Madeline Miller - Ich bin Circe / Circe

  • Verlagstext:


    Circe ist Tochter des mächtigen Sonnengotts Helios und der Nymphe Perse, doch sie ist ganz anders als ihre göttlichen Geschwister. Ihre Stimme klingt wie die einer Sterblichen, sie hat einen schwierigen Charakter und ein unabhängiges Temperament; sie ist empfänglich für das Leid der Menschen und fühlt sich in deren Gesellschaft wohler als bei den Göttern. (...)

    Quelle: amazon.de

    --> Achtung: Aufgrund von Spoilern stark gekürzt!




    Meine Meinung:


    Madeline Miller hat mich mit ihrem wundervollen Roman komplett becirct. :lol:


    Schon der besondere Ort, an dem die Handlung einsetzt – der wasserdurchflutete, von Nymphen bevölkerte Palast des Titanen Okeanos – und seine Atmosphäre stellen ein ganz ungewöhnliches Setting dar und haben mich sofort gefangen genommen.


    Circe ist keine normale Nymphe. Was sie ist (und wofür es bei ihrer Geburt noch kein Wort gibt), wird zunächst nicht offengelegt. Stattdessen begegnet man einer jungen, rangniedrigen und nicht besonders wirkmächtigen, dennoch sensiblen und intelligenten Göttin mit gelben Augen und einer kratzig-schwächlichen Stimme, deren Mutter von Geburt an mit ihr unzufrieden ist und deren Vater ihr bestenfalls mit Gleichgültigkeit begegnet, ist sie doch nur eins von Dutzenden an Kindern. Dennoch sucht Circe lange nach der Nähe und dem Wohlwollen ihrer sie stets nur abweisenden und demütigenden Familie, bis sie zu verstehen beginnt, dass sie als Außenseiterin ihren eigenen Weg gehen muss. Aus der Begegnung mit Prometheus, einem – wenn auch ungleich mächtigeren – Seelenverwandten, der grausam bestraft wird, weil er den Sterblichen geholfen hat, schöpft sie erstmals die Kraft, sich von ihrem destruktiven Umfeld zu distanzieren. Doch auch Circe wird für ihren Ungehorsam und das Austesten ihrer Zauberkräfte büßen müssen…


    Mehr möchte ich über die Handlung jetzt nicht verraten und auch allen LeserInnen des Romans empfehlen, die eventuell vorhandenen eigenen Bildungslücken bezüglich der Götter- und Heldengeschichten des antiken Griechenlands nicht noch schnell bei Wikipedia zu schließen, sondern damit bis nach der Lektüre des Romans zu warten. Man würde sich, falls man nicht ohnehin schon ExpertIn für diese Themen ist, viel Spannung rauben. Außerdem ist es unnötig: die Autorin, von Haus aus Altphilologin, erweckt die griechischen Gottheiten und Helden gekonnter neu zum Leben, als das zumindest bei mir jedes Sachbuch vermocht hätte. Man begegnet olympischen und vorolympischen (Halb-)Gottheiten wie Helios, Athene, Medea, Hermes und Ariadne, menschlichen Helden wie Odysseus, Daidalos und Ikarus, um hier nur einige wichtige Namen zu nennen. Ich habe mich seit meiner frühen Jugend nicht mehr intensiv mit der antiken Götterwelt beschäftigt und viele Erinnerungen waren nebulös, doch Madeline Miller ist es meisterhaft gelungen, diesen Figuren wieder Seele und Charakter einzuhauchen. Dabei hält sie sich an die mythologischen Vorlagen, setzt aber ihre eigenen Schwerpunkte und Interpretationsrichtungen. Mit allen psychologischen Raffinessen werden die nicht immer ehrenhaften Figuren analysiert, dekonstruiert und dabei Götter- und Heldengeschichten neu zusammengesetzt. Besonders interessant fand ich die Perspektivwechsel: Eine Figur wie Circe, die sich in den mir aus meiner Kindheit und frühen Jugend bekannten Darstellungen nur am Rande des Geschehens bewegte oder eine gewisse Episode in der Geschichte eines berühmten Helden darstellte, steht nun im Mittelpunkt, und wer sonst die zentrale Figur von Heldengeschichten abgab, ist nun umgekehrt teilweise nur noch eine Episode wert.


