Dror Mishani – Drei / Shalosh

  • Kurzmeinung

    Cordi
    Anfangs recht zäh, wird aber dann doch recht spannend, aber das Ende ist irgendwie unbefriedigend.
  • Kurzmeinung

    Squirrel
    Nicht wirklich ein Krimi und irgendwie auch nicht wirklich fesselnd. Kann man lesen, muss man nicht
  • Die dritte Frau


    Es würde mich nicht wundern, wenn wir es hier mit einem neuen Klassiker des Kriminal-Genres zu tun hätten. Obwohl die Zuordnung zum Kriminalroman ja nicht ganz eindeutig ist. Auf jeden Fall aber kann ich den Hype, der in Israel um dieses Buch entstand, sehr gut verstehen. Ich wurde zunächst langsam in das Buch gezogen, konnte aber spätestens bei der Hälfte nicht mehr aufhören zu lesen, und bin am Ende restlos begeistert…!


    Was kann man überhaupt über das Buch sagen? Das ist in der Tat schwierig, ohne zukünftigen Lesern die Lesefreude zu verderben. Und das ist auch schon eines der wichtigsten Kennzeichen von „Drei“: es steigert sich langsam, aber stetig, bis hin zu einem Wendepunkt und einem Knalleffekt, die es absolut in sich haben! Man müsste im Prinzip das ganze Buch gleich noch einmal von vorne lesen, um diesmal alle Anzeichen rechtzeitig zu bemerken.


    Ein weiteres wichtiges Kennzeichen ist sicherlich auch die Dreiteilung des Buches. Jeder der drei Abschnitte ist aus der Sicht einer Frau geschrieben. Drei Frauen, die sich nicht kennen, aber die alle an den gleichen Mann geraten. Orna, die geschiedene Mutter, Emilia, die lettische Putzfrau, und Ella, die späte Studentin. Drei ganz unterschiedliche Frauen, drei Perspektiven. Und drei sehr unterschiedliche Erzählstimmen! Das ist vom Autor eine großartige Leistung. Die Weltsicht von Frauen, und ihre ganz eigenen Empfindungs- und Sichtweisen, sind ihm sehr überzeugend gelungen. Männer spielen in diesem Buch schon fast eine Nebenrolle… bis auf den einen natürlich…!


    Die Sprache ist eigentlich unprätentiös, jedenfalls nicht reißerisch oder auf den ersten Blick fesselnd. Doch gerade das macht am Ende die Lesefaszination aus. Das Tempo der Sätze ist ruhig und gleichmäßig. Es wird beschrieben, beobachtet. Es wird viel Raum gelassen für Gedanken und Gefühle der Frauen. Und – alle drei Abschnitte sind im Präsens geschrieben, was für Romane fast aus der Mode gekommen scheint. Mir aber hat es gefallen, und auch zum Thema hat es gut gepasst.


    Am Ende war ein Interview mit dem Autor enthalten, was ich sehr erhellend fand. Hoffentlich wird das Interview auch in die tatsächliche Ausgabe aufgenommen, und war nicht nur eine „Zugabe“ für das Vorab-Exemplar! Dror Mishani erklärt hier nämlich seine Vorbilder und Einflüsse. Und seine eigene Sicht auf den Roman. Er ist eigentlich Literaturwissenschaftler, und hat sich insbesondere mit der Geschichte des Kriminalromans befasst. Das merkt man unbedingt! Denn mit „Drei“ will er ganz offenbar Genregrenzen neu ausloten und definieren. Hier würde ich auch die einzige Einschränkung machen. „Drei“ ist nichts für Freunde des ganz klassischen, spannungsgeladenen Kriminalromans. „Drei“ ist aber sehr wohl eine Fundgrube für Leser, die gerne ungewöhnliche Wege gehen, und sich überraschen lassen. Insofern von mir eine klare und unbedingte Leseempfehlung!

