England hat sich von Europa abgekapselt – der Brexit ist vollzogen, die Grenzen sind geschlossen. Wirtschaftlich hat das England nicht unbedingt nach vorne gebracht, aber davon merkt Sam, die Tochter des stellvertretenden Premierministers nicht wirklich etwas. Sie lebt in einem sicheren Stadtteil Londons und wächst behütet auf. Doch ihre Bekanntschaft mit der zwei Jahre älteren Ava rüttelt sie wach. Plötzlich ist Sam bereit ihre politische Meinung zu hinterfragen, diese zu festigen und sich auch dafür einzusetzen, denn die Situation im Land wird schlimmer, es entstehen terroristische Gruppen und die Regierung gibt den Jugendlichen daran die Schuld, gegen die immer heftigere Sanktionen erteilt werden.
„Exit Now!“ ist die Vorgeschichte (ein Prequel) zur bereits erschienenen „Gelöscht“-Trilogie der englischen Autorin Teri Terry. Das Setting (England nach dem Brexit) hat einen unglaublich realitätsnahen Bezug und passt leider gerade hervorragend in die aktuelle Zeit. Im Roman hat die Regierung einiges versaut. Die Jugendlichen, die bei der Abstimmung keine Stimme hatten, müssen das nun ausbaden und sobald auch nur der Hauch von Kritik aufkommt, nimmt die Regierung das als Kriegserklärung an und schlägt mit voller Härte zurück, weil sie nicht wissen, wie sie sonst damit umgehen sollen.
Der Roman wird abwechselnd aus den Sichten der Protagonisten Sam und Ava geschildert. Die Aufteilung auf diese beiden Ich-Erzählerinnen hat mir gut gefallen. Jedoch bedient sich Terry oft sehr kurzer Kapitel, so dass die Geschichte teilweise abgehakt wirkt. Leider zieht sie sich auch am Anfang sehr hin. Alles bis weit über die Hälfte des Romans würde ich als „Vorgeplänkel“ bezeichnen, welches durchaus abgekürzt hätte werden können. Erst danach nimmt die Geschichte Fahrt auf. Außerdem habe ich anfänglich oft verspürt, dass die Autorin gegen das „Schreibgesetz“ „Show, don’t tell“ verstoßen hat, wodurch das Lesevergnügen zusätzlich etwas betrübt wurde.
Die beiden Figuren sind interessant ausgearbeitet, wirken sympathisch, interessant und agieren authentisch. Es macht Spaß ihnen während des Romans zuzuschauen und vor allem Sam bei ihrer Weiterentwicklung zu beobachten. Die letzten 100 Seiten konnten dann noch einmal richtig überzeugen. Die Spannung wurde erhöht, die Geschichte nimmt rapide an Fahrt auf und die Autorin schafft es Unvorhergesehenes einzubauen. Das hat mich zum größten Teil über den etwas zähen Anfang hinwegtrösten können.
Fazit: Exit now!, welches man sowohl als Vorgeschichte, als Abschluss der Trilogie oder auch als Stand-Alone lesen kann, beginnt leider etwas zäh. Es hat jedoch eine extrem aktuelle Situation zur Thematik, ist daher sehr brisant und wichtig, und gegen Ende hin konnte mich Terry dann auch richtig fesseln. Bleibt nur zu hoffen, dass der reale Brexit nicht annähernd die selben Folgen haben wird, wie in diesem Roman.