    Wie hier das Geschehen in einem einzigen chronologischen Erzählstrang aus der Sicht der tief reflektierten und selbstkritischen Ich-Erzählerin Circe dargestellt wird, hat mir überaus gut gefallen. Ihren Gedanken, Emotionen und seelischen Höhenflügen wie Abgründen konnte ich mühelos folgen und ihre persönlichen Entwicklungen und biografischen Wendepunkte werden mit atemberaubender Spannung und Intensität dargeboten.


    Es geht aber in diesem Roman nicht nur um das Wesen und emanzipatorische Werden der kleinen Nymphe hin zur mächtigen Göttin Circe in einem ihr oft feindlich gesinnten Umfeld, auch wenn dies als „Entwicklungsroman“ an sich schon spannend genug gewesen wäre. Vielmehr wird hier die olympische und vorolympische Hackordnung als allgemein gültiges Spiegelbild menschlicher Gesellschaften und ihrer oft willkürlichen und hintergründig vernetzten Gewalten entfaltet. Die scharfen Beobachtungen und bis ins letzte egoistische Motiv sezierten Verhältnisse in der antiken (Halb-)Götterwelt laden immer wieder zum Nachdenken über aktuelle private wie gesellschaftspolitische Verhältnisse und Verstrickungen ein. Menschliche Begierden z.B. nach Aufmerksamkeit und Macht werden gnadenlos aufgedeckt, aber auch Ängste und Hoffnungen, Lust und Liebe, eigenes und fremdes Glück und (dafür) Loslassenmüssen, Treue und Verrat, die oft schwierigen Verhältnisse von Kindern und ihren Eltern und sehr, sehr viel Mut und Hoffnung finden ihren Ort in dieser Geschichte. Dass dabei, vor allem gegen Ende des Buches, Reflexionen über Göttlichkeit und Sterblichkeit einfließen, ist angesichts der ProtagonistInnen aus beiden Welten durchaus naheliegend und bot mir als Leserin einige Momente des Nachdenkens über das Wesen von Tod und ewigem Leben – und die Überschreitung der Grenzen zwischen beidem.


    Bei alledem ist der Roman flüssig geschrieben, voll von pointierten Dialogen und stimmungsvollen Beschreibungen seiner Figuren, Orte und Handlungsverläufe. Beinahe jedes Kapitel stößt am Ende eine Tür auf, die eine verblüffende Wendung ins Geschehen bringt und im Folgekapitel entfaltet wird. So hat die Autorin bis zuletzt stets eine hohe Spannung und Erwartungshaltung bei mir aufrechterhalten, die auch niemals enttäuscht wurde – immer wieder fand ich die Entwicklungen überraschend, aber zugleich folgerichtig und stimmig. Ich habe den Reader sehr zufrieden zugeklappt, versöhnt mit Circe und ihrer Geschichte und nachdenklich, aber auch hoffnungsvoll, was den Zustand unserer heutigen Welt betrifft.


    Fazit: "Ich bin Circe" war für mich ein rundum toller Roman, bei dem ich jede einzelne Seite genossen habe, der auch als Printbuch einen Ehrenplatz in meinem Bücherregal bekommen wird und den ich mit Sicherheit noch oft zur Hand nehmen werde.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:



    Diese Rezi stammt vom Juni 2019; ich durfte sie aufgrund der Sperrfrist des Verlags erst jetzt veröffentlichen. Auch zwei Monate und 30 Bücher später ist "Ich bin Circe" bisher mein unangefochtenes Jahreshighlight. :pray: Allerdings kann ich mir vorstellen, dass dies ein Roman ist, bei dem sich die Geister scheiden werden. :lol:

    :study: Han Kang - Griechischstunden

    :musik: Asako Yuzuki - Butter (Re-???)

    :montag: Jane Austen - Stolz und Vorurteil (Reread)

    :montag: Sally Coulthard - Am Anfang war das Huhn





  • Das klingt ja sehr spannend ...

