn präsentiert wird. Ein Buch mit Klebebindung bleibt leider nicht aufgeschlagen liegen, für einen ungeübten Leser ist das unbequem, der der gelesenen Zeile noch mit dem Finger folgt oder ein Lesezeichen darunter legt.
Bei einem Kinderbuch fragt man zuerst „Ist es spannend, ist es altersgerecht?“. Ebenso wichtig ist, dass das Schriftbild für ungeübte Leser leicht zu erfassen ist, um sie nicht bei ihren ersten Leseversuchen zu vergraulen. Außer kurzen Zeilen mit circa 40 Zeichen, die das Zurückwandern der Augen zum Anfang der folgenden Zeile erleichtern, zeigt sich dieses BoD-Taschenbuch leserunfreundlich. Der Text ist im Flattersatz gesetzt, d. h. die Enden der Zeilen stehen am rechten Textrand nicht bündig in einer Linie untereinander, längere Wörter sind nicht durch Trennstrich getrennt, sondern komplett in die folgende Zeile gesetzt. Das Schriftbild wirkt unruhig, ausgefranst, löcherig. Der Textsatz ist nicht fehlerfrei. Bei allen Kombination a+Buchstabe wirkt der Abstand zwischen den Buchstaben subjektiv zu groß (Unterschneidung fehlt). Besonders unschön wirkt das im Wort Tarantel. Die Lücke stört unsere Sehgewohnheiten, sie strengt selbst geübte Leser an. Im Text gibt es keine weiteren Illustrationen, für eine Zielgruppe ab 8 wären zwischen den Kapiteln ein paar kleine Skizzen (Reißzwecke) eine Auflockerung.
Alterseinstufung
Verwirrend fand ich die sehr weite Alterseinstufung von 8-12 Jahren (auf der amazon-Seite), ebenso die vage Empfehlung „für Grundschüler“. Ein Buch, das sehr junge, ungeübte/unmotivierte Leser nicht überfordert und 12jährige erfahrene Leser dennoch nicht langweilt, schreibt sich nicht so leicht. Die kindliche Entwicklung und die Lesekompetenzen von Schülern erfordern eine feinere Unterscheidung, z. B. 8-10 oder 10-12. Nachdem ich das Buch gelesen habe, würde ich es als Kindergeschichte mit Krimi-Elementen einstufen, die durch die Kürze des Texts stark vereinfachen muss. Da die Zielgruppe eines Kinderbuchs mindestens gleichaltrig mit den handelnden Figuren sein soll, besser jünger, empfehle ich es für 8-9 jährige Leser. Dass 12-Jährige von Problemen 10-Jähriger lesen wollen, die sie selbst hinter sich haben, kommt vor, ist jedoch eher Ausnahme. Für 12-jährige (Mädchen) sollten Identifikationsmöglichkeiten mit 13-14 jährigen Protagonisten geboten werden, z. B. ein Love-Interest in Person eines Praktikanten oder älteren Bruder eines Kindes.
Inhalt
Lukas, Jakub, Selim und Gabriele gehen gemeinsam in eine 4. Klasse und nach der Schule in die selbe Hortgruppe. Der Focus der Erzählung liegt anfangs auf Lukas, dem ein noch Unbekannter eine Reißzwecke auf den Stuhl gelegt hat. Der Unbekannte hat es offenbar nicht auf eine Einzelperson, sondern auf alle 4 Kinder abgesehen und steigert seine Übergriffe zunehmend. Die Betroffenen haben schnell einen Verdacht, wollen sich in der Folge jedoch ohne Hilfe Erwachsener mit ihrem Peiniger direkt auseinandersetzen. Es kommt zu gefährlichen Situationen, der Moment, sich Hilfe Erwachsener zu holen, scheint verpasst.
Solange unklar ist, wer die Zielperson der Schikanen ist, wirkt das Szenario geheimnisvoll. Jemand fordert offenbar Lukas heraus oder sucht Kontakt. "Was sich liebt, das neckt sich" ist ja nicht auf Mädchen gegen Jungen beschränkt. Da aufgrund der weiten Alterseinstufung für mich zunächst offen war, ob ältere Jugendliche in der Handlung vorkommen, habe ich an einen Jugendlichen (z. B. aus der Hauptschule) gedacht, der Kontakt zu jüngeren Schülern sucht oder sich in Gabriele verguckt hat. Denkbar wäre auch ein Kind im Hort, das seine Impulse schwer steuern kann und auch sonst dummes Zeug anstellt. Die ernsten/bedrückten Gesichter der Betroffenen würden der erfahrenen Hortleiterin Frau Matz doch sicher auffallen oder ein Kind, das schwer Anschluss findet.
