Edgar Rai - Im Licht der Zeit

  • Im Licht der Zeit
    Edgar Rai
    Rezensionsexemplar/Roman
    Piper
    Erschienen am: 05.08.2019
    Hardcover
    Seiten: 512

    Inhalt:

    In Amerika hat der Tonfilm längst die Kinos erobert, Deutschland verliert mit seinem Stummfilm den Anschluss. Nun soll die mächtige UFA das Land wieder an die Spitze bringen, koste es, was es wolle.

    Karl Vollmöller hat fast alles beisammen. Einen gefeierten Oscar-Preisträger, das modernste Tonfilmatelier, den besten Stoff und einen genialen Regisseur. Sein Film „Der blaue Engel“ soll ein neues Zeitalter einläuten, nur die Hauptdarstellerin fehlt noch. Die Dietrich vielleicht? Als Revuegirl ist sie klasse? Dich, sie besitzt keinerlei schauspielerisches Talent, so sagt man. Dennoch… (eigene Inhaltsangabe)


    Rezension:

    Kurz vor Beginn der Weltwirtschaftskrise blüht in Berlin das kuturelle Leben. Bars und Revues gibt es nahezu überall, beinahe wöchentlich eröffnen neue Kinos. Schriftsteller, Musiker und Schauspieler geben sich in der deutschen Hauptstadt die Klinke in die Hand. Die Welt dreht sich und Berlin ist kurz vor dem Höhepunkt, im Tanz auf den Vulkan. Es ist das Ende der 1920er Jahre, alles ist erlaubt und noch haben die Nationalsozialisten nicht die Macht ergriffen. Es ist zugleich das Ende und der Beginn einer Ära.


    Der Berliner Schriftsteller Edgar Rai entführt uns in das Berlin Heinrich Manns, Erich Kästners und Hans Albers‘ und zeigt, wie der Tonfilm in zuerst kleinen, dann immer größeren Schritten seinen Durchbruch feierte. Zwar gab es schon längst erste Versuche, Bild und Ton in Einklang zu bringen, doch kamen sie vor allem von der anderen Seite des großen Teiches. Noch konnten Stars wie Henny Porten Erfolg um Erfolg feiern. Die neue Zeit hielt dies nicht zurück, Förderer und Visionären wie Karl Vollmöller sei Dank.


    In mühevoller Recherchearbeit durch die Berliner Archive ist es hier Edgar Rai gelungen, ein bewegendes Stück Zeit- und Kulturgeschichte in Romanform umzuwandeln. Aus wechselnder Perspektive erlebt der Leser, wie ein Film erschaffen wurde, der für lange Zeit Maßstäbe setzen sollte. Dies gelingt, sind die Protagonisten allesamt greifbar und wandlungsfähig, Identifikationsfiguren die meisten. Vieles wird sich so oder ähnlich abgespielt haben. Die klirrende Athmosphäre ist sehr nah.


    Dabei ist dies kein Marlene Dietrich Roman. Biografien und entsprechende Werke gibt es schon zu Hauf, viel mehr findet der Leser eine Liebeserklärung an die Hauptstadt Deutschlands, an eine damals noch neue und nicht wenig kritisch beäugte Filmära und an die Filmschaffenden in Babelsberg, die danach noch häufiger den „Ton angeben“ sollten.Zweifelhafte Aspekte lässt Edgar Rai jedoch auch nicht außer Acht, so wird das Aufstreben nationalistisch gesinnter Kräfte ebenso thematisiert, wie auch die Fallgräben des Showgeschäfts, denen sich Stars wie Marlene Dietrich oder auch Emil Jannings gegenüber sahen. Vor, während oder nach ihrer eigentlichen Karriere.


    Diese Mischung macht den Roman einzigartig und auch oder gerade, wer sich nur am Rande für Marlene Dietrich interessiert, aber Stimmungen aufsaugen und ein wenig Berlin 1920er Jahre spüren möchte, zu einem einzigartigen Schriftstück, dem es sich lohnt, sich hinzugeben. Es ist empfehlenswert, von einnehmender Sprache und kurzweiligen Inhalt, soll auch bald verfilmt werden. Es bleibt zu hoffen, dass dann der Film genau so beeindruckend wird, wie edgar Rais literarische Vorlage. Heutige Leser wissen ja, dass Marlene Dietrich durchaus schauspielerisches Talent besaß.

    In diesem Sinne, unbedingt lesen.


    Autor:

    Edgar Rai wurde 1967 geboren und ist ein deutscher Übersetzer und Schriftsteller. Zunächst studierte er Musikwissenschaften und Anglistik, bevor er seit 2012 Mitarbeiter einer literarischen Buchhandlung in Berlin wurde. Unter Pseudonym und unter eigenem namen schrieb er verschiedene Romane, lehrte von 2003-2008 an der FU Berlin Kreatives Schreiben. Er lebt mit seiner Familie in Berlin.

