Ulrich Alexander Boschwitz - Menschen neben dem Leben / Människor utanför

  • Wer verstehen will, wie es dazu kam, dass Millionen Deutsche Anfang der 1930er Jahre den Nationalsozialist_innen folgten und ihnen damit den Weg zur Macht ebneten kommt nicht umhin, sich auch mit der Situation der Arbeitslosen, Obdachlosen und Abgehängten in den letzten Jahren der Weimarer Republik zu beschäftigen. Hierzu gibt es schon viele Untersuchungen, Sachbücher und auch Romane, das Buch "Menschen neben dem Leben" hebt sich von anderen Berichten aber dadurch ab, dass es während dieser Jahre von einem Augenzeugen geschrieben wurde und dieser den einfachen Menschen im wahrsten Sinne des Wortes aufs Maul schaut.

    Die Leser_innen lernen als Charaktere Obdachlose, Kleinkriminelle, Zuhälter, Prostituierte, Traumatisierte, Kriegsversehrte und Geschäftemacher kennen und dürfen durch den Augen an ihren Alltag teilnehmen, der allzu oft vom Kampf ums Überleben geprägt ist. Sie erleben deren Ängste, Freuden, Glücksmomente und auch tiefste Abgründe.

    Auch wenn die politische Entwicklung nur wenig angesprochen wird, kann es gerade durch das Miterleben des Alltags der "einfachen" Menschen zu einem Verständnis für deren Nöte kommen, die dann von den Nationalsozialist_innen treffend instrumentalisiert werden konnten.

    Ein sehr wichtiges Buch gerade in Zeiten, wo offen faschistische Parteien von Wahlerfolg zu Wahlerfolg zu eilen scheinen.

  • Danke für deine Rezension und dafür, einen derart vergessenen, aber wichtigen Roman hier vorzustellen. Da mir der Autor unbekannt ist und ich davon ausgehe, dass es vielen so geht, hier noch die Informationen zu ihm, die man bei Amazon findet:

    Zitat von Amazon

    Ulrich Alexander Boschwitz, Autor des Erfolgsromans »Der Reisende«, emigrierte 1935 gemeinsam mit seiner Mutter zunächst nach Skandinavien, wo sein erster Roman, »Menschen neben dem Leben«, erschien. Der Erfolg ermöglichte ihm ein Studium an der Pariser Sorbonne. Kurz vor Kriegsbeginn wurde Boschwitz in England trotz seines jüdischen Hintergrunds als »enemy alien« interniert und nach Australien gebracht, wo er bis 1942 in einem Camp lebte. Auf der Rückreise wurde sein Schiff von einem deutschen U-Boot torpediert und ging unter. Boschwitz starb im Alter von 27 Jahren, sein letztes Manuskript sank wohl mit ihm.

  • Das Buch wurde zuerst in schwedischer Sprache geschrieben und unter dem Titel: Människor utanför - herausgegeben, leider konnte ich dazu kein Cover finden.

    Und worum geht es in dem Buch:

    Leicht haben es die Protagonisten in Ulrich Alexander Boschwitz’ Debütroman nicht. Sie sind die wahren Verlierer der Wirtschaftskrise: Kriegsheimkehrer, Bettler, Prostituierte, Verrückte. Doch abends zieht es sie alle in den Fröhlichen Waidmann. Die einen zum Trinken, die anderen zu Musik und Tanz. Sie treibt die Sehnsucht nach ein paar sorglosen Stunden, bevor sich der graue Alltag am nächsten Morgen wieder erhebt. Doch dann tanzt die Frau des blinden Sonnenbergs mit einem Mal mit Grissmann, der sich im Waidmann eine Frau angeln will und den Jähzorn des gehörnten Ehemanns unterschätzt. Und so nimmt das Verhängnis im Fröhlichen Waidmann seinen Lauf, bis sich neue Liebschaften gefunden haben, genügend Bier und Pfefferminzschnaps ausgeschenkt wurde und der nächste Morgen graut. Wie durch ein Brennglas seziert der zu diesem Zeitpunkt gerade mal zweiundzwanzigjährige Autor das Berliner Lumpenproletariat der Zwischenkriegsjahre.