    "Ein Mensch, der Ideale hat/
    Der hüte sich, sie zu erreichen!/
    Sonst wird er eines Tags anstatt/
    Sich selber andern Menschen gleichen."
    (Erich Kästner) :):)

  • Squirrel

    Hat den Titel des Themas von „Dror Mishani - Drei“ zu „Dror Mishani – Drei / Shalosh“ geändert.
  • Und das hebräische Original: Shalosh

    Ist das interessant....! Das Cover sieht ja ganz anders aus... fast schon symbolhaft... nahezu biblisch..:wink:

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  • Ich muss gestehen, dass ich "Drei" noch vor dem ersten Drittel des Buches abgebrochen hätte, wenn die vielen Rezensionen, die ich zu dem Buch gelesen hatte, mich nicht neugierig gemacht hätten. Ich wollte unbedingt wissen, was an dem Buch so polarisiert und für so begeisterte wie auch kritische Stimmen sorgt. Nun, nach Beenden des Buches, bin ich, was das betrifft, schlauer. Aber dennoch lässt der Autor mich ratlos zurück. Es gibt ein sehr großes Fragezeichen, das bei mir leider für massiven Sterneabzug in der Bewertung führt. Die große Frage nach dem "Warum?" steht im Raum. Mehr kann ich dazu fast nicht sagen, ohne zu spoilern, aber ich denke, alle, die das Buch gelesen haben, verstehen, was ich damit meine.


    "Drei" ist ein Buch über drei Frauen, die alle mit demselben Mann in Berührung kommen. Dementsprechend ist das Buch in drei Teile unterteilt und erzählt in jedem von ihnen aus dem Alltag einer dieser drei Frauen. Hier passiert nichts Aufregendes, nichts Spannendes. Das ändert sich aber mit dem Auftauchen von IHM. Und dabei steigert sich die Spannung innerhalb des Buches von Teil zu Teil. Packen konnte der Autor mich schließlich im letzten Teil, so ungefähr ein Drittel vor dem Ende. Ein, zwei Wendungen haben bei mir auch für große Begeisterung gesorgt. Aber das viel zu nichts sagende Ende, das mich fragen lässt, was der Autor mir mit dem Buch sagen möchte, wofür ich es gelesen habe, dämpft die Begeisterung zu sehr, als dass ich mehr als zwei Sterne geben könnte.


    :bewertung1von5::bewertung1von5:

    "Hab Vertrauen in den, der dich wirft, denn er liebt dich und wird vollkommen unerwartet auch der Fänger sein."
    Hape Kerkeling


    "Jemanden zu lieben bedeutet, ihn freizulassen. Denn wer liebt, kehrt zurück."
    Bettina Belitz - Scherbenmond


    http://www.lektorat-sprachgefuehl.de

  • Mensch, was war ich neugierig auf das Buch. Man könne nicht viel über den Inhalt erzählen, um nicht zu viel zu verraten. Ich wollte wissen, was dahinter steckt, obwohl das Buch nicht in mein Beuteschema passt. Nun habe ich „Drei“ gelesen und kann dies bestätigen. Man kann einfach nicht viel zum Inhalt sagen, ohne dabei zu viel zu sagen.


    Am Anfang musste ich mich etwas zum Durchhalten zwingen. Immer wieder habe ich mir gut zugeredet, da ich ja hinter das Geheimnis kommen wollte. Und dies trieb mich an, ließ mich durchhalten.


    Und nun ist das Geheimnis für mich gelüftet. Ich muss ehrlich sein, ich hatte mir etwas mehr von der Geschichte erhofft. Ein bisschen enttäuscht bin ich an dieser Stelle schon. Und das Ende ist mir einfach zu unbefriedigend.


    Der erste Teil zog sich ein bisschen in die Länge, der zweite Teil empfand nicht mehr ganz so langatmig, wobei mir auch die zweite Frau sympathischer war. Und der dritte Teil war im Gegensatz dazu richtig spannend, konnte mich packen.

    Die große Frage nach dem "Warum?" steht im Raum. Mehr kann ich dazu fast nicht sagen, ohne zu spoilern, aber ich denke, alle, die das Buch gelesen haben, verstehen, was ich damit meine.

    Ich verstehe genau, was du meinst. Die eine oder andere Erklärung wäre hier hilfreich gewesen.


    Eine bestimmte Tatsache hat mich, zugegebenermaßen, im dritten Teil überrascht, auch wenn es im Nachhinein einleuchtend wirkt. Das ist wenigstens ein Punkt, wo ich mir sagen kann, „Ja, jetzt weißt du, warum du durchgehalten hast“. Aber dieser Punkt ist nicht sonderlich groß.


    Im Gesamten muss ich aber sagen, dass ich kein Fan dieser Geschichte geworden bin. :bewertung1von5::bewertung1von5: gibt es von mir, mehr kann ich nicht vergeben.