  • Wow, danke für die tolle Vorstellung, findo , das hört sich richtig gut an und wandert direkt auf meine Wunschliste.


    Edgar Rai hat mich mit "Nächsten Sommer" schon total begeistert und ich wusste gleich, dass ich noch mehr von ihm lesen möchte. Und dieses Buch klingt nach "großem Kino" . :lol:

  • Während in den USA der Tonfilm die Zuschauer in die Kinos bringt, setzt man in Deutschland immer noch auf den Stummfilm. Doch die politischen Verhältnisse ändern sich und die UFA soll die deutsche Filmbranche an die Spitze bringe. Karl Vollmöller will das unter allen Umständen schaffen. Dabei lässt er sich auf einen Balanceakt ein, dem mehr als einmal ein Absturz droht. Regie soll Josef von Sternberg führen, der auch bei dem Film „The Last Command“ Regie führte, für den Emil Jannings den Oscar erhalten hatte. Doch die beiden sind zerstritten. Vollmöller trickst und verspricht Jannings eine Filmrolle, die es genauso wenig geben wird, wie den Film. Aber auch das Drehbuch bereitet Schwierigkeiten. Dann braucht es auch noch eine Hauptdarstellerin. Einige Damen dürfen zu Probeaufnahmen antreten. Sternberg will Marlene Dietrich, die sich eigentlich als Revuegirl einen Namen gemacht hat, die aber nicht durch schauspielerisches Talent hervorgetreten ist.

    Ich habe vor nicht allzu langer Zeit einen Roman über Marlene Dietrich gelesen und daher war ich auch gleich an diesem Roman interessiert, der noch einmal eine ganz andere Perspektive auf die Entstehung des Films „Der blaue Engel“ wirft. Das Buch hat mich vom ersten Moment an so gepackt, dass ich es nur schwer wieder aus der Hand legen konnte. Man erlebt diesen Tanz auf dem Vulkan mit, der Berlin in den Zwanzigern erfasst hat. Die Nationalsozialisten machen sich immer breiter und bestimmen auch immer mehr das kulturelle Schaffen. An ihnen wäre fast noch im letzten Moment der Film gescheitert.

    Marlene Dietrich war eine beeindruckende Persönlichkeit, die macht was sie will und sich nicht verbiegen lässt. Aber sie hat auch Selbstzweifel und braucht manchmal eine starke Schulter zum Anlehnen. Sternberg will sie führen und muss dann doch feststellen, dass Marlene selbst weiß, wie sie die Rolle anlegen muss. Er lässt sie laufen. Ist es da ein Wunder, dass es Konflikte mit dem großen Emil Jannings gibt? Emil ist von sich sehr überzeugt und will niemanden neben sich dulden, der ihm Aufmerksamkeit entzieht. Mit Zuckerbrot und Peitsche wird er bei der Stange gehalten.

    Am Anfang eines jeden Kapitels gibt es einen Einblick in Politik und Zeitgeschehen.

    Es ist äußerst interessant mitzuerleben, wie geraden in den Zeiten des Umbruchs ein ganz besonderer Film entsteht. Das Buch hat mich gefesselt und ich kann es nur empfehlen.

  • Das Buch beschreibt die Produktion des ersten Tonfilms der UFA, Der blaue Engel mit Marlene Dietrich in der Hauptrolle. Es wird die Künstlerszene in Berlin der Zwanziger Jahre beschrieben. Wir begegnen vielen bekannten Namen. Auch sind schon die ersten Einflüsse der Nazis zu spüren. Außerdem wird durch Einschübe von Zeitungsartikeln die politische Lage dargestellt.

    Für mich war der historische Hintergrund sehr interessant, da ich relativ wenig über die goldenen Zwanziger weiß. Der Autor beschreibt die Personen sehr gut, so dass sie vor den inneren Auge Gestalt annehmen. Ich fühlte mich sofort mittendrin. Der Entstehungsprozess des Films wird mit allen Intrigen und Winkelzügen geschildert.

    Mir hat das Buch gut gefallen, nur hatte es anfangs einige Längen. Außerdem hat es mich gestört, das es viele Dialoge in englisch gab, die leider nicht übersetzt wurden.

    Sub: 5537:twisted: (Start 2024: 5533)

    Gelesen 2024: 14 / 1 abgebrochen

    gelesen 2023: 55/ 2 abgebrochen / 26075 Seiten

    gelesen 2022: 65 / 26292 Seiten

    gelesen 2021: 94 / 1 abgebrochen / 35469 Seiten


    :montag: Anders Roslund - Engelsgabe

    :study: John Katzenbach - Der Wolf


    Lesen... das geht 1 bis 2 Jahre gut, aber dann ist man süchtig danach.