Joseph Zoderer – Die Walsche

  • Original : Deutsch, 1982


    INHALT :

    Olga hat vor Jahren ihr Bergbauerndorf in Südtirol verlassen und lebt mit einem Italiener, einem « Walschen » wie es abschätzig heißt, in der Stadt. Als sie zur Beerdigung ihres Vaters in ihren Geburtsort zurückkehrt, fühlt sie sich wie eine Heimatverräterin abgelehnt. Hier, aber auch unter den italienischen Freunden in der Stadt, ist sie eine Fremde, die zwischen zwei Welten ihre Identität finden muss. « Die Walsche », verfilmt und als Bühnenstück aufgeführt, ist eine Geschichte von Fremdheit und Entfremdung, die bis heute nichts von ihrer eindringlichen Aktualität verloren hat.

    (Quelle: amaz.)


    BEMERKUNGEN :

    Die in der Erzähl-Jetztzeit 36 Jahre alte Olga ist unverheiratet, aber schon seit Langem mit Silvano, einem Italiener, liiert. Zusammen leben sie in der Stadt: Glaubte sie, dort « sicher » zu sein vor Ausgrenzung ? Aber sowohl Italiener als auch die Deutschsprachigen Südtiroler sind von ihren Zugehörigkeiten geprägt. Und Olga bleibt hier und da eine Fremde. Nun kehrt sie kurz in das Heimatdorf zurück : Ihr Vater ist gestorben und es ist der Anlaß, über die Vergangenheit zu sinnieren. Da ist der Vater als Dorfschullehrer, so lange geachtet von Olga, dann aber abbauend, durch Alkoholismus…, und daran letztlich auch sterbend. In der Jugend war sie dann mit der Mutter weggezogen in die Stadt. Diese hielt es nicht mehr aus, und doch hatte der Vater noch etwas manchmal so umwerfend Lebendiges damals gehabt. Heimat wird hier aber als Enge erlebt. Auch als seltsam zelebriertes Relikt aus der noch nicht so lange zurückliegenden Nazizeit, bzw dem Mussoliniregime. Olga ist ja quasi am Ausgang des II.Weltkrieges geboren, wenn man das zeitlich so verorten darf. In dem Licht erscheint die Südtiroler zelebrierte Allheilwelt bei Zoderer, dem Meraner, unter kritischem Licht. Ja, am Ende gibt es ein nahezu apokalyptisches « Furioso »...


    Das Buch und der Stil besticht durch die einerseits fast nüchterne Art, dann aber auch die präzisen Beschreibungen von Beziehungen (Vater-Olga ; Mutter-Olga ; Silvano-Olga), dem « Mief » des Zusammenlebens bzw der Ausgrenzungen und der Gefühlswelten.


    Ob die so « klein-kleine Welt Südtirols » mit den unterschwelligen Konflikten zwischen Italienern und « Deutschen » heute so noch gilt weiß ich nicht, aber die Befindlichkeit, als Fremder zu leben und nirgendwo mehr heimisch zu sein : ja, das bleibt aktuell für sie viele Menschen. Ja, ist sogar noch aktueller geworden durch zB die Migrantengegebenheit.


    Den Autor will ich mir merken.


    AUTOR :

    Joseph Zoderer (* 25. November 1935 in Meran) ist ein Schriftsteller aus Südtirol. Seine ersten Lebensjahre verbrachte er in Südtirol. Im Zuge der Option in Südtirol zog die Familie 1940 nach Graz, wo Joseph Zoderer seine Kindheit verbrachte. 1948 wurde der mittlerweile 13-jährige Schüler am Gymnasium in Widnau (Schweiz).


    Als seine Familie 1949 wieder in die Heimat zurückkehrte, begleitete Zoderer sie nicht. Er besuchte das Widnauer Gymnasium weitere drei Jahre, bevor er nach Südtirol zurückkehrte. Dort folgten Aufenthalte in verschiedenen Oberschulen. Schließlich maturierte Zoderer 1957 in Meran.


    Von 1957 bis 1963 studierte Zoderer Jura, Philosophie, Theaterwissenschaften und Psychologie an der Universität in Wien, brach diese Studien jedoch wieder ab. Zeitgleich war er als Journalist für den Kurier, die Kronen Zeitung und Die Presse tätig. Ende der 1950er Jahre erschienen erste Lyrik- und Kurzprosaveröffentlichungen Zoderers. Die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit wurde dem Südtiroler erstmals 1974 mit einer Sammlung sozialkritischer Dialektdichtung zuteil. Sein offizielles Debüt als Romanautor feierte er 1976 mit Das Glück beim Händewaschen, obwohl nach Angaben Zoderers Der andere Hügel (1995 veröffentlicht) sein erster Roman ist. Nach der Teilnahme an den Österreichischen Jugendkulturwochen 1965 und 1969 begann sich Zoderer verstärkt literarisch zu betätigen. 1970 bereiste er Kanada, die USA und Mexiko. 1971 wurde Zoderer Rundfunkredakteur beim Rai Sender Bozen, bevor er sich 1981 für ein Leben als freier Schriftsteller entschied.


    Von 1981 bis 1982 war Zoderer mitbegründendes Mitglied der Südtiroler Autorenvereinigung, seither gehört er der Grazer Autorenversammlung an. Weiter ist der Südtiroler Schriftsteller seit 1993 korrespondierendes Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt.


    Joseph Zoderer lebte jahrelang in Terenten im Pustertal, ist aber inzwischen in Bruneck wohnhaft.