    Am Ende war ein Interview mit dem Autor enthalten, was ich sehr erhellend fand. Hoffentlich wird das Interview auch in die tatsächliche Ausgabe aufgenommen, und war nicht nur eine „Zugabe“ für das Vorab-Exemplar!

    Zumindest in meinem eBook, das ich aus der Onleihe hatte, war kein Interview enthalten :(

  • Eine bestimmte Tatsache hat mich, zugegebenermaßen, im dritten Teil überrascht, auch wenn es im Nachhinein einleuchtend wirkt. Das ist wenigstens ein Punkt, wo ich mir sagen kann, „Ja, jetzt weißt du, warum du durchgehalten hast“. Aber dieser Punkt ist nicht sonderlich groß.

    Kannst du in einem Spoiler verraten, worum genau es dir dabei geht? Das würde mich sehr interessieren. :D

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  • Ging es dir auch so?

    Das ging mir auch so und das ist eine Wendung, die ich richtig cool fand. Aber ansonsten war das Buch eher mau ...:roll:

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  • Den Hype um das Buch habe ich mitbekommen, allerdings ließ ich ihn nicht wirklich an mich heran. Ich bin kein Fan von aggressivem und plakativem Marketing. Zudem wollte ich mir ohne große Vorstellungen selbst ein Bild machen. Dennoch hatte ich schon gewisse Erwartungen, da der Klappentext mich ansprach.


    Den ersten Teil des Buches fand ich sehr gut. Auch Teil 2 war gut und beide hatte ich regelrecht verschlungen. Teil 3 fand ich dann allerdings vergleichsweise zäh. Irgendwie ist es eine ständige Wiederholung gewesen. Ich kann auch nicht verstehen, warum so ein Geheimnis um dieses Buch gemacht wurde. Wahrscheinlich reine Werbezwecke. Das Buch fand ich gut, aber unspektakulär. Teil 3 hat es dann auch etwas versaut.


    Am besten gefielen mir die Darstellung und der Einblick von Israel. Für mich kein Land, das ganz oben auf der Reiseliste steht, aber nun habe ich doch etwas Sehnsucht danach bekommen. Deswegen gibt es auch im Ergebnis 1 Stern mehr dafür.


    Ich habe mich auf das Buch wahnsinnig gefreut und bin jetzt etwas ernüchtert. Ich hatte schöne Lesestunden (Lesezeit innerhalb von 24 Stunden) und auch das Verlangen sofort weiterlesen zu müssen, aber „sensationell“ ist für mich dann doch was anderes. Das Rad wird hier sicher nicht neu erfunden und wirklich besonders ist hier meiner Meinung nach auch nichts.


    Das Marketing wirkt dagegen sogar eher peinlich. Wenn ich es jetzt mit dem Gelesenen vergleiche, dann wird das Buch dadurch eher schlechter. Einfach, weil so hohe Erwartungen geschürt werden sollen, die das Buch gar nicht erfüllen kann. Ein „Phänomen“ stelle ich mir dann auch anders vor.


    Zudem kann ich es nicht als „Krimi“ einstufen. Einfach schlicht „Roman“.


    Im Ergebnis ein gutes Buch, das leider im letzten Drittel stark nachlässt, das aber vor allem durch den Lokalkolorit überzeugen kann.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Ging es dir auch so?

    Das ging mir auch so und das ist eine Wendung, die ich richtig cool fand. Aber ansonsten war das Buch eher mau ...:roll:

    Das war gut, aber jetzt auch nichts absolut fernliegendes. In Ekstase konnte mich das nicht versetzen. Wenn das in Israel so gefeiert wird, frage ich mich schon, was sich sonst so auf dem Büchermarkt tummelt. :lol:


    rumble-bee

    Wärst du bitte so nett und könntest das Interview zusammenfassen? Ich musste das Buch käuflich erwerben und es enthält skandalöserweise kein Interview. Bei 24€ wäre das eigentlich zu erwarten gewesen. :|:wink:

  • Das ist ja wirklich skandalös! Also war das Interview doch nur eine "nette Beigabe" für die Rezensionsexemplare. Das geht so nicht! :wuetend::wuetend:

    Daher habe ich es euch mal abgetippt.


    ***

    Aus Sicht der Frauen


    Ein Interview mit Dror Mishani


    Wie entstand die Idee zu „Drei“?


