Müsst Ihr Euch zeitlich in einer Geschichte verorten?

  • Denn ich finde es schön zu erfahren, wie unterschiedlich alle drauf reagieren, was für jeden Einzelnen wichtig oder weniger wichtig ist.

    Ja, das finde ich auch spannend. Beim Beispiel der Vornamen würde mir vermutlich gar nicht auffallen, wenn die "unpassend" verwendet werden, weil ich davon so gar keine Ahnung habe. :uups:

    Aber man hat ja vielleicht ein gewisses Gespür für die Namen der eigenen Generation und die der Eltern- und Großelterngeneration und würde die in einem Buch nicht komplett vertauscht verwenden?

    Ich rede auch hier nicht von einzelnen Namen, die mal in anderen Generationen auftauchen können, sondern wenn sich das penetrant durch ein ganzes Buch zieht.

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    :montag: Deb Olin Unferth - Happy Green Family (Reread)





  • Beim Beispiel der Vornamen würde mir vermutlich gar nicht auffallen, wenn die "unpassend" verwendet werden, weil ich davon so gar keine Ahnung habe. :uups:

    ja bei der Fragen nach den Namen bin ich ganz bei dir. Auch wenn ich ein wenig Ahnung habe, in welcher Zeit welche Namen eher Gang und Gäbe waren. Aber es kommt selten vor, dass mich das irgendwie bekümmert. O:-) Wenn ich einen modernen Roman lese, und da Jugendliche oder Kinder mit Namen Waltraud oder Mechthilde vorkommen würden, würde ich auch stutzig werden. Aber wenn es eher harmlos ist, dann ist es nicht so schlimm für mich.

    2024: Bücher: 99/Seiten: 43 438

    2023: Bücher: 189/Seiten: 73 404

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    Mein Blog: Zauberwelt des Lesens
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    "Das Nicht-Wahrnehmen von Etwas beweist nicht dessen Nicht-Existenz "

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    Lese gerade:

    Macdonald, Helen/Blaché, Sin - Prophet

  • In Romanen tauchen durchaus Schieflagen auf, bei denen man sich fragt, ob sie bewusste Brüche sind oder ob Autor/Autorin keinen Draht zu der Epoche gefunden hat, die sie beschreiben.

    Da möchte ich kurz darauf eingehen, was Saoirse geschrieben hat, denn ich habe die Erfahrung gemacht, dass nicht nur beim Bücherlesen die eigenen Maßstäbe und Wertvorstellungen von heute tiefgreifender verankert sind, als man vermuten möchte. Manchmal sind es nämlich auch die Leser, die einem Autor mangelnde Recherche oder Fehler unterstellen, die gar keine sind.

    Ein Beispiel: In der Antike und im Mittelalter, sicherlich auch noch einige Jahrhunderte danach, war Freiheit kein erstrebenswertes Gut. Heute sehen wir das anders, aber damals bedeutete Freiheit Unsicherheit. Manch einer hat sich lieber selber in die Knechtschaft gebracht als auf sich gestellt zu sein. In der modernen westlichen Welt undenkbar, für einen Menschen des Mittelalters eine kluge Überlegung.

    Das finde ich sehr treffend! Und auch die Aussage, dass niemand genau sagen kann, was in Menschen vergangener Epochen vorging, da man sie nicht selbst miterlebt hat. Insofern ist mir ein wenig Fantasie in Romanen lieber, als wenn ich alles wie im Geschichtsbuch serviert bekomme (was evtl. auch nicht hundertprozentig verbürgt ist). Ich finde, Belletristik, - auch die historische - darf sich die Freiheit herausnehmen, ein wenig zu fabulieren. Sonst gäbe es bald nur noch trocken zu lesende Sachbücher.

  • Beim Beispiel der Vornamen würde mir vermutlich gar nicht auffallen, wenn die "unpassend" verwendet werden, weil ich davon so gar keine Ahnung habe. :uups:

    ja bei der Fragen nach den Namen bin ich ganz bei dir. Auch wenn ich ein wenig Ahnung habe, in welcher Zeit welche Namen eher Gang und Gäbe waren. Aber es kommt selten vor, dass mich das irgendwie bekümmert. O:-)

    So unterschiedlich sind wir LeserInnen. :lol:

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  • In Romanen tauchen durchaus Schieflagen auf, bei denen man sich fragt, ob sie bewusste Brüche sind oder ob Autor/Autorin keinen Draht zu der Epoche gefunden hat, die sie beschreiben.