    :study: Ich bin alt genug, um zu tun, was ich will und jung genug, um daran Spaß zu haben. :totlach: na ja schön langsam nicht mehr :puker:

  • Die Weltwirtschaftskrise und die Menschen

    Dieses Buch ist seit einiger Zeit mal etwas ganz anderes: Die vorgestellten Charaktere sind Menschen, die heute als Randgesellschaft gelten würden - zur dargestellten Zeit aber, dem Berlin der 1920/30-er Jahre, einen Gutteil der Bevölkerung ausmachten. Es ist die Zeit der Weltwirtschaftskrise, jeder muss um das tägliche Überleben kämpfen, so auch die Protagonisten:


    Da ist der Bettler Fundholz und sein geistig eingeschränkter Begleiter Tönnchen, die sich ihren Lebensunterhalt erbetteln müssen. Fundholz geht bei der Auswahl seiner "Geldgeber" äußerst psychologisch vor und kennt sein Klientel genau. Beide werden vom gerade frisch entlassenen und frustrierten Grissmann angesprochen, der ebenso wie sein Umfeld die fortschreitende Industrialisierung und Automatisierung der Gesellschaft verflucht.


    Dann ist da noch der im Krieg erblindete Sonnenberg, immer schon ein gewalttätiger Choleriker, den seine Erblindung aber noch grausamer gemacht hat und der seinen Zorn regelmäßig an seiner Frau auslässt - physisch und psychisch...


    Und schließlich noch ein "gefallenes" Mädchen und eine traumatisierte Witwe, die den festen Glauben hat, dass ihr Mann zurückkehren wird.


    Durch die Auswahl der vorgestellten Charaktere - Prostituierte, Arbeits- oder Obdachlose, Kriegsversehrte und geistig Eingeschränkte sowie die Schilderung ihrer individuellen Schicksale und ihres Umgangs mit ihrer Situation, vermittelt Ulrich Alexander Boschwitz sehr viel eindringlicher als jede Dokumentation ein realistisches und authentisches Bild dieser Zeit. Sie alle hat die Wirtschaftskrise hart getroffen und sie alle versuchen das beste aus ihrer Situation zu machen - manche kämpfen noch, manche stumpfen immer weiter ab.


    Man fühlt sich regelrecht zurückversetzt in jene Zeit und ist gleichzeitig froh, dass es nicht so ist - angesichts der eingeschränkten sozialen Mechanismen, der Armut und Verrohung sowie des täglichen Überlebenskampfes. Eine lohnenswerte Lektüre, die nachdenklich macht und mir noch lange im Gedächtnis bleiben wird.

  • Menschen neben dem Leben

    von Ulrich Alexander Boschwitz

    ‚Wie konnte das passieren?‘ - eine Frage, die sich die Generationen nach 1945 gestellt haben. Im Buch von Ulrich Alexander Boschwitz finden sich Antworten. Es wird nachvollziehbar, wenn Menschen am Abgrund stehen, ohne Perspektive, ohne einen der Funken der Hoffnung, dass sich die Situation ändern könnte. Einzig der Gedanke zu überleben zählt und hier findet jeder seine ganz eigene Strategie.


    In ‚Menschen neben dem Leben‘ wird die Leserin von der ersten bis zur letzten Seite mitgenommen in das Berlin der Zwanzigerjahre. Das emotionale Teilhaben an Leid und Selbstaufgabe, an Überlebensstrategien und dem kleinen, kurzen Glück im Gasthof ‚Der fröhliche Waidmann‘ berührt. Jeder der Protagonisten sucht seinen Weg, als Krimineller, Prostituierte, Bettler, Zuhälter, Gastwirt, es bilden sich Zwangsgemeinschaften und der Gedanke einer, wenn auch noch so kleinen Situationsverbesserung, hält die Menschen am Leben. Kontinuierlich bewegt sich die Geschichte auf die unvermeidliche Eskalation zu. In den Strudel der Ereignisse geraten zudem Prostituierte und eine Kriegswitwe, die sich weigert zu glauben, dass ihr Mann gefallen ist. Sie ist von einer Verschwörungstheorie überzeugt und gibt die Hoffnung an ein Wiedersehen mit ihrem Mann nicht auf.


    Ich habe bereits ‚Der Reisende‘ vom Autor gelesen und war beeindruckt. Auch in Menschen neben dem Leben gelingt es ihm deutlich zu machen, was neben den grossen Schauplätzen geschah. Kleine Leute mit grossen Sorgen. Die politische Situation wird kaum angesprochen, dennoch wird nachvollziehbar, dass einem, der Abhilfe verspricht, Brot und Arbeit für alle, nur allzugern Glauben geschenkt wird. Armut, Arbeitslosigkeit, Hoffnungslosigkeit,


    Mein Fazit: Es ist ein wichtiges Buch, gerade in einer Zeit, in der rechtes bis rechtsradikales Gedankengut wieder einen Platz in der Gesellschaft findet. Alle die zurückschauen und entsetzt sind, sich fragen ‚Wie war so etwas möglich?‘ sollten vielleicht in der Gegenwart schauen, wie wir es schaffen, dass so etwas nicht wieder möglich wird.