    Es war während einer Reise. Ich saß in einem Flugzeug, und plötzlich hatte ich diese Idee im Kopf: Ein Roman rund um ein Verbrechen, in drei Teilen, mit drei weiblichen Hauptfiguren und drei ganz unterschiedlichen Leseerfahrungen. Als wir gelandet sind, wusste ich bereits, wie das Buch aussehen und dass es mein nächster Roman sein würde. Am Anfang stand also die Struktur des Romans.


    „Drei“ ist voller unerwarteter Wendungen und Entwicklungen. Es ist schwierig, darüber zu reden, ohne dem Leser zu viel zu verraten. Wussten Sie beim Schreiben gleich, wo es hingehen würde?


    Ja, ich hatte von Anfang an das gesamte Buch vor Augen: den unerwarteten Schluss des ersten Teils, den unvermeidlichen Schluss des zweiten, die Wendung am Ende des dritten.

    Ich hatte aber nicht damit gerechnet, wie schwierig es emotional sein würde, dieses Buch zu schreiben, einerseits aufgrund seines speziellen Aufbaus und auch meiner Verbundenheit mit den Figuren. Ich konnte selbst meinen engsten Freunden während des Schreibens nichts erzählen,um ihre Leseerfahrung nicht zu verderben. In diesem Sinne war das ein einsameres Schreiben als bei meinen früheren Büchern, ich konnte weder meine Trauer noch meine Geheimnisse teilen.


    In Israel ist „Drei“ ein unglaublicher Erfolg und war über drei Monate auf Platz 1 der Bestsellerliste. Hat dieser Erfolg Sie überrascht?


    Irgendwie habe ich während des Schreibens gespürt, dass „Drei“ und seine Hauptfiguren Orna, Emilia und Ella mehr Leser berühren würden als meine vorherigen Romane. Ich hatte dieses Bauchgefühl, dass ich das richtige Tempo, den richtigen emotionalen Tonfall gefunden hatte. Natürlich war ich mir nicht sicher, weil man diese Dinge nie wirklich weiß und weil Kriminalromane oder Thriller in Israel nicht unbedingt so ein beliebtes Genre sind.


    Was würden Sie sagen, ist „Drei“ überhaupt ein Krimi?


    Es ist schwierig für mich, diese Frage zu beantworten, obwohl -. oder vielleicht gerade weil – ich mich als Literaturprofessor an der Uni mit dem Kriminalroman, seiner Definition und seiner Theorie beschäftige. Die beste Definition für „Drei“, die nicht zu viel verrät, scheint mir: „Drei“ ist ein Detektivroman, in dem der Detektiv erst am Ende auftaucht.

    Aber wissen Sie, für mich ist „Drei“ kein Roman über Verbrechen. Er handelt von anderen Dingen, von unserer Pflicht, die Menschen um uns herum und ihre Leben zu sehen, wahrzunehmen. Es ist vor allem ein Roman über unsere Verantwortung gegenüber den Lebenden und gegenüber den Toten, die immer noch bei uns, „im Leben“ sind (so sagt man „lebendig“ auf Hebräisch).


    Sie schreiben in diesem Roman unglaublich überzeugend aus der Perspektive von Frauen. War das eine Herausforderung?


    Die Herausforderung lag für mich eher darin, für diese drei ganz konkreten Frauen mit ihren drei völlig unterschiedlichen Hintergründen, emotionalen Welten, Träumen, Beziehungen, Schicksalen eine Stimme zu finden.

    Ich habe festgestellt, dass ich mein Schreiben lieber mag, wenn ich aus Sicht von Frauen schreibe. Vielleicht liegt es daran: Wenn ich über männliche Figuren schreibe, ähneln sie immer mir. Meine weiblichen Figuren sind ganz anders als ich, und sie unterscheiden sich auch untereinander. Aber ich glaube, in all meinen Büchern und gerade in diesem Roman schreibe ich über Männer und Frauen.

    Ich habe aber noch eine andere Erklärung, dafür, dass ich weibliche Hauptfiguren gewählt habe: Als Patricia Highsmith einmal gefragt wurde, weshalb sie meistens über männliche Figuren schreibt, hat sie gesagt, das habe einen einfachen Grund – ihre Charaktere müssten physisch in der Lage sein, jemanden zu erwürgen oder zu erschlagen.

    Ich würde in Abwandlung davon sagen, dass ich aus der Sicht von Frauen schreibe, weil meine Figuren emotional in der Lage sein müssen, die ganze Bandbreite an Gefühlen zu empfinden und auszudrücken, die ich ihnen mitgeben will.


