Christian Handel - Sie bestimmen, wer du bist

  • Becoming Elektra: Sie bestimmen, wer du bist - Christian Handel


    Ueberreuter Verlag

    384 Seiten

    Dystopie

    Einzelband

    12. Juli 2019


    Inhalt:


    Wenn dein Leben eine Lüge ist ...


    Als die junge und schöne Elektra Hamilton bei einem Reitunfall ums Leben kommt, erhält Isabel ein unerwartetes Angebot.

    Sie, die Elektra wie aus dem Gesicht geschnitten ist, soll deren Platz einnehmen.

    Sie muss lediglich für immer verschweigen, wer sie wirklich ist.

    Ein Leben in Luxus winkt ihr - und die Verlobung mit dem attraktiven Phillip von Halmen. Zunächst scheint keiner Verdacht zu schöpfen.

    Doch Elektra hatte eigene Geheimnisse und während diese sie langsam einholen, wächst in Isabel die Gewissheit, dass Elektras Tod kein Unfall war.

    Wer trachtete Elektra nach dem Leben?

    Und wird der Mörder erneut zuschlagen?

    Isabel weiß nur, dass sie keinem trauen kann ...


    Meinung:


    Wir schreiben das Jahr 2083.

    Irgendwo auf der hochtechnologisierten Welt, in der es schon Normalität ist, die Natur zu schützen und seine Ressourcen anderweitig zu verplanen.

    Stell dir vor du wirst krank. Sterbenskrank. In der heutigen Zeit kommt man vermutlich auf ellenlange Spenderlisten, für die Hälfte der Patienten gibt es kaum Hoffnungen, dass man rechtzeitig neue Organe bekommt. Nicht so in Isabels und Elektras Zukunft.

    Hier werden menschliche Ersatzteillager für die oberen Zehntausend gezüchtet und in ein Institut gesteckt, das wie ein Auffangbehälter fungiert.

    Stell dir also vor, du lebst in dieser Welt - aber es gibt eins, zwei, drei oder unendlich viele Kopien von dir. Eingepfercht und weggeschlossen.

    Du lebst dein Leben im Luxus und sie haben kein Leben.

    Zumindest nicht solange das Original noch lebt.


    Zunächst einmal: Applaus, Applaus an den ersten männlichen Autor, der mich im Bereich Dystopie begeistern konnte.

    Wobei ich die Geschichte von Isabel eher als Mix aus verschiedenen Genres betrachte. Die Welt, die der werte Herr hier erschaffen hat, ist keinesfalls normal.

    Es ist eine mögliche Zukunftsversion.

    Mit schwebenden Taxis, traumhaften Restaurants, Holoscreens, VitalScans und Technobots für niedere Haushaltsarbeiten.

    Ich liebe solch visionäre Umgebungen. Das versetzt mich glatt in Traumzustände, auch wenn ich mir natürlich nicht alle technischen Spielereien wünsche, die bei „Becoming Elektra“ aufgezählt werden.


    Von meinen Träumen mal abgesehen, gefiel mir die Protagonistin wahnsinnig gut. Isabel erzählt aus ihrer Sicht, wie sie sich in ein Konstrukt aus Politik, Lügen, Machtspielchen und Mord hat verwickeln lassen.

    Zuerst dachte ich, dass sie intrigant ist und sich darauf freut den Platz von ihrem Original Elektra einzunehmen.

    Aber bereits nach den ersten Worten wurde mir klar, dass es zwar eine Erleichterung wird, aus dem Institut zu entkommen, aber keinesfalls angenehm.

    Familie Hamilton ist nämlich alles andere als leicht zu ertragen.

    Doch ich finde, dass Isabel sich ganz gut macht.


    Über die gesamte Handlung hinweg war ich angespannt. Aufgeregt.

    Überrascht und ja, auch entsetzt ob der Skrupellosigkeit gewisser Personen.

    Ich habe mitgefühlt und gelitten und mir den Kopf darüber zerbrochen, wer Unruhe in den Kreisen der Hamiltons stiften könnte.