  • Was hätte dieser Mann noch alles schreiben können...


    In diesem Roman wird das Leben verschiedener Protagonisten im Berlin der 20er Jahre beschrieben. Der Gemüsehändler Schreiber, der einen Nebenkeller an 2 Arbeitslose für 1,50 Mark die Woche als Schlafplatz vermietet; die Arbeitslosen Fundholz und Tönnchen, die sich ihren Lebensunterhalt erbetteln müssen und schließlich den jungen Arbeitslosen Grissmann.

    Grissmann lebt am Rande zur Illegalität, denn seine Gedanken kreisen ständig um evtl. Chancen, zu Geld zu kommen. An anderer Leute Geld, versteht sich, durchaus auch mittels Einbruch, Raub oder Erpressung.

    Fundholz hingegen hat sich mit seiner desolaten Lage abgefunden. Er träumt schon länger nicht mehr davon, aus dieser prekären Situation heraus zu finden, sondern fristet sein Leben mit Betteleien. Als ob er nicht schon wenig genug hätte, füttert er auch noch Tönnchen mit durch, der durch eine psychische Beeinträchtigung nicht mehr für sich sorgen kann.

    Es gibt noch so einige Mitwirkende, die ebenfalls ihr Päckchen zu tragen haben und für den Handlungsverlauf interessant sind. Trotz ihres trüben Tagesablaufs zieht es sie abends in den Fröhlichen Waidmann, um bei Pfefferminzschnaps, Musik und Tanz dem grauen Alltag für wenige Stunden zu entfliehen, was nicht immer reibungslos vonstatten geht.

    Trotz aller Entbehrungen und Tiefschläge bleibt letztlich dennoch ein Hoffnungsschimmer in den Köpfen der Protagonisten, dass es irgendwann ja auch wieder bergauf gehen muss.



    Ähnlich wie das bereits zuvor erschienene Buch "Der Reisende" hat mich sein Erstwerk "Menschen neben dem Leben" begeistert. Erzählt wird aus der dritten Person und das so gekonnt, dass ich immer wieder verwundert war, dass man einen solchen Schriftsteller so lange ignorieren konnte in Deutschland. Man ist innerhalb einer Seite in der grauen Zeit der Weltwirtschaftskrise und spürt förmlich die weitgehend vorhandene Hoffnungslosigkeit der Menschen. Boschwitz verrät uns die Gedankengänge der Protagonisten, als ob er selbst bereits in ähnlichen Situationen gewesen wäre. Aus verschiedenen Blickwinkeln erzählt steuert alles auf einen Showdown im Waidmann hin, wo die Ereignisse sich quasi überschlagen.



    Boschwitz Sprache hat absolut nichts antiquiertes an sich sondern könnte auch vor wenigen Jahren niedergeschrieben worden sein. An einigen Stellen war der Text sogar hochaktuell - bspw. wenn er von der Umweltbelastung des starken Verkehrs auf Berlins Straßen berichtet.

    Dass ein so junger Mensch einen solch tiefen Blick auf die Gesellschaft werfen und dann auch noch derart eindrucksvoll formulieren kann, ist in meinen Augen herausragend. Als ob er gewusst hätte, dass ihm nicht viel Zeit zum schreiben vergönnt sein würde.

    Was hätte dieser Mann noch alles schreiben können....


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Vor einiger Zeit wurde der Roman „Der Reisende“ von Ulrich Alexander Boschwitz wiederentdeckt, den der Autor im Jahr 1938 veröffentlichte. Da mich die Geschichte gepackt hatte, war es klar, dass ich auch dieses Buch lesen wollte. Es wurde 1937 in Schweden veröffentlicht.

    Im Berlin des Jahres 1920 ist das Leben nicht ganz einfach. Anhand von verschiedenen Personen erzählt der Autor, wie schwierig das Leben ist. Das sind die Armen, die auf der Straße leben, Kriegsheimkehrer, die unter dem Erlebten leiden, und viele andere, denen es dreckig geht. Doch es gibt auch das Berlin, wo man ausgelassen feiert und alles andere vergessen will. Der beschwerliche Alltag kommt schnell genug zurück. Manche wissen sich geschickt durchzuschlagen, anderen können kaum überleben. Die zunehmende Automatisierung der Arbeit macht für diese Menschen die Zukunftsaussichten nur noch trister. Diese Not sorgt für Spannungen in der Gesellschaft, denn wenn man nichts hat, neidet man jedes bisschen den anderen, die ein wenig mehr haben.