    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Weber - Bannmeilen (Paris)

    :musik: -- Catton - Gestirne; Rehear


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Inhalt:


    Circe ist die Tochter des Sonnengottes Helios und der Nymphe Perse. Doch sie ist anders als deren andere Kinder. Sie hat die Stimme einer Sterblichen und einen schwierigen Charakter. Als Helios feststellt, dass sie Zauberkräfte hat, wird sie von ihm auf eine einsame Insel verbannt. Dort beschäftigt sie sich eingehend mit den sie umgebenden Pflanzen und wird eine mächtige Hexe. Immer wieder verirren sich andere Gestalten zu ihr auf die Insel. Hermes hält sie lang auf dem Laufenden, was in der Außenwelt passiert. Väter schicken ihre aufmüpfigen Töchter zu ihr. Männer stranden vor ihrer Insel usw. Auch Daidalos und Minotaurus begegnen wir. Und natürlich auch Odysseus und später dessen Frau und Sohn.


    Meinung:


    Ich muss ehrlich gestehen, dass ich mich mit der griechischen Mythologie nie wirklich beschäftigt habe. Nachdem ich aber schon einiges über "Ich bin Circe" gehört habe, war ich neugierig und wollte es ebenfalls lesen. Und ich freue mich über meine Entscheidung. Es war ein hervorragendes, flüssig zu lesendes und gut geschriebenes Buch. Die Autorin beschränkte sich auf die wichtigsten Namen und andere Götter wurden als Onkel oder Tanten bezeichnet. Auch gibt es am Ende des Buches ein Glossar, in dem alle vorkommenden Personen noch einmal kurz vorgestellt werden.


    Circe ist eine sehr interessante Persönlichkeit und ich finde ihre Entwicklung ganz enorm. Das Buch wird aus ihrer Sicht in der Ich-Perspektive erzählt. So kann man sich besonders gut in sie hineinversetzen, sich mit ihr freuen und mit ihr leiden., ihre Zweifel und ihre Einsamkeit spüren. Aber auch merkt man, dass sie stärker wird durch all ihre Erfahrungen und Erlebnisse und schlussendlich alles riskiert.


    Von Odysseus habe ich natürlich schon viel gehört, allerdings nur aus Erzählungen, ich habe nie etwas über ihn gelesen. So war es für mich sehr interessant, auch seine Geschichte hier zu lesen. Daidalus und Ikarus kennt man natürlich auch. Aber eigentlich konnte ich mich nur an den Ikarusflug erinnern. Die Geschichte davor und was mit Daidalus passiert ist, war mir entweder nicht bekannt oder ich habe es vergessen.


    Dieses Buch hat also zu meiner Allgemeinbildung beigetragen, war aber gleichzeitig so unterhaltsam, dass ich es in drei Tagen fertig gelesen habe.


    Fazit:


    Sehr zu empfehlendes Buch für Leser, die sich für die griechische Mythologie, starke Frauen oder einfach für eine gute Geschichte interessieren.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Fazit: "Ich bin Circe" war für mich ein rundum toller Roman, bei dem ich jede einzelne Seite genossen habe, der auch als Printbuch einen Ehrenplatz in meinem Bücherregal bekommen wird und den ich mit Sicherheit noch oft zur Hand nehmen werde.

    Wie schön, dass dieses Buch soeben in mein Regal eingezogen ist. Danke für deine hervorragende Rezension :applause: Jetzt muss ich nächsten Samstag nur noch meine Bücherwürmer davon überzeugen, genau dieses Buch als nächstes zu lesen. :loool:

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Joseph Roth - Hiob

    :study: Mike Dash - Tulpenwahn


  • Jetzt muss ich nächsten Samstag nur noch meine Bücherwürmer davon überzeugen, genau dieses Buch als nächstes zu lesen. :loool:

    Das schaffst du! :loool:

    Nochmals ganz viel Freude mit dem Buch wünsche ich dir! Bin auf deine Meinung gespannt. :winken:

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    :montag: Jane Austen - Stolz und Vorurteil (Reread)

    :montag: Sally Coulthard - Am Anfang war das Huhn





  • Das schaffst du! :loool:

    Ich bin mal ganz optimistisch. Zum einen werde ich hemmungslos Deine Rezension vorlesen :loool: Und zum anderen haben wir schon zwei Bücher dieser Art zusammen gelesen und mochten sie alle beide. Bei 6 sehr unterschiedlichen Lesern ist das ein Wort. :D

