A. L. Kahnau - Die Farbe von Schmerz

  • Die Farbe von Schmerz - A. L. Kahnau


    Books on Demand

    448 Seiten

    Drama

    Einzelband

    03. August 2019


    Inhalt:


    Wenn mein Schmerz eine Farbe hätte, dann wäre er lila.


    Sanft fahre ich mit den Fingern über den Fleck. Er hat die Form eines Schwans. Mit langem Hals und breitem Körper.

    Sein Schnabel reicht bis an meinen untersten Rippenbogen, die Schwanzfedern berühren meine linke Hüfte.

    Ein Kunstwerk in Blau-Lila.

    Faszinierend, dass etwas so Grobes wie die Faust meines Stiefvaters etwas so Filigranes wie diesen Fleck erzeugen kann.


    Meinung:


    Brutal und schön.

    Schön und brutal.

    Ehrfurcht, Wut, Glücksgefühl, Kummer, Scham und Traurigkeit.

    Das sind nur ein paar der Emotionen, die diese Geschichte in mir, im wahrsten Sinne des Wortes, losgetreten hat.

    Wie können Menschen nur so grausam mit dem eigenen Fleisch und Blut umgehen?

    Wie schafft man es, bei so etwas ignorant zu sein?

    Was muss passieren, damit man so gehässig und gewalttätig wird?

    Und wie traurig ist die Welt, wenn man sich als 17 jährige nicht mal mehr in den Schutz der eigenen Familie flüchten kann?



    Normale 17 jährige gehen in den Sommerferien schwimmen.

    Sie feiern legendäre Partys, schaffen sich Erinnerungen, hängen mit Freunden ab und genießen das Leben in vollen Zügen.

    Romys Leben jedoch verläuft seit sieben Jahren nicht mehr normal. Ihr bester Freund ist ihr Zimmerschlüssel.

    Die schönste Zeit hat sie, wenn ihre Mutter und ihr Stiefvater arbeiten sind.

    Angst ist das vorherrschende Gefühl. Angst vor dem nächsten verbalen oder physikalischen Schlag.

    Angst vor dem Zucken seines Augenlids oder seines kleinen Fingers. Romy spricht dank ihm fast fließend Körpersprache.

    Aber es ist nicht nur das Körperliche, das sie ertragen muss.

    Es zermürbt einen innerlich, wenn niemand zu dir steht.


    Ich muss gestehen, Romy ist anders als die Protas, die ich kenne.

    Ich hätte sie gerne oft geschüttelt und ihr gesagt, dass sie sich wehren soll, dass sie das nicht länger ertragen muss, doch ihre Verfassung lässt das nicht zu und authentischer als die Autorin das hier beschrieben hat, geht es nur, wenn man es selbst vor Augen hat. Häusliche Gewalt ist niemals schön.

    Doch zum Glück hat Romy ein paar Lichtblicke.

    Die Aussicht auf einen Job, damit sie ausziehen kann und ihre beste Freundin, sowie ihr gemeinsames Hobby.

    Wären da nicht die kleinen Stolperfallen, die das Leben, vor allem in besonders schwierigen Fällen, gerne auslegt.


    Ich habe jedes einzelne Wort, jeden Satz dieser Handlung nachvollziehen können, hatte ein ums andere Mal Gänsehaut und zu jeder Sekunde gingen mir tausend Fragen durch den Kopf. „Die Farbe von Schmerz“ bewegt. Emotional, mental, physisch.

    Sie rumort während des Lesens durch die Eingeweide, macht Bauchschmerzen und Unwohlsein. „Das ist real“, schreit sie.

    „Das passiert jeden Tag da draußen.“


    Die Autorin geht so bedacht und gewählt mit ihren Worten um, sie saugt einen förmlich damit auf, schenkt mit der Handlung Hoffnung, Beklemmungsgefühle, Paranoia und Spannung, obwohl das eigentlich gar nicht sein dürfte.

    Sie spricht mit ihren Geschichten Tabuthemen an, setzt Statements abseits des Mainstreams, rüttelt auf und bricht mit konventionellen Regeln.

    Ein wenig Liebe darf niemals fehlen, denn sonst wäre Romys Story einfach nur grausam und unglaublich. Mit einem Rettungsanker wird sie greifbar.

    Selbst wenn alles verloren ist. Es wäre möglich und der Gedanke reicht aus, um die dunklen Wolken über den Köpfen der Leser etwas zu lichten.


    Romys Leben wird aber nicht nur von ihrer Mutter und ihrem Stiefvater dominiert, nein, da sind auch noch Nat, Simeon, Adam, Esther, Emil und noch viele mehr, die Licht und Dunkel zugleich sein können. Ich fand es erfrischend zu sehen, was Romy tut, wenn sie mehr oder weniger glücklich ist.

    Eine schöne Nuance in der Farbpalette ihres Seins.

    So schön wie dieses Gesamtpaket von Buch.

    Schön und brutal.

    Brutal und schön.


    Fazit:


    „Die Farbe von Schmerz“ tat teilweise fast körperlich weh.

    Die Szenen, die die Autorin hier beschreibt, sind definitiv nichts für schwache Nerven oder für Menschen, bei denen Familie über alles geht.

    Ein starkes Nervenkostüm und das eigene Gedankenchaos im Zaum zu halten sind dabei unerlässlich. Romys Geschichte ist vor allem eins: eine emotionale Berg- und Talfahrt. Eine so breite, tiefgreifende Emotionspalette findet man selten in authentischen Büchern und das Drama sickert an dieser Stelle aus allen Poren. Romy berührt. Sie lässt verzweifeln, träumen, hassen und mit jedem weiteren Satz will man nur noch eins: Helfen.


    Bewertung:


    ⭐️⭐️⭐️⭐️⭐️(5/5)

  • Schon allein der Klappentext beschert mir eine Gänsehaut und einen unangenehmen Schauer. Genau wie die gesamte Geschichte. Denn genau das ist sie: unangenehm. Weil sie ein Thema anspricht, das oft unter den Tisch gekehrt wird. Niemand kann sich vorstellen, dass jemand so etwas Grausames tut. Ein Familienmitglied schlagen. Sein Kind. Seine Frau. Seinen Mann.

    Ich hatte Angst beim Lesen. Angst davor, was Romy als nächstes erleiden muss. Und ich hätte vor Wut heulen können, dass niemand hingesehen hat. Niemand hinsehen wollte.

    Gleichzeitig hat die Autorin mich mit ihrem tollen Schreibstil gefesselt. Ich konnte das Buch nicht aus der Hand legen und habe es an einem Tag durchgelesen. Ich schlug das Buch zu und atmete tief durch. "Die Farbe von Schmerz" hält uns den Spiegel vor. Denn nicht nur Taten hinterlassen Spuren, auch Worte. Doch wenn man mutig ist, gibt es immer Hoffnung.

    Bitte lest diese Geschichte. Vielleicht öffnet sie eure Augen und lässt euch aufmerksamer durch die Welt gehen.