    Da möchte ich kurz darauf eingehen, was Saoirse geschrieben hat, denn ich habe die Erfahrung gemacht, dass nicht nur beim Bücherlesen die eigenen Maßstäbe und Wertvorstellungen von heute tiefgreifender verankert sind, als man vermuten möchte. Manchmal sind es nämlich auch die Leser, die einem Autor mangelnde Recherche oder Fehler unterstellen, die gar keine sind.

    Das finde ich sehr treffend! Und auch die Aussage, dass niemand genau sagen kann, was in Menschen vergangener Epochen vorging, da man sie nicht selbst miterlebt hat. Insofern ist mir ein wenig Fantasie in Romanen lieber, als wenn ich alles wie im Geschichtsbuch serviert bekomme (was evtl. auch nicht hundertprozentig verbürgt ist). Ich finde, Belletristik, - auch die historische - darf sich die Freiheit herausnehmen, ein wenig zu fabulieren. Sonst gäbe es bald nur noch trocken zu lesende Sachbücher.

    Mit höchst kommunikationsfreudigen, vor 1900 geborenen Großeltern, die zahlreiche Geschwister hatten, fühle ich mich in meinem Urteil über diese Epoche jedenfalls ziemlich sicher. :)

    Wenn ich von diesen Zeitzeugen weiß, dass 1920 quer durch alle sozialen Schichten viele Kleidungsstücke nicht waschbar waren, Wäsche allgemein eine zeitraubende Knochenarbeit war, viele Leute sich im Winter nur in der Küche waschen konnten, weil es der einzige geheizte Raum war, dann mag ich im Roman, der zu der Zeit spielt, niemanden vorgestellt bekommen, der fortwährend eben flink unter die Dusche springt und sich täglich von Kopf bis Fuß sauber anzieht ...

    :study: -- Damasio - Gegenwind

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    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Buchdoktor Um technischen Komfort oder die Lebensweise des frühen 20. Jahrhunderts ging es mir gar nicht - dein Beispiel lässt sich leicht zurückverfolgen und erfordert keine besonders ausgefeilte Recherche. Mir ging es mehr um Gedanken und (Moral-)Vorstellungen aus längst vergangenen Epochen wie im obigen Beispiel das Mittelalter. Und die sind oft anders als unsere heute. Wäre ja auch schlimm, wenn es nicht so wäre.


    Aber ich finde es wichtig, nicht sofort zu urteilen, nur weil man gewisse Dinge anders sieht oder meint, sich auf jenem Gebiet/in der Epoche ganz besonders gut auszukennen. Letztendlich sind Romane Unterhaltungsliteratur. Wenn ich gut unterhalten werde, stört mich auch das eine oder andere nicht, das mir im ersten Moment seltsam vorkommt.

  • Gerade habe ich darüber nachgedacht, wie viele Bücher ich gelesen habe, in denen nicht hervorgeht, wann und wo sich die Handlung abspielt und wie alt die Protagonisten sind.

    Ich glaube, ich habe noch nie ein Buch gelesen, in dem schlussendlich diese Punkte für mich unbefriedigend ungeklärt blieben. Also besteht auch eigentlich gar kein Grund, sofort zu rechnen - und ich tu es trotzdem immer wieder. Eigentlich bescheuert, aber eben ein Tick von mir. O:-)


    Ein Beispiel: In der Antike und im Mittelalter, sicherlich auch noch einige Jahrhunderte danach, war Freiheit kein erstrebenswertes Gut. Heute sehen wir das anders, aber damals bedeutete Freiheit Unsicherheit. Manch einer hat sich lieber selber in die Knechtschaft gebracht als auf sich gestellt zu sein. In der modernen westlichen Welt undenkbar, für einen Menschen des Mittelalters eine kluge Überlegung.