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Joseph Roth - Hiob

    :study: Mike Dash - Tulpenwahn


  • Klappentext:

    Circe ist Tochter des mächtigen Sonnengotts Helios und der Nymphe Perse, doch sie ist ganz anders als ihre göttlichen Geschwister. Ihre Stimme klingt wie die einer Sterblichen, sie hat einen schwierigen Charakter und ein unabhängiges Temperament; sie ist empfänglich für das Leid der Menschen und fühlt sich in deren Gesellschaft wohler als bei den Göttern. Als sie wegen dieser Eigenschaften auf eine einsame Insel verbannt wird, kämpft sie alleine weiter. Sie studiert die Magie der Pflanzen, lernt wilde Tiere zu zähmen und wird zu einer mächtigen Zauberin. Vor allem aber ist Circe eine leidenschaftliche Frau: Liebe, Freundschaft, Rivalität, Angst, Zorn und Sehnsucht begleiten sie, als sie Daidalos, dem Minotauros, dem Ungeheuer Scylla, der tragischen Medea, dem klugen Odysseus und schließlich auch der geheimnisvollen Penelope begegnet. Am Ende muss sie sich als Magierin, liebende Frau und Mutter ein für alle Mal entscheiden, ob sie zu den Göttern gehören will, von denen sie abstammt, oder zu den Menschen – die sie lieben gelernt hat.


    Autorin:

    Madeline Miller ist eine US-amerikanische Schriftstellerin. Miller wuchs in New York und Philadelphia auf. Sie studierte Altphilologie an der Brown University und schloss das Studium im Jahr 2000 mit dem BA und 2001 mit dem MA ab. Seitdem unterrichtet sie Latein und Griechisch an Gymnasien, zuletzt in Cambridge, Mass.


    Allgemeines:

    Erscheinungsdatum: 30. August 2019

    Seitenanzahl: 528

    Verlag: Eisele

    Originaltitel: Circe


    Eigene Meinung:

    Es ist mal ein Roman über eine eher Randgestalt der griechischen Mythologie. Circe, die Tochter des Helios steht hier im Mittelpunkt.

    Sie wird dargestellt, als ein Kind, was nach Aufmerksamkeit strebt, diese aber nie bekommt…

    Ich fand daher sehr schön, wie die Autorin die ganzen Geschehnisse aus Circes Sicht entfaltet hat. Fast alle bekannten griechischen Sagen finden ihren Weg in die Handlungsstränge des Romans und bringen diese dem Leser näher. Zudem ist es ein richtiger Genuss, diesen Lesefluss zu behalten.

    Circe wird mit vielen Facetten glaubwürdig dargestellt. Auch die anderen Protagonisten sind sehr gut ausgearbeitet und deren Verhalten wirkt authentisch.

    Einzig war mir gerade zu Beginn die Erzählweise Circes zu monoton und emotionslos. Das gab sich aber beim weiteren Lesen und ich vermute, dass das auch beabsichtigt war und zu Circes Entwicklungsprozeß gehörte. Dennoch empfand ich das zu Beginn etwas störend.


    Fazit: Zu Beginn etwas emotionslos zu lesen, doch danach hat mich das Buch richtig gepackt und mich in die Welt der griechischen Mythologie entführt! :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • In diesen Buch wird die Geschichte der antiken Götter von Circe in der Ich-Form erzählt. Ich habe mich seit der Schulzeit, die schon viele Jahre zurückliegt, nicht mehr mit dieser Thematik beschäftigt. Sie hat die Götter und ihre Geschichten so anschaulich beschrieben, dass ich der Geschichte problemlos folgen konnte. Meine Wissenslücken wurden unterhaltsam gefüllt. Mir gefiel auch die Sichtweise einer untergeordneten Göttin, die viele menschliche Züge trägt. Das Buch ist eben kein Heldenepos.

    Diesen lesenswerten Buch gebe ich 4,5 Sterne und eine Leseempfehlung auch für LeserInnen die mit klassischer Literatur nichts am Hut haben.