    Priamos, Egoist und Sturkopf sondergleichen? Seine Frau Sabine?

    Der Stallbursche oder das Dienstmädchen? Die gefühlskalte Tante oder der berechnende Onkel? Existiert ein politisches Interesse? Ein geschäftliches?

    Man muss so viele Faktoren mit einbeziehen, dass ich nie wirklich sicher sein konnte und das hätte ich eigentlich nicht erwartet.

    Umso mehr gefreut hat es mich also, dass ich bei diesem Gentech-Verlobungs-Familienchaos meinen Kopf anstrengen durfte.

    Und mehr als einmal in die Irre geführt wurde.


    Auch die emotionale Seite kommt hier nicht zu kurz.

    Philip von Halmen (bei dem ich immer von Hameln gelesen habe...) klingt nur dem Namen nach hochgestochen.

    Er ist jetzt kein Badboy-Partyprinz oder das krasse Gegenteil davon, sondern ein ganz normaler Typ.

    Nur halt mit Geld und einer Vorliebe für Außergewöhnliches.

    Alles andere müsst ihr selbst herausfinden.


    Fazit:


    Bei „Becoming Elektra“ stimmt eigentlich fast alles.

    Die Charaktere sind authentisch mit genügend Tiefe, um ihnen ihr Handeln auf jeder Ebene abzukaufen.

    Das Setting, das der Autor erschaffen hat ist phänomenal. Teilweise wäre ich echt gern dort gewesen.

    Die Atmosphäre schwankt von drückend zu bedrohlich zu kurios und liebevoll.

    Ein dystopisches Zukunftsszenario, das durch Thrillerelemente hin und wieder Adrenalinspritzen bekommt.

    Fesselnd, berauschend und erschreckend zugleich.

    Zusammengefasst: „Becoming Elektra“ ist ein riesiges Überraschungsei.

    Jetzt bräuchte es nur noch eine Fortsetzung.


    Bewertung:


    ⭐️⭐️⭐️⭐️⭐️(5/5)

  • Nachdenkliche, futuristische Geschichte mit vielen Geheimnissen und großer Spannung


    Klappentext

    „Als die junge und schöne Elektra Hamilton bei einem Reitunfall ums Leben kommt, erhält Isabel ein unerwartetes Angebot. Sie, die Elektra wie aus dem Gesicht geschnitten ist, soll deren Platz einnehmen. Sie muss lediglich für immer verschweigen, wer sie wirklich ist. Ein Leben in Luxus winkt ihr - und die Verlobung mit dem attraktiven Phillip von Halmen.

    Zunächst scheint keiner Verdacht zu schöpfen. Doch Elektra hatte eigene Geheimnisse und während diese sie langsam einholen, wächst in Isabel die Gewissheit, dass Elektras Tod kein Unfall war. Wer trachtete Elektra nach dem Leben? Und wird der Mörder erneut zuschlagen?

    Isabel weiß nur, dass sie keinem trauen kann ...“


    Gestaltung

    Vor allem die Farben und die Lichteffekte gefallen mir an dem Cover richtig gut, denn das frische Blau lässt das dunkle Rot des Kleides noch mehr strahlen. Durch die Lichteffekte scheint das Kleid mit Goldstaub bestreut zu werden und das Blau zu changieren. Die schwarze Dornenranke vor dem Kleid ist ein Detail, das man bei genauerem Hinsehen erkennt und das dem Cover eine interessante Note verleiht, da sie darauf hinweisen könnte, dass die Handlung auch gefährlich ist. Dadurch dass die Frau im Kleid gespiegelt wurde, wird der Titelschriftzug in der Mitte schön betont.