    Ein sehr gutes Beispiel, das mir früher auch lange so deutlich nicht bewusst war. Bis ich mal das Buch gelesen habe, das ich hier angehängt hab. Das war sehr aufschlussreich. Leider gibt es davon keine Übersetzung.


    Das war mir noch nie so bewusst gewesen, aber ja, ich versuche immer die Zeitschiene und das Alter nicht aus dem Auge zu verlieren. Da blätter ich auch mal hin und her um mich wieder zu orientieren.

    Du tickst wie ich :D


    Ich möchte nochmal betonen, dass es mir nicht um einzelne Namen und die damit verbundenen klischeehaften oder nichtklischeehaften Assoziationen ging, sondern um das Phänomen, dass im gesamten Buch die Namen der Protas "aus der Generation fallen" und dass mich das - @topic - an der korrekten zeitlichen Einordnung der Handlung eines Buches hindern kann.

    Das hab ich schon so verstanden :friends:

    Wenn ich einen modernen Roman lese, und da Jugendliche oder Kinder mit Namen Waltraud oder Mechthilde vorkommen würden, würde ich auch stutzig werden.

    Aber da werdet Ihr evtl. in wenigen Jahren ein "Problem" bekommen. Wenn ich mir überlege, wie stark in meinem Umfeld "alte" Namen wieder modern geworden sind, dann komm ich aus dem Staunen kaum heraus. Da gibt es Oskar, Knut, Kilian, Jakob, Lena, Minna, Willem, Valentin und ganz viel mehr mittlerweile. In wenigen Jahren tauchen diese Namen dann vermutlich vermehrt in Erzählungen auf und sorgen für ein wenig gedanklichen Mischmasch.. :wink:


    Mit höchst kommunikationsfreudigen, vor 1900 geborenen Großeltern, die zahlreiche Geschwister hatten, fühle ich mich in meinem Urteil über diese Epoche jedenfalls ziemlich sicher. :)

    Wenn ich von diesen Zeitzeugen weiß, dass 1920 quer durch alle sozialen Schichten viele Kleidungsstücke nicht waschbar waren, Wäsche allgemein eine zeitraubende Knochenarbeit war, viele Leute sich im Winter nur in der Küche waschen konnten, weil es der einzige geheizte Raum war, dann mag ich im Roman, der zu der Zeit spielt, niemanden vorgestellt bekommen, der fortwährend eben flink unter die Dusche springt und sich täglich von Kopf bis Fuß sauber anzieht ...

    Oh, da beneide ich Dich grad ein wenig - ich hätte so gern auch diese Gespräche geführt. Aber ging leider nicht :-? Aber dafür erinnere ich mich an den gemauerten Waschkessel im 1. Kellergeschoss bei meiner Oma, die übrigens erst im Alter von über 70 in ihrer Wohnung ein kleines Bad und Zentralheizung bekam. Und sie lebte in der Innenstadt von Wiesbaden. Insofern versteh ich genau, was Du meinst. :lol:

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Kai Seyfarth - Entscheidung in Aleppo: Walter Rößler, Helfer der verfolgten Armenier


  • Ein Beispiel: In der Antike und im Mittelalter, sicherlich auch noch einige Jahrhunderte danach, war Freiheit kein erstrebenswertes Gut. Heute sehen wir das anders, aber damals bedeutete Freiheit Unsicherheit. Manch einer hat sich lieber selber in die Knechtschaft gebracht als auf sich gestellt zu sein. In der modernen westlichen Welt undenkbar, für einen Menschen des Mittelalters eine kluge Überlegung.

    Ein sehr gutes Beispiel, das mir früher auch lange so deutlich nicht bewusst war. Bis ich mal das Buch gelesen habe, das ich hier angehängt hab. Das war sehr aufschlussreich. Leider gibt es davon keine Übersetzung.

    Das sieht sehr spannend aus! Da hat die Wunschliste wieder Zuwachs gekriegt.