    Sub: 5539:twisted: (Start 2024: 5533)

    Gelesen 2024: 10

    gelesen 2023: 55/ 2 abgebrochen / 26075 Seiten

    gelesen 2022: 65 / 26292 Seiten

    gelesen 2021: 94 / 1 abgebrochen / 35469 Seiten


    :montag: Rafik Schami - Wenn du erzählst erblüht die Wüste

    :montag: Eva Almstädt - Akte Nordsee- Der Teufelshof


    Lesen... das geht 1 bis 2 Jahre gut, aber dann ist man süchtig danach.

  • Inhalt

    Circe war die Tochter des Sonnengottes Helios und der Okeanide Perse. Wer von Süßwasser-Najaden abstammt, soll laut Überlieferung einen schwierigen Charakter haben. Circe scheint zudem besonders einfühlsam gewesen zu sein und ihre Mitmenschen mit einer Stimme genervt zu haben, die wie die einer Sterblichen klang. Okeanos, Circes Großvater, fand noch, dass Töchter gewinnbringend verheiratet werden könnten. Circes ältere Geschwister waren längst verheiratet und sollten gefälligst vom Ehepartner in Schach gehalten werden. Helios und Perse jedoch hatten von ihrer Kinderschar offenbar genug und keine Geduld mehr für eine Tochter mit scharfem Verstand. So wurde Circe auf die Insel Aiaia verbannt, wo sie sich in kürzester Zeit selbst Kräuterwissen beibrachte und ihre Hexenkräfte perfektionierte. Im Gegensatz zu Sterblichen können Göttinnen das ganz ohne Lehrmeister oder Lehrmeisterin. Im Mittelmeer-Klima und seiner üppig blühenden Vegetation hätte der Aufenthalt auf der Insel idyllische Seiten haben können - wäre Circe nur frei davon gewesen, von ihrer Familie heranzitiert zu werden, ob ihr das gerade passte oder nicht. Immerhin reinigte sich Circes Haus von selbst und auch die Speisekammer füllte sich von selbst auf. Spätestens wenn Schiffe mit ausgehungerten und im Kampf gegen die Naturgewalten lädierten Ruder-Mannschaften anlegten und Circes Aufmerksamkeit forderten, hatte die Idylle jedoch ein Ende. So wie eine Prophezeiung versprochen hat, landet eines Tages Odysseus auf der Insel – und scheint Gefallen daran zu finden.


    Fazit

    Der weitere Verlauf von Circes Leben ist vielen bekannt. Er ist bisher nur noch nicht mit so feiner Ironie erzählt worden wie von der Altphilologin Madeline Miller. Sie zeichnet in der Ichform das Bild einer Zauberin, die als jüngeres Kind der Geschwisterreihe kaum beachtet wird, sich verspottet und zu wenig anerkannt fühlt. Die Hexenkunst erlebt man in Millers Neuerzählung als schmutzig und anstrengend, völlig anders als eine Göttin es erwartet, die zuvor nur mit dem Finger schnippen musste, um sich einen Wunsch zu erfüllen. Circes Begegnung mit Besuchern auf der Insel und lüsternen Männerblicken schließlich wirft die zeitlose Frage auf, welcher Lebensentwurf für kritische Frauen denkbar sein könnte, die sich zwar gern einen Webstuhl bauen lassen, aber keine weitere Einmischung in ihr Leben wünschen. Dass Circe als Göttin nicht altert, aber das Altern ihrer sterblichen Bezugspersonen ertragen muss, schien mir die Handlung etwas auszubremsen. Auch ohne Vorkenntnisse kann man sich - mit Gewinn - in diese Welt hineindenken, in der Titanen und Olympier auf Sterbliche wie Odysseus oder Medea treffen …


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Weber - Bannmeilen (Paris)