    Das Buch bietet keine spannenden oder überraschenden Wendungen, es schildert einfach das Leben der Menschen in jener Zeit. Die Personen sind authentisch beschrieben und viele Schicksale sind einfach tragisch.

    Ich habe dieses interessante und sehr authentische Zeitdokument gerne gelesen

  • K.-G. Beck-Ewe

    Hat den Titel des Themas von „Ulrich Alexander Boschwitz: Menschen neben dem Leben“ zu „Ulrich Alexander Boschwitz - Menschen neben dem Leben / Människor utanför“ geändert.
  • Tell it like it is ... … selten kam mir ein Satz wahrer vor als nach Beendigung dieses erstaunlichen Romans, der wohl die Wiederentdeckung des Jahres schlechthin ist. Der auf tragische Weise bei einem Torpedoangriff verstorbene Autor Ulrich Alexander Boschwitz muss bereits in sehr jungen Jahren eine ganz wunderbare Beobachtungsgabe gehabt haben und wird sich zudem einiges an Wissen angelesen haben. Man fühlt sich beim Lesen fast als säße man selbst mit auf der Parkbank mit dem zurückgebliebenen Tönnchen und dem Obdachlosen Fundholz, ja als flirte und tanzte man selbst mit dem Kleinkriminellen und Arbeitslosen Grissmann im „Fröhlichen Waidmann“, wo das Unheil schließlich seinen Lauf nimmt. Hier gibt es keine Augenwischerei. Boschwitz schildert das Leben der jungen Männer ohne Perspektiven, der versehrten Kriegsheimkehrer, der übrig gebliebenen Witwen und der schwer arbeitenden Prostituierten wie er es gesehen hatte, wie es war in den späten zwanziger Jahren in Berlin. Der Schreibstil beschreibt auf anschauliche Weise das Leben der „Menschen neben dem Leben“ … wie gut habe ich es doch dagegen im Heute mit vollem Kühlschrank und warmer Wohnung. Boschwitz öffnet einem beim Lesen die Augen und fordert schon fast dazu auf, mal wieder aufmerksamer durch die Straßen zu gehen. Nicht allen geht es wie mir. Ich freue mich schon sehr auf den zweiten „geretteten“ Roman des Autors mit dem Titel „Der Reisende“. Ihr ahnt es, er liegt bereits auf meinem SUB ;)

  • Episoden voller Entbehrungen und Emotionen


    Der jung verstorbene Ulrich Alexander Boschwitz skizziert hier anhand mehrerer Charaktere das Bild bestimmter Bevölkerungsschichten aus dem Berlin der Zwischenkriegszeit. Sie alle stehen in gewisser Hinsicht “neben dem Leben” - neben dem der gut situierten oder der über alle Zweifel erhabenen.


    In unterschiedlichen Szenen begegnet der Leser Emil Fundholz, der betteln geht um Nahrung und Unterkunft zu haben; Tönnchen, einem leicht zurückgebliebenen Mann, der Fundholz’ Begleiter und von ihm abhängig ist; Grissmann, der Einbrüche dem Betteln vorzieht; Frau Fliebusch, die sich in ihre eigene Welt zurückgezogen hat; Minchen, die zwar deutlich mehr Geld hat als die anderen, dieses aber in der Waagrechten verdient - und vielen mehr.


    Es sind teils komische, dann wieder sehr ernste und auch gefährliche Episoden die wir mit den Protagonisten erleben und die zeigen wie viel sie entbehren mussten, mit wie wenig sie auskamen und dass manche für uns alltägliche Dinge damals einfach unerreichbar waren.


    Auch wenn die Abschnitte grundsätzlich chronologisch verlaufen, auch innerhalb der einzelnen Handlungsstränge der Figuren, sind sie doch keine so komplett zusammenhängende Geschichte wie man vermuten könnte. Am Ende aber lässt Boschwitz einige Charaktere aufeinanderprallen und sein Finale explodiert förmlich in einem Strudel an Emotionen. Das war auch das Einzige, wovon die Leute damals (zu) viel hatten und das nichts kostete.