    Deutsche Leser kennen Sie bislang als den Autor der Krimireihe um Inspektor Avi Avraham. „Drei“ ist etwas komplett anderes. Brauchten Sie eine Pause von Avi?


    Es war nicht Avi, von dem ich eine Pause gebraucht habe. Ich wollte ein Abenteuer. Ich brauchte ein Experiment. Und ich glaube, dass für einen Autor ein Abenteuer fast immer ein literarisches Abenteuer ist und ein Experiment ein literarisches Experiment.


    „Drei“ spielt in Tel Aviv. Wie wichtig ist der Schauplatz in diesem Buch verglichen mit der Avi-Avraham-Serie?


    Ein guter Krimi hat diese doppelte Eigenschaft, sehr lokal und gleichzeitig auf wundersame Weise universell zu sein.

    Während ich „Drei“ schrieb, dachte ich, es sei weniger ortsverhaftet als die Avraham-Bücher, aber inzwischen sehe ich das anders. Ich will nicht zu viel verraten, aber ich glaube, ich weiß jetzt, was an „Drei“ typisch israelisch ist: die Grausamkeit, die der Roman beschreibt.


    Was sind Ihre literarischen Einflüsse?


    Als ich angefangen habe, die Avraham-Bücher zu schreiben, war ich besonders von realistischen Kriminalromanen der klassischen europäischen Tradition inspiriert: Simenon, Sjöwall/Wahlöö, Mankell.

    „Drei“ gehört zu einer anderen Lese-Ära in meinem Leben. Es fing mit der intensiven Lektüre einiger amerikanischer Krimiautoren der vierziger und fünfziger Jahre an (vor allem Dorothy B. Hughes und David Goodis), dann habe ich mich, auch für die Uni, mit Schriftstellern beschäftigt, die mit dem Genre experimentieren und dessen Grenzen ausloten – Schriftsteller, die Krimis als Ausgangspunkt für ein literarisches Abenteuer nehmen: Poe, Borges, Capek, Dürrenmatt und in jüngerer Zeit McEwan, Molina oder Piglia. Aber um ehrlich zu sein, war der stärkste Einfluss der letzten Jahre Patricia Highsmith. Bei der Lektüre von Highsmiths Romanen habe ich zum ersten Mal die Lust auf ein formales Experiment verspürt, den Drang, einen Roman zu schreiben, in dem man wie in den ihren nie weiß, was als Nächstes passiert. Einen Roman, in dem die am wenigsten erwartete Wendung psychologisch möglich ist, weil fiktive Charaktere wie Menschen seltsam sind und sich selbst nicht kennen, und in dem emotionale Grausamkeit wie unter dem Mikroskop und in einem gewissen Maß auch lustvoll untersucht wird.


    Gibt es bereits Filmpläne für „Drei“?


    Keshet, die israelische Produktionsfirma, die Homeland und viele andere TV-Serien produziert hat, hat die Filmrechte an „Drei“ schon vor der Veröffentlichung gekauft, und vermutlich wird es sogar zwei Adaptionen geben: eine israelische TV-Serie, die in Tel Aviv spielt, und eine internationale Adaption, in der die Geschichte an einen anderen Ort versetzt wird. Und übrigens, weil Serienproduzenten als Erstes immer fragen: „Worum geht es in der zweiten Staffel?“, bin ich darauf gekommen, dass „Drei“ vielleicht erst der Anfang einer Geschichte ist...

    "Ein Mensch, der Ideale hat/
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    (Erich Kästner) :):)

  • Wie lieb von dir, das Interview für uns abzutippen rumble-bee:flower:.

    Es scheint tatsächlich nur in den Leseexemplaren abgedruck zu sein.

    Ein bisschen Hintergrundinfo finde ich immer aufschlussreich, auch wenn es mir in diesem Fall den Autor nicht näher bringt :geek:.


    Wie hat es mir gefallen :scratch:?

    Auf der einen Seite war ich sogleich gefesselt, eine interessant komponierte Geschichte in einer melancholisch-deprimierenden Atmosphäre, die für mich in erster Linie von den offenen Fragen und der Neugier auf den Ausgang lebte. Aufgelöst wird die Sache mehr oder weniger, aber es fehlt eine bestimmte Komponente, die mir hier sehr wichtig gewesen wäre und die mich ein bisschen (sehr) unzufrieden zurücklässt. Eben diese Sache, die gaensebluemche angesprochen hat.


