Delia Owens – Der Gesang der Flusskrebse / Where the Crawdads sing

  • Der Gesang der Flusskrebse ♦ Delia Owens | Rezension

    Mit Der Gesang der Flusskrebse hat Delia Owens mit einer zwar anspruchsvollen, aber sehr einfühlsamen Sanftheit des Schreibstils ein Meisterwerk an idyllischen Emotionen geschaffen, wie ich es bisher noch nie gelesen und dabei gefühlt habe.

    Meinung

    Schreibstil und Charaktere

    Owens‘ Protagonisten haben allesamt Hand und Fuss. Sie sind bis ins kleinste Detail durchdacht. Sie wirken so real, dass ich teils das Gefühl hatte einen Erfahrungsbericht, statt eines fiktionalen Romans zu lesen. Jede Beschreibung von Kya und Tate, Jumpin‘ und Mabel, Chase und allen anderen sind sehr präzise ausgearbeitet. Ich fühlte deren Emotionen, ich hörte deren Gedanken in meinem Kopf. Ich wurde zu einem Teil dieses Buches.

    Handlung

    Der Gesang der Flusskrebse wird in zwei Handlungssträngen erzählt. Der größte und auch wichtigste Strang beschäftigt sich mit Kya und ihrem Leben in den 50er Jahren. Kya ist ein 6-jähriges Mädchen, welches zusammen mit ihren Eltern und Geschwistern in der Marsch in North Carolina lebt. Angefangen bei ihrer Mutter, verlassen nach und nach auch ihre Geschwister die Hütte in der Marsch. Kya wird sprichwörtlich von allen zurückgelassen, um dem gewalttätigen Vater zu entkommen. Doch nicht einer schaut zurück. Ich war fassungslos, dass wirklich jeder sie allein zurückgelassen hat. Über die Jahre hinweg entwickelt Kya eine harmonische Einheit mit der Marsch, der dazugehörigen Flora und Fauna. Das Marschland wird Mutter und Freund zu gleichen Teilen für sie.


    Der zweite Strang handelt vom möglichen Mord an Chase Andrews, dem legendären Quarterback des Städtchen Barkley Cove. Chase wird eines Tages tot am Feuerwachturm von zwei Jungen aufgefunden. Von da an beginnt der Sheriff mit den Ermittlungen. Da sich dieser Handlungsstrang eher wenig in der Vordergrund schiebt, wird anfangs nicht ganz klar, was Chase und Kya verbindet. Doch es lässt sich schnell erahnen, dass man dem Marschmädchen, so wird Kya von den Einwohnern von Barkley Cove bezeichnet, verdächtigt. Am Ende des Buches laufen die beiden Stränge ineinander, als die schüchterne Kya wegen Mordes vor Gericht steht. Ich war wie erstarrt, konnte kaum atmen, dass man sie wirklich des Mordes bezichtigte.


    Zitat

    ‚Manche Menschen können ohne wilde Dinge leben, und manche können das nicht.'


    Der Gesang der Flusskrebse hat mich nicht nur im Herzen berührt, sondern auch meine Sicht auf viele Dinge erweitert. Delia Owens ist es gelungen, ein Buch zu schreiben, das unaufdringlich verurteilt, wenn man einen einzigen Menschen wegen seines Andersseins ausgrenzt. Dies bleibt dem Leser aber sehr eindringlich im Gedächtnis. Das Buch bewegt in seiner Gänze tief. Es ist gefüllt mit Hoffnung, Schmerz, Einsamkeit und Liebe, und es war eins meiner Lese-Highlights 2019 werden.


    Durch dieses Buch wurde ich eins mit der Marsch, denn Owens‘ klare und sehr bildliche Beschreibung ließ mich einziehen, in die kleine Hütte an der Lagune. Ich tanzte mit den Möwen und hörte die Flusskrebse singen. Nahm Kya in meine Arme, litt mit ihr, fühlte ihre Einsamkeit tief in meinem Herzen und lachte bittersüße Freudentränen mit ihr. Ich wurde Teil dieses Buches. Ich wurde zu Kya.

    Fazit

    ⭐⭐⭐⭐⭐


    Dieses Buch hat alles, was ein gutes Buch ausmacht. Der Gesang der Flusskrebse ist berührend und unvergesslich. Eine emotionale Meisterleistung.



    This review was first published at The Art of Reading.

    Be different, be kind!