Figuren, Rollen und Klischees
Im Mittelteil präsentiert der Plot nahezu jedes vorstellbare Klischee. Die Kinder sind in eine Provinzposse mit Bürgermeister, Unternehmer-Vater und einer Hortleiterin geraten, die dem Problem zunächst ohne fachlichen Rückhalt gegenüberzustehen scheint. Vom (körperlich) „kleinen“ Schüler, dem schwierigen Einzelkind, dem reichen, rücksichtslosen Unternehmer bis zur strengen, grauhaarigen, unprofessionell aus der Rolle fallenden Erzieherin mit Brille wird alles geboten. Frau Matz pädagogischer Instinkt wirkt noch sehr entwicklungsbedürftig... Dass Erwachsene hilflos, unbeherrscht und in ihrer Berufsrolle sogar unprofessionell auftreten, kann für jüngere Kinder angstauslösend sein und sollte am Ende einer Geschichte aufgelöst werden. Fatal finde ich die Verknüpfung von rücksichtslosem, herablassendem Vater und verhaltensauffälligem Kind, anstatt normale Menschen mit Schwächen und Stärken zu zeigen. Ich würde jungen Lesern grade nicht vermitteln wollen, dass "böse" Väter "böse" Kinder haben, sondern mit ihnen gemeinsam die Motive ergründen wollen. Gute Kinderliteratur muss Klischees nicht verstärken, darf aber gern ein wenig am Lack kratzen …
Nachdem ich noch einmal nachgelesen habe, welche Vorschläge die einzelnen Kinder zur Problemlösung bringen, finde ich den Gruppenprozess sehr ausgeglichen, jedes Kind argumentiert und bringt im Lauf der Handlung Zweifel an den bisherigen Schlussfolgerungen vor. Die Viererbande hat mir in dieser Zusammensetzung sehr gut gefallen.
Mobbing?
In der Geschichte sehe ein auffälliges Kind in einer Außenseiterrolle (von dessen Erfahrungen in seiner Schulklasse wir nichts wissen) und eine Erzieherin mit geringen fachlichen Kompetenzen. Aus erwachsener Sicht wirken die Abläufe zwischen Frau Matz, dem Bürgermeister, dem Journalisten und Herrn Dunkel auf mich überzeichnet. Frau Matz selbst stellt ein Risiko für die Entstehung von Mobbingstrukturen dar, weil sie von einem intelligenten, skrupellosen "Täter" genarrt werden könnte. Die Hortleiterin sehe ich als das eigentliche Opfer eines Bodens, auf dem Mobbing gedeihen kann, weil professionelle Unterstützung fehlt. Generell würde ich den Begriff ungern inflationär verwenden.
Sprache
Im Kinderbuch möchte ich außerhalb von spontanen Dialogen und persönlichen Gedanken der Figuren korrektes Schriftdeutsch der Erzählerstimme lesen. Das schreibe ich aus der Perspektive ehrenamtlicher Leseförderung, wo Lesepaten und Nachhilfelehrer ihren Schützlingen nicht zusätzliche Probleme aufhalsen möchten zu den sowieso schon vorhandenen. (ich bin/habe gesessen, gestanden, gelegen; Genitivschwäche).
Botschaft
Als Botschaft des Buches könnte ich mir vorstellen, dass Kinder und Lehrer stärker auf andere achten und niemanden zurücklassen sollten. Die verzwickten mobbingfördernden Strukturen werden in der Geschichte zwar älteren Schülern und Erwachsenen deutlich, ob das auch bei 8-jährigen klappt, muss sich zeigen.
Fazit
Andreas Langer legt mit „Der dunkle Lord vom Kinderhort“ eine spannende Kindergeschichte für 8-9jährige Leser vor, in der eine Gruppe 10-Jähriger ein Problem allein lösen will, das sich als komplizierter zeigt als anfangs angenommen. Den Hort als Schauplatz außerhalb der gewohnten Schul-Regeln finde ich für das Abenteuer gut gewählt. Typografische Mängel, fehlerhafte Schriftsprache, eine unrealistische Altersempfehlung, die Häufung von Klischees, für sehr junge Leser evtl. angsterregende Szenen und weniger glaubwürdige Abläufe sind mir für eine kurze Geschichte von 180 Seiten jedoch zu viel. Außerhalb der Familie, für Multiplikatoren und ehrenamtliche Vorlesepaten, empfehle ich das Buch aus og. Gründen nicht, weil es zu viel Vorbereitungszeit erfordert, um zu klären, ob es für die eigene Zielgruppe passt.