    Wer eine stringente, noch stärker berührende Geschichte lesen will, die sich auf einen Hauptcharakter konzentriert, dem sei “Der Reisende” ans Herz gelegt.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Für Leser historischer Romane gibt es nichts besseres als die Wahrheit. Der Blick in die Geschichte ist so faszinierend, weil man das Leben anderer Menschen, anderer Gesellschaften und Zeiten aus deren Sicht erleben kann. Der Roman führt den Leser in das historische Berlin der Zeit zwischen den Weltkriegen. Die Zeit war hart, das Leben viel härter. Der Roman ist erschreckend aktuell, denn die Probleme der heutigen Zeit sind nicht großartig anders als damals. Der Autor zeichnet ein klares Bild davon, wie es sich anfühlte, im Berlin dieser Zeit zu leben: zwischen Armut, Kriminalität, Erfindergeist, um sich das Nötigste zu erhalten, und die nackte Angst vor dem Erfrieren. Der Leser lernt plastische Charaktere voller Träume und Vorstellungen davon kennen, wie das Leben sein könnte. Dabei ist gerade die drastische Darstellung der Lebensumstände sehr erfrischend. Genauso schnell, wie es begann, ist es dann auch schon wieder vorbei - etwas zu schnell, mag man meinen. Daher nur 4 Sterne!


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    "Hab Vertrauen in den, der dich wirft, denn er liebt dich und wird vollkommen unerwartet auch der Fänger sein."
    Hape Kerkeling


    "Jemanden zu lieben bedeutet, ihn freizulassen. Denn wer liebt, kehrt zurück."
    Bettina Belitz - Scherbenmond


    http://www.lektorat-sprachgefuehl.de

  • Ich kann mich den Vorschreibern nur anschließen, es ist die Wiederentdeckung eines einmaligen Autoren und es ist unendlich schade, dass er so früh aus dem Leben gerissen wurde und damit wohl auch sein Werk unvollendet geblieben ist.

    Boschwitz‘ Zeitgemälde Berlins der 20er Jahre ist ein einmaliges Stück Literatur.

    Die Figuren seines Romans sind lebensecht und real, jede mit ihren größeren oder kleineren Fehlern, aber auch mit ihren eigenen tragischen Geschichten. Es gibt weder richtige Helden noch Bösewichte, sondern Menschen, die aus verschiedenen Gründen am Boden der Gesellschaft angekommen sind.

    Boschwitz gibt mit seinem Roman den Menschen, die aus der „normalen“ Gesellschaft herausgefallen sind eine Stimme und ein Gesicht.

    Der Roman hat meiner Meinung nach auch nichts an Aktualität eingebüßt. Auch heute werden Personen ausgegrenzt, die nicht der Norm entsprechen und allzu leicht geht man davon aus, das jeder, der am unteren Ende der Gesellschaft angekommen ist, das alleine zu verantworten hat.

  • "Walter Schreiber war ein gutmütiger Mensch" so beginnt der erste Satz des, aufgrund seiner jüdischen Herkunft, emigrierten Autors ULRICH ALEXANDER BOSCHWITZ. Er beschreibt sehr detailliert und bildhaft das Leben in Deutschland in den zwanziger Jahren. Nicht alles war einfach, und auch gerade für Männer war es eine harte Zeit. Armut, Kriegsheimkehrer und die Eindrücke der vergangenen Zeit, lassen die Menschen in ein Loch fallen. Aber nicht überall ist das Leben zum Erliegen gekommen. In Berlin zum Beispiel erwacht der Mut und die Zuversicht. All dieses wird anhand verschiedener Protagonisten sehr ausführlich vom Autor erklärt. Man sollte jedoch nicht annehmen, dass es sich um einen leichten Unterhaltungsroman handelt. Nein, dieser Roman braucht Zeit! Es sind die traumatischen und oft auch nur schlecht nachvollziehbaren Erlebnisse, die die Menschen prägen und man muss auch beim Lesen oftmals innehalten. Schnell wird deutlich, wie gut es uns heute geht. Krieg - ist weit weit weg. Hunger - der Kühlschrank ist immer gefüllt.


    Mich hat der Roman sehr berührt und auch nachdenklich gemacht. Vieles ist für uns heute selbstverständlich, aber ist es das wirklich? Welche Opfer mussten dafür gebracht werden, dass wir heute wieder in einer Wohlstandgesellschaft leben dürfen?


    Man sollte dieses Buch wirklich ohne Zeitdruck lesen und auch sich wirken lassen.