    :musik: -- Catton - Gestirne; Rehear


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Emanzipation



    Schon in jüngeren Jahren haben mich die griechischen Sagen begeistert, Gustav Schwab und die Sagen des klassischen griechischen Altertums flackerten durch meinen Kopf. Die griechische Götterwelt um Zeus auf dem Olymp interessierte mich, nur eines störte mich schon als Kind. Ich fand alles sehr männlich dominiert, die Rolle der weiblichen Göttinnen etwas unterbesetzt und auch etwas unglaubwürdig, denn wer mit offenen Augen durch die Welt schreitet, findet da ein etwas anderes Bild. Schon als Kind wunderte ich mich hier. Später dann, mit fortschreitendem Wissen, erschloss sich mir die Geschichte und ein erweiterter Blick erschien. Begriffe wie Patriarchat und Matriarchat ergaben einen Sinn und die griechische/römische Welt erschien als ein Beispiel für den ersteren Begriff und die kretische/minoische Welt als ein Beispiel für letzteren Begriff. Was so ein blöder Vulkanausbruch anrichten kann. Wäre dieser Ausbruch des Vulkans Thera/Santorin damals nicht gewesen und hätte der minoischen Kultur kein Ende bereitet, die Entwicklung Europas wäre eine andere gewesen. Eine bessere? Vielleicht.


    Aber weil die Entwicklung Europas eben lief, wie sie lief, konnte eine patriarchale Ordnung greifen und ihr Werk tun. Auch deshalb konnte oder musste Madeline Miller heute ein Werk verfassen, welches einen weiblicheren Blick auf die griechische Sagenwelt ermöglicht. Ein Blick, der mir richtig gefallen hat und Emanzipation zeigt. Die Emanzipation des Hauptcharakters Circe, aber auch eine Emanzipation der etwas verstaubten griechischen Sagenwelt. Eine Emanzipation, die in meinen Augen dringend nötig war.


    Das Buch ist eine Geschichte, die mir sehr gefallen hat, die einen recht großen Sog aufweist und die eine recht interessante Entwicklung des Hauptcharakters aufzeigt. Und in mir wieder Bilder aus vergangenen Zeiten aufleben lässt. Hat mir sehr gefallen dieses Buch!

  • Circe, Tochter des Sonnengottes Helios, hat es in ihrer Kindheit nicht leicht. Von ihren Geschwistern wird sie ständig verspottet, fühlt sich hässlich und dumm und ungeschickt, und auch von ihren Eltern hat sie wenig Zuneigung zu erwarten. An ihr scheint nichts Besonderes zu sein wie an ihren Geschwistern, doch eines Tages erkennt sie, fast zufällig, dass auch sie eine Begabung hat: die Gabe zu verwandeln.


    Nachdem sie sich in einen Menschen verliebt und ihre Rivalin Scylla durch einen bösen Verwandlungszauber ausgeschaltet hat, lässt Zeus' Rache nicht lange auf sich warten. Circe wird auf die Insel Aiaia verbannt und wird diese nur noch ganz wenige Male verlassen.


    Mit der Zeit schließt sie Frieden mit ihrem einsamen Dasein und richtet sich in einem naturverbundenen Leben ein, in dem ihr hauptsächlich mehr oder minder zahme Tiere Gesellschaft leisten, bis eines Tages der Abenteurer Odysseus mit seinen Mannen bei ihr auftaucht, eine schicksalhafte Begegnung, die alles verändert.


    Über Circe wusste ich vor diesem Roman nur ganz wenig. Die Episode mit den in Schweine verwandelten Seeleuten ist mir vor langer Zeit mal irgendwo begegnet, aber das (und das Wort "becircen") war es auch schon, was ich an Vorwissen mitbrachte. Aber so schlecht war das letztendlich gar nicht, denn so konnte ich mich ganz unvoreingenommen diesem tollen Buch hingeben und mich von den zahlreichen Wendungen überraschen lassen.


    Madeline Miller, Expertin für griechische Mythen und Legenden, erzählt Circes Lebensweg aus der Ich-Perspektive und nimmt uns so ganz nahe mit hinein ins dramatische Geschehen zwischen (Halb-)Göttern, Helden, Nymphen, Menschen, Ungeheuern und Fabelwesen. Viele bekannte Sagen werden bruchlos in Circes eigene Geschichte eingeflochten und dabei auch gerne mal gegen den Strich gebürstet, gerade auch, was die Frauenrollen angeht.


    Dabei erscheint Circe stets "menschlich" (auch wenn das für eine Titanin wohl der falsche Ausdruck ist), keine überhöhte Sagengestalt, sondern nahbar, emotional, gequält, hin- und hergerissen in so manchem Dilemma, den Folgen ihrer Entscheidungen hilflos ausgeliefert, aber auch stark, mutig und selbstbewusst - lebensecht eben.


