Tagebuch eines Buchhändlers
Autor: Shaun Bythell
Verlag: btb (August.’19)
ISBN-10: 3442718651
Seiten: 448
Inhalt:
„Tagebuch eines Buchhändlers“ von Shaun Bythell ist ein autobiografisches Buch. Ein Jahr lang führt er Tagebuch über seine antiquarische Buchhandlung in Wigtown, Schottland, mit 100.000 Büchern. Er listet seine Verkäufe auf, Kundengespräche oder Vorkommnisse mit seinen Angestellten.
Donnerstag, 24. April
Online-Bestellungen: 3
Gefundene Bücher: 3
Eine ältere Kundin erzählte mir, dass das nächste Buch ihres Buchclubs Dracula sei, aber sie konnte sich nicht daran erinnern, was er geschrieben hatte.
Kasse insgesamt £160,70
14 Kunden
Reflexion:
Ich fand es sehr spannend, die Interna eines Antiquariates zu erfahren.
Wie notwendig es zum Beispiel ist, mit Amazon zusammen zu arbeiten. Man kann einen Teil seiner Bücher zu Amazon schicken, wo sie gelistet und gelagert werden. Kauft ein Kunde das Buch, wird es von einem Amazon-Mitarbeiter verpackt und versendet.
„Kaum ein Buchhändler kann Amazon leiden, aber traurigerweise ist das der einzige Buchhändler weit und breit, der im Internet tatsächlich etwas verkauft.“
Man muss sich allerdings auch ständig mit seinem Ranking bei Amazon beschäftigen. Den sinkt es, weil man zum Beispiel erst Montag auf eine Anfragen von Samstag reagiert, kann es passieren, dass man von Amazon gesperrt wird.
Bythell beschreibt auch seine Bucheinkäufe, die zum großen Teil durch Haushaltsauflösungen entstehen. Oft beharren die Leute darauf, dass er alle Bücher mitnimmt, also auch den Schund.
Sehr spannend fand ich seine Erzählung, wie es in Großbritannien dazu kam, dass die Preisbindung bei Büchern aufgehoben wurde und die daraus entstandenen Folgen.
„Einer der Vorteile der Buchpreisbindung war, dass sie es den Verlagen mittels der dadurch entstanden finanziellen Stabilität des Marktes ermöglichte, Bücher zu veröffentlichen, die vielleicht eher einen kulturellen und weniger einen ökonomischen Wert hatten. Ohne das NBA [Net Book Agreement] können die Verlage solche Risiken nicht mehr eingehen, was zur Folge hat, dass die Anzahl der jährlich gedruckten Bücher in Großbritannien zwar zugenommen, die Anzahl der Titel aber abgenommen hat. Es gibt also höherer Auflagen von weniger Büchern.Der Buchmarkt wird nicht mehr von den Verlagen, sondern von den Vertretern von Watersones oder Tesco oder anderen „Kombinationen“ bestimmt, wie Orwell sie genannt hätte.“
Da können wir nur hoffen, dass bei uns in Deutschland die Preisbindung bestehen bleibt.
Nicky ist seine Angestellte und sie ging mir tierisch auf die Nerven. Sie kommt immer zu spät, macht nie, um was Bythell sie bittet. Ist scheinbar ungepflegt und bringt immer irgendwelche Nahrung aus dem Müllcontainer mit.
Im Laufe des Buches schreibt er, dass er sie behält, weil sie auf ihre Weise den Laden sehr liebt und auch eine Bereicherung für den Laden ist.
Aber seine ständig negative Beschreibung über Nicky lässt sie einfach nur sehr unsympathisch wirken.
Und es stellt sich die Frage, ob er hier seinen Frust, auch auf die Kunden, etwas hätte zügeln können.
An vielen Stellen ist das Buch total witzig. Ein richtig trockener Humor. Aber an vielen Stellen war ich auch erstaunt, wie negativ seine Gedanken sind. Bythell ist mir generell sympathisch und ich würde ihn gerne mal begleiten, wenn er zu einer Haushaltsauflösung geht. Aber ich habe mir immer wieder die Frage gestellt, ist er so zynisch oder ist es ein Schutzmechanismus von ihm? Den eine weiche Seite spürt man kaum.
Manche Kunden sind schon wirklich selten dämlich und ich weiß, warum ich nicht im Kundeservice arbeiten könnte. Ich verstehe, wenn man da auch einfach zynisch wird.
Leider fand ich das Buch auch etwas langatmig. Es gibt halt nicht jeden Tag etwas zu erzählen und das irgendeine fremde Katze immer wieder in seine Wohnung und den Laden gepinkelt hat, ist völlig uninteressant. Hier wäre es vielleicht besser gewesen, nicht jeden Tag im Jahr zu beschreiben.
Fazit:
Witzig, humorvoll, zynisch, aber leider auch langatmig.
Man erfährt viel über die Interna eines Antiquariats und das fand ich ausgesprochen spannend.
Es wäre aber schöner gewesen, wenn das Buch etwas geraffter gedruckt worden wäre.
4 ♥ ♥ ♥ ♥