    :study: Godsgrave (The Nevernight Chronicles, #2) • Jay Kristoff

    :montag: Whispers in the Waters (Blood of the Fae, #0.5) • Sarah Chislon

    :musik: Das Bildnis des Dorian Gray • Oscar Wilde


    2023: 7 | 2022: 111 | 2021: 110 | 2020: 90 | 2019: 31 | 2018: 29


    SuB: 702 :uups: | SuB - Beginn 2023: 701 | SuB - Ziel Ende 2023: 680


    The Art of Reading | Support Book Blogger Challenge 2023
  • Inhalt:

    Chase Andrews stirbt, und die Bewohner der ruhigen Küstenstadt Barkley Cove sind sich einig: Schuld ist das Marschmädchen. Kya Clark lebt isoliert im Marschland mit seinen Salzwiesen und Sandbänken. Sie kennt jeden Stein und Seevogel, jede Muschel und Pflanze. Als zwei junge Männer auf die wilde Schöne aufmerksam werden, öffnet Kya sich einem neuen Leben – mit dramatischen Folgen. Delia Owens erzählt intensiv und atmosphärisch davon, dass wir für immer die Kinder bleiben, die wir einmal waren. Und den Geheimnissen und der Gewalt der Natur nichts entgegensetzen können.


    Rezension: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

    Berührend, emotional, aufwühlend, wunderbar


    Kya, das Marschmädchen, und ihr Leben werden von Delia Owens so einfühlsam beschrieben, dass man völlig mühelos in ihre Welt eintauchen und mit ihr mitfühlen kann. Ja, sogar muss. Ist dem Leser die Marsch auch völlig unbekannt, so sieht er durch die Augen von Kya die Schönheit, die Wildheit, die Ehrlichkeit. Eigenschaften die Kya bei den Menschen vermisst. Sie spürt nur Ablehnung, Falschheit und Angst. Doch sie ist eine starke Persönlichkeit.


    „Der Gesang der Flusskrebse“ ist ein Ausspruch, den ihre Mutter früher öfter benutzt hat. Kya schlägt sich anfangs schwer durch, lernt zu überleben und eignet sich einzigartige Fähigkeiten an. Langsam beginnt sie sich für die Welt der Menschen zu öffnen und wird wiederum enttäuscht. Ein weiteres Mal zieht sie sich zurück, nur um Jahre später dieselbe Erfahrung wieder machen zu müssen. Zerbricht nun Kya oder ist sie stark genug auch diese Tragödie zu überstehen?


    Die Sensibilität mit der die Autorin die Figur der Kya, ihr Leben, ihre Entwicklung, die Menschen im Dorf, aber auch Gefühle zu Papier bringt, hat mich regelrecht in den Bann gezogen.


    Meine Worte können diesem Buch wohl nicht gerecht werden. Es ist eine Seltenheit, wie sich die Geschichte ins Innere des Lesers schiebt. Wunderbar und einfach nur zu empfehlen.

    2024 - bis Ende März :study: : 22

    2023 - 100 gelesene Bücher :applause:

    2022 - 84 gelesene Bücher

    2021 - 88 gelesene Bücher

    2020 - 64 gelesene Bücher

    2019 - 65 gelesene Bücher

    2018 - 61 gelesene Bücher


  • Seit dem Erscheinen hat mich das Buch neugierig gemacht - durch das wunderschöne Cover und auch dem ja schon etwas ungewöhnlichen Titel. Dann fing plötzlich ein kleiner Hype an um diese Geschichte und irgendwie hat mich das die ganze Zeit abgehalten, es zu lesen... den Klappentext hab ich mir gar nicht angeschaut; ich wusste nur, dass es hier um ein "wildes Marschmädchen" geht und einen Mord, der ihr untergeschoben werden soll.

    Ich hab das Buch dennoch ohne Erwartungen angefangen und mich sofort in diese wunderschöne Landschaft verliebt, in der Kya in den 50er Jahren aufwächst. Etwas abgelegen und einsam, aber zusammen mit den Eltern und Geschwistern scheinbar ein schönes Leben mitten in der Natur des Marschlandes.
    Doch Kya muss viel zu früh und zu schnell lernen, alleine zurecht zu kommen. Ihr Vater, nach einem Kriegstrauma Alkoholiker, ist gewalttätig und die Mutter verlässt sie eines Tages ohne ein Wort. Auch die Geschwister fliehen nach und nach und Kya bleibt allein zurück.