    Ein sehr empfehlenswertes Buch, das die griechische Legendenwelt mal aus einem ganz anderen Blickwinkel zeigt.

  • Wer kennt nicht die Zauberin Circe, die Odysseus auf ihrer Insel traf? Dieser Roman erzählt Circes Geschichte von Anfang an, und zwar durch Circe selbst.


    Wer sich ein bisschen in der griechischen Mythologie auskennt, wird hier manches wiedererkennen, aber Madeline Miller hat allem ihren eigenen Stempel aufgedrückt. Schon alleine, dass sie Circe in Ich-Form selbst erzählen lässt, ist perfekt, so bekommt man alle ihre Gedanken und Emotionen hautnah mit. Circe hat es nicht immer leicht, schon innerhalb ihrer Familie ungeliebt, muss sie von Anfang an kämpfen. Sie zeigt aber auch immer wieder, dass sie Herz hat, z. B. wenn sie auf Prometheus trifft. Schließlich landet sie auf einer Insel, Aiaia, die zu ihrer wird.


    Die Autorin schreibt sehr packend, manchmal mochte ich das Buch kaum aus der Hand legen. Die bekannten mythologischen Figuren wiederzutreffen hat mir gut gefallen, und die teilweise Neuinterpretation sowie das Ausfüllen der Lücken, die die Mythologie lässt, durch die Autorin finde ich sehr gelungen.


    Die Charaktere, allen voran natürlich Circe, sind der Autorin gut gelungen, man kann sich gut in die Protagonistin hineinversetzen, und auch die anderen werden zu greifbaren Persönlichkeiten. Manche berühren Circes Leben nur kurz, andere hinterlassen Spuren, die lange nachwirken.


    Das Ende erscheint mir besonders gut gelungen, ich habe den Roman zufrieden beendet, er wird mich auch noch ein wenig länger nachdenken lassen, denn die Autorin spricht manches Nachdenkenswerte an.


    Im Anhang findet sich ein Personenregister mit Erklärungen zu den einzelnen Charakteren.


    Als Mythologiefan hat mir der Roman sehr gut gefallen, doch ich denke, man wird auch gut unterhalten, wenn man (noch) nicht viel über die griechische Mythologie weiß. Der Roman ist spannend, die Ich-Perspektive sehr passend, und er bietet Nachdenkenswertes. Ich vergebe volle Punktzahl und eine Leseempfehlung.

  • Selten war ich bewertungstechnisch so hin- und hergerissen. Der Hype löste schier unmöglich zu erfüllende Erwartungen aus, die Lobeshymnen passten zu sehr ins Beuteschema. Auch deshalb vergingen zwei Jahre bis ich das Buch schließlich las. Es liest sich sehr flüssig, angenehm kurzweilig. Mir kam es so vor, als bekäme ich die griechische Mythologie im Schnelldurchlauf serviert. Durch den episodischen Erzählstil kommt zu keiner Zeit Langweile auf. Die Seiten fliegen, für Unterhaltung ist stets gesorgt. Alles gut. Jetzt kommt das große Aber: Der Buchtitel lautet: Ich bin Circe/Circe. Nicht: Die Figuren der griechischen Mythologie zu Gast bei Circe. Ich habe einen Roman erwartet, der mir zeigt, wer die Nymphe/Göttin Circe ist. Doch sie bleibt im Schatten, verkümmert in ihrem eigenen Roman zur Randfigur. Und wenn man mal mit ihr allein ist, verhält sie sich...fast menschlich. Und das ist mir einfach zu langweilig, zu ambivalent, zu flach und den Hype nicht wert. Hermes und Medea haben in ihren kurzen Auftritten mehr von sich gezeigt. Ich wollte den Zorn bei der Erschaffung Scyllas spüren, die Leidenschaft für Odysseus. Zwar gelesen, aber nichts aufgenommen. Versteht mich nicht falsch, das Buch ist durchaus unterhaltsam. Nur am Titel vorbei, ohne Tiefgang. Heute gebe ich 4 Sterne zugunsten der kurzweiligen Unterhaltung. Morgen könnten es schon wieder 2 oder 3 Sterne sein. Wahrscheinlich werde ich ewig grübeln...