    (Quelle : wikipedia)


    Taschenbuch: 120 Seiten

    Verlag: Haymon Verlag; Auflage: 3 (15. November 2012)

    Sprache: Deutsch

    ISBN-10: 9783852189307

    ISBN-13: 978-3852189307

    ASIN: 3852189306

  • Vielen Dank für die schöne Rezension und dadurch auch den Hinweis auf einen mir bislang unbekannten Autor.

    Du fragtest, ob es auch heute noch unterschwellige Konflikte gäbe zwischen Italienern und Deutschen in Südtirol - oder meintest Du eher deutschsprachige Südtiroler? Das erinnerte mich an den Vorschlag Österreichs vor einem Jahr, diesen deutschsprachigen Italienern den österreichischen Pass anzubieten (Doppelbprger). Dass die Gegend seit 1918 zu Italien gehört, haben rechtskonservative Kreise nie überwunden und alle paar Jahre gibt es entsprechende Konflikte, Vorstösse, etc. In diesem Sinne denke ich, ist der Text wohl auch im „engeren Rahmen Südtirol“ noch aktuell.

    Ich werde mir das Buch mal merken, das interessiert mich nun doch sehr!

  • Ich werde mir das Buch mal merken, das interessiert mich nun doch sehr!

    Geht mir auch so. Danke für die Vorstellung des Buches tom leo !


    Edit: Eine äußerst günstige Ausgabe entdeckt und direkt bestellt.

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  • Danke für die positiven Feedbacks!

    Du fragtest, ob es auch heute noch unterschwellige Konflikte gäbe zwischen Italienern und Deutschen in Südtirol - oder meintest Du eher deutschsprachige Südtiroler? Das erinnerte mich an den Vorschlag Österreichs vor einem Jahr, diesen deutschsprachigen Italienern den österreichischen Pass anzubieten (Doppelbprger). Dass die Gegend seit 1918 zu Italien gehört, haben rechtskonservative Kreise nie überwunden und alle paar Jahre gibt es entsprechende Konflikte, Vorstösse, etc. In diesem Sinne denke ich, ist der Text wohl auch im „engeren Rahmen Südtirol“ noch aktuell.

    Ja, Deine Anfrage ist berechtigt, da ich mich unbeholfen ausdrückte: natürlich geht es um deutschsprachige Südtiroler. Deine Anmerkungen gehen in eine hilfreiche Richtung - danke! Manches wird auch direkt so angesprochen im Buch; wie zB die "Freude" der deutschsprachigen Südtiroler als sie es den "Italienern zeigen durften... etc Dann der dauernde unterschwellige Zwist. Verzwickt.


    Und das auf Hintergrund von "Heimatgegröhle" der schrecklichsten Art. Was muss Zoderer da wohl selber erlebt haben?

  • Das ist jetzt nur ein vager Eindruck meinerseits, beruhend auf gerade mal 3 Urlaube in Südtirol. Die Südtiroler sehen sich schon als recht eigenständig. Preisfrage wäre natürlich wie eine Trennung aussehen könnte. Je nachdem wo man sich gerade befindet hat man schon das Gefühl, dass es unterschwellig brodelt. Aber dann gibt es wieder Orte bei denen dieses "Multi-Kulti-Feeling" einen unglaublichen Reiz ausmacht. Und man nicht gerade das Gefühl hat, dass die Einheimischen unglücklich über ihre Möglichkeiten wären. Schwierig mehr zu sagen, da müsste man längeren Kontakt als gerade mal 2 Wochen mit Einheimischen haben. :wink: Aber interessant, beim nächsten Urlaub werde ich noch aufmerksamer hinhören bzw. hinsehen.

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  • Danke für die wie immer sehr schöne Rezension, wiederum ein Autor den ich mir merken möchte.

    Ob die so « klein-kleine Welt Südtirols » mit den unterschwelligen Konflikten zwischen Italienern und « Deutschen » heute so noch gilt weiß ich nicht, aber die Befindlichkeit, als Fremder zu leben und nirgendwo mehr heimisch zu sein : ja, das bleibt aktuell für sie viele Menschen. Ja, ist sogar noch aktueller geworden durch zB die Migrantengegebenheit.

    Da kann ich dir sagen, ja dieser Konflikt ist da, man liest die entsprechenden Medienberichte und merkt, am liebsten würde sich der Südtirol von Italien loslösen. (Es wird ganz wenig politisch) Besonders unruhig war es mit der vorherigen Regierung. Vielleicht beruhigt sich die Sache wieder nach dem Wechsel.


    Es gibt ein interessantes Interview mit Joseph Zoderer Italienisch ist nur der Pass

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter

  • Danke für die weiteren Reaktionen, auch dann den verlinkten, sehr interessanten Artikel, der meine Eindrücke bestätigt, bzw präzisiert.


    Ich bewahrte in meinem Hinterkopf stets die Berichte von Urlauben meiner Eltern, oder auch anderer Menschen. Südtirol erschien unter nahezu paradiesischem Licht, allein landschaftsmäßig. Im Buch wird einiges ganz schön angekratzt, nicht einfach bösartig, aber doch klarsichtig.


    Manches "Klischee" wird gepflegt, so Zoderer, um Touristen anzuziehen. Die meisten ehemaligen Scheunen dienen, nun umgebaut, zur Beherbergung von Gästen. Und zu Feiertagen zieht man eine "Show" ab? Inszenierte Heimeligkeit?