    Sprachlich fand ich es mittelprächtig. Gut lesbar, aber ohne besondere Höhepunkte. Gefehlt hat mir der erzählerische Esprit und eine Prise Humor, obwohl die wahrscheinlich nicht zu dem eher bedrückenden Grundton gepasst hätte.

    Der Autor wechselt immer wieder zwischen den Erzählzeiten, meist schreibt er im Präteritum, gelegentlich im Präsens und im dritten Teil manchmal auch im Futur. Ich könnte mir schon vorstellen, dass dahinter eine bestimmte Intention steht, aber welche, ist mir nicht klar geworden.


    Insgesamt interessant zu lesen, doch zu Begeisterungsstürmen hat es mich nicht hingerissen.

  • Dror Mishani - Drei


    Roman oder Krimi?


    Bei diesem Buch gibt es als erstes gleich einmal eine Kritik von mir. Aber eher eine Kritik am Marketing. "Über dieses Buch darf man eigentlich nichts verraten." heißt es. Wie jetzt? Über dieses Buch? Und über andere schon, oder was? Über kein Buch sollte man etwas verraten, dies zerstört den Lesezauber und uns Buchbegeisterten das Vergnügen. So etwas sollte nicht bei einem bestimmten Buch stehen, sondern eigentlich jedermann klar sein. Und das Marketing von Verlagen sollte sich mal manchen Slogan etwas näher ansehen und nachdenken!


    Ich verstehe natürlich nach der Lektüre des Buches die Gedankengänge des Marketings von D.. Hier ist es wirklich schwer eine Rezension zu schreiben und bei dieser nicht zu viel zu verraten. Ich versuche es mal.


    Drei verschiedene Frauenschicksale werden hier gezeichnet, alle verbinden gewisse schwierige Lebenssituationen und ihr jeweiliger Umgang damit. Und dann verbindet sie noch etwas. Die Liebe und das Begehren. Und weiter wird beschrieben wie diese Frauen mit ihren Gefühlen umgehen und was dies mit ihnen macht. Es sind Schicksale, die nahe gehen und nachdenklich machen.


    Insgesamt sieht man hier psychologisch recht gut ausgearbeitete Blicke auf die Menschen. Aber für einen literarischen Roman sind diese Blicke doch recht kurz umrissen. Das Geschriebene von Dror Mishani ist sehr spannend, hat insgesamt einen recht hohen Lesesog und beim Lesen wird man ab und zu auch schwer überrascht. Aber der letzte Funken ist schlussendlich bei mir nicht übergesprungen. Drei von Dror Mishani ist in meinen Augen recht gut gemachte und schöne Unterhaltung. Aber nicht mehr.

  • Faszinierend und facettenreich


    Dies war mal ein Krimi, der aus der Reihe tanzt, obwohl er über alle Elemente des klassischen Genres verfügt: wir haben einen Mörder, wir haben seine Opfer. Dabei geht der Mörder nicht immer nach dem gleichen Schema vor. Weder bei der Art wie er sie kennenlernt noch bei der Vorgehensweise beim Töten. Wie ihm schließlich das Handwerk gelegt wird und von welcher Seite ganz unerwartet das geschieht, ist wie eine Katharsis aus der antiken Tragödie.


    In den ersten beiden Teilen bleibt der Erzähler außerhalb des Geschehens, wir erfahren was die beiden ersten Opfer bewegt, wie sie leben, was sie erleben, was sie suchen. Der Täter selbst bleibt vage, er liefert seinen Opfern das Bild des idealen Partners oder Freundes. Bis das Bild Kratzer bekommt. Die Erzählzeit ist der klassische Imperfekt Indikativ. Im dritten Teil ändert sich das. Die Tempi wechseln zwischen Imperfekt und Präsens, zwischen Indikativ und Konjunktiv. Der Erzähler bricht seine Distanz, er steht nicht mehr über dem Geschehen, sondern wendet sich direkt an die ersten beiden Opfer, erzählt und erklärt ihnen was geschieht, der Leser selbst wird zum Zaungast. Wenn in den ersten beiden Teilen der Leser zusammen mit dem Erzähler die Handlung verfolgt, ändert sich das im letzten Teil des Romans, der Leser erlebt den kathartischen Höhepunkt und Auflösung des Falls quasi im Alleingang, weil der Erzähler nicht mehr ihn im Blickpunkt hat sondern die ersten beiden Opfer.


