Gerhard Loibelsberger - Morphium, Mokka, Mördergeschichten: Wien zur Zeit Joseph Maria Nechybas

  • Der Wiener Kultermittler Joseph Maria Nechyba darf in diesen 13 Kurzgeschichten nochmals ermitteln und natürlich essen.Dabei sind die Fälle teilweise durch wahre Kriminalfälle inspiriert bzw. nach einer wahren Begebenheit erzählt.

    Das Cover des Buches passt perfekt - nicht nur zur bisherigen Reihe um den Kultermittler, sondern auch natürlich zu der Zeit, aber auch zu einer Kurzgeschichte im Besonderen.

    Der Schreibstil des Autors ist ausgezeichnet - die Charaktere als auch die Orte werden hier perfekt beschrieben, sodass man sich ein Bild von Wien um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert vorstellen kann. Dazu gehört natürlich auch eine sehr gute Recherche dazu.

    Wie in der ganzen Nechyba-Reihe dominiert neben den Kriminalfällen (die hier teilweise etwas in den Hintergrund treten) der Humor (oder besser gesagt der Schmäh). Aber auch das Essen (auch mit Rezepten, die in der Geschichte "versteckt" sind) spielt wie immer eine große Rolle.

    Für "Nicht-Österreicher" übersetzt bzw. erklärt der Autor in Fußnoten und im Anhang viele Begriffe, wobei selbst mir als Österreicher einige wenige nicht bekannt sind.

    Neben lustigen Situationen sind aber wieder die Charaktere kauzig und sehr verschieden und viele historische Charaktere dürfen hier mitspielen.

    Fazit: Den Wiener Flair zur Jahrhundertwende perfekt eingefangen. 5 von 5 Sternen

  • Das historische Wien als spannende Kulisse


    Eines gleich vorweg: Dieser Band mit Kriminalkurzgeschichten ist, auch laut Aussage des Autors, für sich als Ganzes zu betrachten – und weniger als ein Erproben der Kurzform als Fingerübung. Zuvor ist eine Reihe mit Romanen (!) um den Helden Joseph Maria Nechyba erschienen. Dieser siebte Band nun soll gewissermaßen den krönenden Abschluss bilden, sozusagen eine Hommage an Nechyba, und ein Rückblick auf sein gesamtes Leben.


    Die Geschichten bilden das Leben Nechybas im historischen Wien ab; sie reichen vom Jahr 1873 bis zum Jahr 1917. Sie zeichnen seine Karriere nach – vom neugierigen Buben bis zum erfahrenen Polizeiagenten. Gleichzeitig findet sich natürlich auch viel Hintergrundinformation, über die Lebensumstände im damaligen Wien, über Politik und Soziales.


    Mir hat das Buch ausnehmend gut gefallen! Dieser Nechyba ist nämlich ein waschechter Wiener. Er grantelt, isst für sein Leben gern, gibt sich seinen Untergebenen gegenüber überheblich, Verdächtigen gegenüber auch gerne mal grob. Er leitet Ermittlungen am liebsten vom Wirtshaus aus. Er raucht Zigarre, und lässt sich am Abend in Pantoffeln entweder von der Antschi-Tant‘ (als Junggeselle) oder später von seiner Frau Aurelia verwöhnen.


    Die Fälle an sich treten oft etwas in den Hintergrund, was mich aber nicht sehr gestört hat. Es ist auf jeden Fall keine nervenzerfetzende Spannung, die hier vorherrscht. Vielmehr soll gezeigt werden, wie die Wiener, und wie Nechyba gedacht und gelebt haben. Teilweise beruhen die Fälle auf wahren Begebenheiten! Und das fand ich sehr erhellend. Man hasste Schwule und Zigeuner, man war auf Ehre und auf Pöstchen und Posten bedacht, man wahrte die Wohlanständigkeit, aber insgeheim frönte man doch dem einen oder anderen Laster…


    Nechyba als Ermittler hat sowohl etwas von Columbo, als auch von Schimanski. Seine Denkweise ist auf jeden Fall ungewöhnlich, ein wenig „um die Ecke“. Dadurch kommt er oft weiter, als die einfachen Dorfgendarmen, oder auch als seine eigenen Kollegen. Außerdem macht er im Laufe des Buches eine Entwicklung durch: am Anfang noch unbeugsam, später immer verständnisvoller, und Milde walten lassend.


    Das Allerbeste war jedoch für mich das überaus lebendige Lokalkolorit! Also das grantelnde Wienerische, sowie die Rezepte. Ja, Rezepte! Die werden wie beiläufig in die Handlung „geschummelt“. So erfährt man zum Beispiel, dass eine beliebte Wiener Redensart für „alles egal“ auf einer Süßspeise beruht = „alles Powidl“. Die Sprache hat mir im ganzen Buch durchweg Freude bereitet. Sie sprüht geradezu vor Lebendigkeit und Schmäh. Verständlich ist sie dennoch. Dafür sorgen zahlreiche Fußnoten, sowie ein ausführlicher Anhang mit Glossar.


    Ich würde dieses Buch jetzt nicht unbedingt jedem Krimifan empfehlen – nur demjenigen, der entweder Joseph Maria Nechyba schon kennt, der Regionalkrimis mag, oder der einen Hang zum Historischen hat. Von mir persönlich heißt es jedoch klar: Daumen hoch!

    "Ein Mensch, der Ideale hat/
    Der hüte sich, sie zu erreichen!/
    Sonst wird er eines Tags anstatt/
    Sich selber andern Menschen gleichen."
    (Erich Kästner) :):)