    Wenn ich von diesen Zeitzeugen weiß, dass 1920 quer durch alle sozialen Schichten viele Kleidungsstücke nicht waschbar waren, Wäsche allgemein eine zeitraubende Knochenarbeit war, viele Leute sich im Winter nur in der Küche waschen konnten, weil es der einzige geheizte Raum war, dann mag ich im Roman, der zu der Zeit spielt, niemanden vorgestellt bekommen, der fortwährend eben flink unter die Dusche springt und sich täglich von Kopf bis Fuß sauber anzieht ...

    Oh, da beneide ich Dich grad ein wenig - ich hätte so gern auch diese Gespräche geführt. Aber ging leider nicht :-? Aber dafür erinnere ich mich an den gemauerten Waschkessel im 1. Kellergeschoss bei meiner Oma, die übrigens erst im Alter von über 70 in ihrer Wohnung ein kleines Bad und Zentralheizung bekam. Und sie lebte in der Innenstadt von Wiesbaden. Insofern versteh ich genau, was Du meinst. :lol:

    Leicht Off-Topic, aber vielleicht nicht uninteressant: Meine Gastoma in Irland wohnte in einem tollen Stadthaus in Dublin direkt an der Liffey. Ein schönes Haus aus dem 19. Jahrhundert, wie ihr es vielleicht mal auf Postkarten gesehen habt. Leider hatte das Ding auch 2007 noch keine Zentralheizung und das Bad war in einem eigenen Gebäudeteil hinter dem Wohnhaus. Ich war dort im Winter zu Besuch und musste in einem für Irland superkalten Winter erst rausgehen, um in einem nicht beheizten Raum die Toilette oder Dusche zu benutzen. Kein Wunder, dass Nana Jo lieber bei ihren Kindern zu Besuch war und abends mit heißem Grog in einer Decke eingekuschelt am Ofen in der Küche saß. 8-[

    Gelesene Bücher 2011: 35 | 2012: 29 | 2013: 35 | 2014: 68, 2015: 52 | 2016: 66 | 2017: 53 (gehört: 05) | 2018: 43 (gehört: 06) | 2019: 17 (gehört: 3) | 2020: 07 (gehört: 03)

  • Das sieht sehr spannend aus! Da hat die Wunschliste wieder Zuwachs gekriegt.

    Kann ich gut, nicht wahr? :lol:

    Kein Wunder, dass Nana Jo lieber bei ihren Kindern zu Besuch war und abends mit heißem Grog in einer Decke eingekuschelt am Ofen in der Küche saß. 8-[

    Das kann ich gut verstehen :loool: Ich mag mir gar nicht vorstellen, in einem ungeheizten Raum im Winter duschen zu müssen :pale:

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Kai Seyfarth - Entscheidung in Aleppo: Walter Rößler, Helfer der verfolgten Armenier


  • Leicht Off-Topic, aber vielleicht nicht uninteressant: Meine Gastoma in Irland wohnte in einem tollen Stadthaus in Dublin direkt an der Liffey. Ein schönes Haus aus dem 19. Jahrhundert, wie ihr es vielleicht mal auf Postkarten gesehen habt. Leider hatte das Ding auch 2007 noch keine Zentralheizung und das Bad war in einem eigenen Gebäudeteil hinter dem Wohnhaus. Ich war dort im Winter zu Besuch und musste in einem für Irland superkalten Winter erst rausgehen, um in einem nicht beheizten Raum die Toilette oder Dusche zu benutzen. Kein Wunder, dass Nana Jo lieber bei ihren Kindern zu Besuch war und abends mit heißem Grog in einer Decke eingekuschelt am Ofen in der Küche saß. 8-[

    Reisen kann da sehr lehrreich sein. Früher war Polyacryl für mich böse, weil ich darin schwitze. In anderen Ländern weißt du plötzlich zu schätzen, wenn du die Wäsche überhaupt trocken kriegst - allerliebstes Polyacryl ...


    Anekdote aus Irland:

    "Als 1970 die Männer kamen, um in unserer Straße die Strommasten zu setzen, schickte meine Oma sie wieder weg. Wir brauchten sowas nicht. Wir mussten dann warten, bis zu uns als allerletztem Haus Stromleitungen gelegt wurden ..."

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