    Meine Meinung

    Geheimnisse? Ein Mord? Zweifel überall? Das ist der perfekte Lesestoff für mich! So ungefähr klangen meine Gedanken beim Lesen des Klappentextes. Kaum lag „Becoming Elektra“ in meinen Händen, hatte ich es auch schon aufgeschlagen und gefühlt inhaliert. In dem Buch geht es um Isabel, die der verstorbenen Elektra wie aus dem Gesicht geschnitten ist. Sie bekommt das Angebot, Elektras Identität anzunehmen. Isabels Identitätswechsel wäre so viel einfacher vonstattengegangen, hätte Elektra nicht einige Geheimnisse gehabt. Doch das ist nicht alles: Isabel vermutet, dass Elektras Tod kein Unfall war, sondern Mord…


    Erst kürzlich las ich ein Buch, das sich auch mit der Thematik des Wechsels von Identitäten beschäftigte. Doch das Konzept von „Becoming Elektra“ hat mir viel, viel besser gefallen, da es Erklärungen für die Ähnlichkeit liefert und zum Nachdenken anregt. Auch fand ich es klasse, wie auf dieses Thema eingegangen wurde und wie es im Buch behandelt wurde, da verschiedene Aspekte der Thematik beleuchtet wurden. Die Idee hinter der Ähnlichkeit von Isabel zu Elektra (über die ich hier aus Spoilergründen nichts Näheres verraten möchte) fand ich unglaublich interessant und futuristisch. So bekam die Geschichte auch leicht dystopische Züge, was mich richtig begeistert hat.


    Zudem kamen mit Isabels Identitätsübernahme von Elektra Themen wie Selbstfindung und Selbstzweifel in die Geschichte hinein. Je länger Isabel die Rolle von Elektra spielt, desto unsicherer wird sie sich ihres eigenen Selbst. So durchläuft sie einige Sinnkrisen, die der Autor für mich sehr verständlich und anschaulich beschrieben hat. Sowieso konnte ich mich durch den Erzähl- und Schreibstil des Autors gut in die Geschichte einfinden, da sie aus der Ich-Perspektive geschildert wird und ich so direkten Zugang zu den Gedanken der Protagonistin hatte. Auf diese Weise fiel es mir leichter, ihre Gefühlswelt zu verstehen und zu erkennen, was sie bewegt oder verunsichert.


    Isabel ist verständlicherweise zunächst ziemlich überfordert mit Elektras Leben und als wäre das nicht genug, ist Elektras Mörder später auch hinter ihr her. Sie lebt mit dem ständigen Gedanken, dass sie niemandem trauen darf und kann. Und genau das ist es auch, was auch dem Leser stets durch den Kopf schwebt. Ich habe alles hinterfragt, jede Handlung und jede Aussage der Charaktere, sodass ich wirklich an den Seiten klebte. Die verborgenen Geheimnisse sorgen für riesige Spannung und weckten meine Neugierde, mehr herausfinden zu wollen. Ich fand es dabei auch klasse, wie diese Unsicherheit auch gezeigt hat, dass hinter manchen Menschen mehr steckt, als man zunächst denkt.


    Isabel fand ich zudem auch richtig sympathisch, denn sie ist klug, nachdenklich und loyal. Gerade angesichts ihrer Geschichte (die etwas mit dem zuvor angedeuteten Hintergrund zu ihrer Ähnlichkeit mit Elektra zutun hat) ist ihre Entwicklung absolut mitreißend. Ihren bzw. Elektras Verlobten Phillip mochte ich total gerne, denn er war so bemüht um Isabel, was mir sehr zu Herzen ging. Dann gibt es da noch Hektor, der sein wahres Ich hinter einer gewissen Distanz verborgen hat und dessen Charakter einfach unter die Haut geht.


    Fazit

    Mit „Becoming Elektra“ hat Christian Handel eine moderne Geschichte über Identität und spannende Geheimnisse geschrieben, die vor allem durch die Zweifel und die Rätsel für einen intensiven Lesesog sorgt. Die Idee für die Ähnlichkeit der Protagonistin mit Elektra fand ich sehr fesselnd und das damit verbundene futuristische Thema hervorragend umgesetzt. Der Schreibstil von Christian Handel ist dabei schnörkellos einfach und genau zur Geschichte passend, wobei durch die Erzählperspektive eine schöne Nähe zur Protagonistin erzeugt wird. Mich haben gerade die Geheimnisse und die Zweifel, wem man trauen kann, in die Geschichte gesogen!

    5 von 5 Sternen!


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