Über den Autor:
Elizabeth Hartley Winthrop, 1979 geboren, lebt mit ihrer Familie in Massachusetts. Sie studierte englische und amerikanische Literatur an der Harvard University und erwarb ihren Master of Fine Arts in Fiction an der University of California in Irvine. Sie hat Erzählungen und bislang drei Romane veröffentlicht.
(Quelle: Amazon)
Buchinhalt:
Louisiana 1943: ein elektrischer Stuhl wird in eine kleine Stadt gebracht für die geplante Hinrichtung eines jungen Schwarzen namens Will. Alle wissen, dass das Todesurteil ein Skandal ist, doch niemand stemmt sich dagegen. Was macht das mit den Menschen dort, was mit dem Delinquenten?
Ich habe bewusst weder den Klappentext noch Amazons Inhaltsangabe genutzt sondern eine eigene, sehr knappe Inhaltsangabe geschrieben, da beide Texte ziemlich viel verraten – für manchen zu viel.
Das Buch umfasst 250 Seiten unterteilt in vier Teile mit mehreren Kapiteln, die jeweils mit dem Namen desjenigen überschrieben sind, aus dessen Sicht die Dinge gerade erzählt werden. Die Erzählperspektive ist stets in der 3. Person gehalten.
Übersetzt wurde das Buch von Hansjörg Schertenleib, geboren 1957 in Zürich, der gelernter Schriftsetzer und Typograph ist. Seit 1981 veröffentlicht er Prosa, Lyrik und dramatische Texte. Seine Romane wie der Bestseller Das Regenorchester wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und vielfach ausgezeichnet. Zwanzig Jahre lang lebte Schertenleib, der auch aus dem Englischen übersetzt, in Irland. Heute pendelt er zwischen der Schweiz und Spruce Head Island in Maine, USA. Zuletzt erschien sein viel gepriesener Roman Jawaka.
Meine Meinung:
Elizabeth Winthrop hat den wahren Fall von Willie Francis, der 1946 zum Tode verurteilt wurde, als Grundlage für ihren Roman genommen. Der titelgebende „Mercy Seat“ ist der transportable elektrische Stuhl, der von Ort zu Ort gefahren wird, damit die Vollstreckung des Urteils am Ort des Verbrechens erfolgen kann, damit die Menschen vor Ort die Ausübung der „Gerechtigkeit“ bezeugen und erleben können.
Erzählt wird der Tag um die Vollstreckung des skandalösen Urteils im tiefen Süden der Vereinigten Staaten im Kriegsjahr 1943 aus Sicht von mehreren Personen. Teils sind diese Menschen direkt von Beginn an in die Vorgänge verstrickt wie z.B. Wills Vater oder der Staatsanwalt Polly, teils sind es zunächst unbeteiligte Personen, die trotzdem in die Vorgänge verwickelt werden. Aber alle Beteiligten sind am Ende nicht mehr die gleichen wie davor, die Vorgänge verändern sie selbst und ihren Umgang mit den anderen. Diese Verflechtungen der erzählenden Personen offenbaren sich über den Verlauf der Geschichte, sind anfangs nicht immer erkennbar und bilden doch am Ende ein rundes Ganzes.
Die erzählte Geschichte ist ein einziger Weckruf an die Gesellschaft, ein Aufruf aufzustehen gegen Rassismus in der Welt und gegen die Todesstrafe. Das Schicksal Wills lässt den Leser nicht kalt, man wird automatisch in die Geschichte eingesogen und kann nicht unbeteiligt einfach lesen, denn immer wieder bäumt sich die eigene Seele auf gegen die Ungerechtigkeiten, die hier vor Augen geführt werden, und gegen den (noch immer) vorherrschenden Rassismus, der zwangsläufig und unvermeidbar auf das Ende der Geschichte zielt. Besonders am Ende ist das Buch nicht unbedingt etwas für zart besaitete Leser, denn man kann einfach nicht ausblenden, dass die Geschichte auf einer wahren Begebenheit beruht. Aber trotzdem kann ich einfach nicht anders als eine absolute Leseempfehlung auszusprechen – traut Euch, auch wenn der ein oder andere vielleicht lieber gleich einen Stapel Taschentücher oder einen Sandsack neben sich liegen haben sollte.