    Die Handlung spielt in Israel mit einem kurzen traurigen Intermezzo in Osteuropa. Aber wenn nicht ausdrücklich Tel Aviv und seine Viertel und Straßen im Buch genannt würden, könnte der Krimi in jedwelcher anderen Großstadt dieser Welt spielen. Keine Hisbollah, keine orthodoxen Strenggläubige, keine Intifada, keine Militärkontrollen, keine Anschläge, keine Raketen, keinerlei Anzeichen eines von Terrorismus und Politik gespaltenen Landes. Einfach nur normales 0815 Leben: Leute lernen sich übers Internet kennen, oder in Cafés, gehen spazieren, ins Kino, in den Kurzurlaub. Sie feiern Kindergeburtstag am Strand, korrigieren Klassenarbeiten, gehen auf Geschäftsreisen, schreiben an der Masterarbeit, pflegen alte Menschen. Man könnte das fast die unbekannte Seite Israels nennen, wenn wir als Vergleich das Bild Israels in den Nachrichten heranziehen.


    Ich versuche mal zusammen zu fassen, ohne zu spoilern: Lesenswert, spannend, faszinierend

  • Interessant, wie hier die Meinungen auseinandergehen - das ist ja fast das Beste an diesem Roman :lol:


    Ja, ich bezeichne es eher als Roman denn als Krimi. Wobei Mishanis eigene Bezeichnung eines Detektivromans, in dem der Detektiv erst am Ende auftritt, vielleicht sogar die treffendste ist. Danke an rumble-bee fürs Abtippen des Interviews :friends:


    Gleich vorweg: mir würde nichts fehlen, hätte ich das Buch nicht gelesen. Meine Bücherwürmer haben mehrheitlich entschieden, ich hatte keine großen Einwände und ich hatte offen gesagt auch eine ganz andere Geschichte erwartet als ich dann gelesen habe. Aber als Geschichte fand ich es weder als fesselnd noch großartig spannend, weder wirklich psychologisch tiefgründig oder gar anspruchsvoll. Immerhin lässt es sich leicht lesen, das ist ja wenigstens etwas 8)

    Und – alle drei Abschnitte sind im Präsens geschrieben,

    Nein, sind sie nicht - aber vielleicht kommt der Eindruck daher, dass (wenn ich es jetzt richtig verstanden habe) immer dann Präsens verwendet wird, wenn es um irgendetwas geht, das mit ihm zu tun hat. Dieser Zeitenwechsel ist übrigens etwas, was mich sehr schnell nervt und war beinahe der Grund für einen Abbruch im ersten Teil. Ich kann das schlicht nicht ausstehen 8-[


    Es gibt ein sehr großes Fragezeichen, das bei mir leider für massiven Sterneabzug in der Bewertung führt. Die große Frage nach dem "Warum?" steht im Raum.

    Das hat auch bei mir zu massivem Abzug geführt. Nichts gegen ein offenes Ende einer Geschichte, aber hier fehlt jetzt schlicht etwas. Diese offene Frage ist für mich wie ein Abbruch vor dem eigentlichen Ende dieser Geschichte. Dabei geht es für mich nur um das Warum von Teil 1, denn das Warum der anderen Teile ergibt sich ja aus dieser ersten Geschichte.

    Und dabei steigert sich die Spannung innerhalb des Buches von Teil zu Teil.

    Naja, spannend fand ich das Buch jetzt nicht gerade. Eher ziemlich vorhersehbar bis auf das, was ihr im Spoiler besprochen habt. Das war wenigstens eine kleine Überraschung am Ende. :wink:

    Der erste Teil zog sich ein bisschen in die Länge, der zweite Teil empfand nicht mehr ganz so langatmig, wobei mir auch die zweite Frau sympathischer war. Und der dritte Teil war im Gegensatz dazu richtig spannend, konnte mich packen.

    Der dritte Teil hat mich in den Kapiteln gepackt, in denen es nicht um ihn ging. Was sagt das nun über das Buch, die Geschichte? Ich weiß es selbst nicht so genau:-k. Im übrigen ging mir die Frau aus Teil 1 gehörig auf die Nerven :pale:

    Am besten gefielen mir die Darstellung und der Einblick von Israel.

    Magst Du mir das erklären? Ich habe lediglich das Gefühl, die Stadtviertel und Straßennamen von Tel Aviv zu kennen. Und das Gefühl, dass es sich nicht leicht dort leben lässt, jedenfalls in finanzieller Hinsicht. Aber ansonsten habe ich nicht wirklich den Eindruck, viel vom Leben in Israel, von den Menschen, deren Mentalität kennen gelernt zu haben.