    Wunder und lebensnahes Wissen, das sie in der Schule nie gelernt hätte. Wahrheiten, die jeder kennen sollte, die aber scheinbar wie die Samenkörner irgendwo verborgen blieben, obwohl sie überall um sie herum offensichtlich waren.
    Zitat Seite 146

    Diese verzweifelte Einsamkeit wird aufgefangen durch die Marsch. Durch die Natur, die Tiere und Pflanzen, mit denen sie sich zutiefst verbunden fühlt - und die Hoffnung, die sie in sich trägt, dass ihre Mutter wiederkommt, auftaucht auf dem Weg zu ihrer Hütte und alles wieder gut wird. Sehr berührend wird diese Entwicklung erzählt, wie Kya um ihr Überleben kämpft, sich etwas einfallen lässt um sich etwas zu essen zu besorgen und Unterstützung erhält von unerwarteter Seite.

    Gleichzeitig erfährt man direkt zu Beginn, dass im Jahr 1969 eine Leiche gefunden wird. Der berühmte und beliebte Quaterback der kleinen Küstenstadt Barkley Cove wird in der Marsch entdeckt und die beiden Cops vermuten, dass mehr als ein Unfall dahintersteckt. Recht schnell wird "das Marschmädchen" verdächtigt. Schon immer eine Außenseiterin und von den Städtern gemieden schüren Gerüchte den Verdacht, dass sie etwas damit zu tun hat.

    Im Wechsel wird das Aufwachsen von Kya, ihre zarten Versuche nach Nähe und Liebe, sowie die Verhaftung und ihre Gerichtsverhandlung beschrieben.
    Ich war mir sehr unschlüssig wie das wohl alles zusammenhängt und nach und nach erfährt man ihre tragische Geschichte. Kyas Erfahrungen sind geprägt vom Verlassenwerden und der Einsamkeit, die ihr Herz immer mehr verschließt gegenüber den Menschen, denen sie nicht trauen kann - aber sich immer mehr öffnet für die Natur, die sie umgibt.

    Im Innern eingeschlossen
    Ist Liebe ein gefangenes Tier
    Das sein eigenes Fleisch frisst.
    Liebe muss umherstreifen
    Am selbst gewählten Ufer landen
    Und atmen.
    Zitat Seit 194

    Es ist eine ruhige Erzählweise, die nur langsam Fahrt aufnimmt und erst im letzten Drittel so richtig in den Kriminalfall einsteigt und die Konsequenzen aufzeigt. Das hat mich aber nicht gestört, weil man sehr gut in die Gefühlswelten der einzelnen Figuren eintauchen und mitfühlen kann.
    Ich hab in einigen Rezensionen gelesen, dass die Charaktere sehr stereotyp sind. Das ist richtig. Aber trotzdem findet man in ihnen Facetten, die tiefgründiger sind. Ich fand auch nicht, dass man darauf zu sehr das Augenmerk lenken sollte, denn auch wenn diese klischeehaften Botschaften mit drinstecken zeigen sie doch sehr deutlich gerade dieses Bild unserer Gesellschaft.

    Wie viel gibst du auf, nur um nicht einsam zu sein?
    Zitat Seite 207

    Dieser Mix aus Familiendrama, dem Erwachsenwerden, der ersten Liebe, der Verbundenheit mit der schützenswerten Natur und der Aufklärung des Todesfalls war ein großartiges Zusammenspiel aus Gefühlen und Entscheidungen, die sehr gut nachvollziehbar waren durch die Erfahrungen und Erlebnisse, die die Personen geprägt haben.
    Ein bisschen viel Liebesgeschichte für mich, aber dennoch passend und auch wichtig für die Handlung - auch wenn ich bei manchen Wörtern in der deutschen Übersetzung gehadert habe, da sie mir nicht zum sonstigen Stil gepasst haben.

    Mir hat es jedenfalls äußerst gut gefallen und ich konnte mit Kya absolut mitfühlen. Ihren harten Weg zum Erwachsen werden, ihren Mut sich nicht aufzugeben und ihre Hoffnung auf Glück waren sehr bewegend!
    Das Ende war genial - auch wenn ich es schon vermutet hatte war es dann doch überraschend.

    Mein Fazit: 5 Sterne

    Den Film hab ich mir übrigens direkt danach angeschaut und die wunderschönen Bilder der Natur und der Landschaften waren absolut beeindruckend! Ein bisschen schade fand ich, dass gerade die vielen Jahre der Kindheit und ihr Überlebenskampf zu kurz kamen - und sie viel taffer dargestellt wurde als im Buch. Ansonsten war der Film aber gut gemacht und hat die Botschaften anschaulich rübergebracht.


    Weltenwanderer