    Der Autor wechselt immer wieder zwischen den Erzählzeiten, meist schreibt er im Präteritum, gelegentlich im Präsens und im dritten Teil manchmal auch im Futur. Ich könnte mir schon vorstellen, dass dahinter eine bestimmte Intention steht, aber welche, ist mir nicht klar geworden.

    Ich glaub, das ergibt sich hieraus:

    den unerwarteten Schluss des ersten Teils, den unvermeidlichen Schluss des zweiten, die Wendung am Ende des dritten.

    Teil 1 ist die Grundlage, die Geschichte der Vergangenheit. Er wird mehrheitlich im Präteritum erzählt. Teil 2 ist aktuell und daher mehrheitlich im Präsens, aber nicht durchgängig. Und in Teil 3 spricht der Erzähler phasenweise mit ihm und erklärt ihm quasi, was passieren wird - vielleicht deshalb das Futur. Und immer, wenn es um Geschehnisse mit ihm geht, dann das Präsens. So erkläre ich es mir jetzt im Nachhinein, nachdem ich Eure Kommentare und auch das Interview gelesen habe.

    Aber gefallen hat mir dieser Aufbau nicht. Und wo die von Mishani erwähnten "unerwarteten Wendungen und Entwicklungen" stecken, weiß ich leider auch nicht.

    Insgesamt sieht man hier psychologisch recht gut ausgearbeitete Blicke auf die Menschen. Aber für einen literarischen Roman sind diese Blicke doch recht kurz umrissen.

    Hmm, also für mich waren das sehr kurze, sehr enge Augenblicke, aber keine gut ausgearbeiteten Einblicke in die Psyche der handelnden Personen.


    Nein, leider hat dieser Roman meine Erwartungen nicht erfüllt. Man kann ihn lesen, er liest sich locker-flockig weg ohne große sprachliche Überraschungen. Aber man hat in der Lesewelt wohl nichts verpasst, wenn man ihn ungelesen beiseite packt.

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Kai Seyfarth - Entscheidung in Aleppo: Walter Rößler, Helfer der verfolgten Armenier


  • Squirrel puh, ich weiß nicht, ob ich das noch ganz auf die Reihe bekomme, aber mir ist in Erinnerung geblieben, dass Israel sehr plastisch und anschaulich beschrieben wurde, zB die Region an sich, das Laubhüttenfest, die Totenwache etc.

    Für jemanden wie mich, der noch nie in Israel war, war die Darstellung ein Zugang zu diesem Land.

  • Israel sehr plastisch und anschaulich beschrieben wurde, zB die Region an sich, das Laubhüttenfest, die Totenwache etc.

    Spannend, dass Du das so empfindest während ich das Gefühl habe, über Land und Leute nicht wirklich etwas erfahren zu haben. Ich weiß extrem wenig über Israel, muss ich zugeben, und ich kann nicht sagen, dass ich jetzt mehr wüsste.


    Was ich vorhin vergessen habe noch zu schreiben: die Detailversessenheit des Autors ging mir auch sehr auf den Geist. Da war für meinen Geschmack viel zu viel an unnützen Informationen reingepackt, zu viel "tell" statt "show". Ein Beispiel dafür, was ich meine: die Polizistin erinnert sich daran, dass sie an dem Tag, an dem Chava den Karton auf die Wache brachte, normalerweise keinen Dienst gehabt hätte, aber für einen verletzten Kollegen einspringen musste. Reicht an Info, mehr braucht es nicht, aber Mishani macht daraus "sie müsse für einen Kollegen Dienst tun, der sich morgens beim Joggen den oberen Zwillingsmuskel gerissen hatte" (Seite 266/267). Sowas ist nicht zielführend, hilft der Geschichte nicht, ist überflüssig. Und davon gab es für meinen Geschmack zu viel in diesem Roman.

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Kai Seyfarth - Entscheidung in Aleppo: Walter Rößler, Helfer der verfolgten Armenier


  • Jetzt bin ich unsicher

    Mir wurde das Buch von einem Bekannten empfohlen, der schon mehrmals in Israel war und das Land liebt. Mir hat es - das Buch - nicht so sehr gefallen, und ich vermute, dass die Begeisterung vor allem daher rührte, dass ein in Israel spielender Krimi tatsächlich ins Deutsche übersetzt wurde.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)