Milena Moser - Montagsmenschen

  • Verlagstext

    Als Balletttänzerin und als Yoga-Lehrerin konnte sich die 36-jährige Nevada stets auf ihren Körper verlassen. Plötzlich aber lässt er sie im Stich. Drei Schüler halten ihr dennoch die Treue und kommen immer montags zum Kurs. Als ein Mord geschieht, gesteht eine Schülerin die Tat der Polizei - allerdings ohne sie begangen zu haben, wie Nevada mit Hilfe eines Yoga-Spruchs herausfindet. Milena Mosers neuer Roman knüpft an ihre großen Erfolge an: treffend beobachtet, spannend und witzig erzählt, verwickelt die Autorin aus der Schweiz vier Menschen in ein tragikomisch-furioses Lebens- und Liebesdrama.


    Die Autorin

    Milena Moser, 1963 in Zürich geboren, arbeitete nach einer Buchhändlerlehre (1982–1984) seit 1988 für das Schweizer Radio DRS und für Zeitungen, bevor sie durch ihre Romane und Erzählungen über die tragikomischen Wechselfälle des Lebens berühmt wurde. Sie veröffentlichte 1990 ihre erste Kurzgeschichtensammlung "Gebrochene Herzen oder Mein erster bis elfter Mord" in einem eigens von ihren Freunden für sie gegründeten Verlag – 1991 landete sie mit "Die Putzfraueninsel" ihren ersten Bestseller. Die Verfilmung des Romans durch Peter Timm wurde preisgekrönt. Milena Moser schreibt seit 2006 regelmäßig Kolumnen für die Schweizer Familie und betreibt zusammen mit Sibylle Berg und Anne Wieser eine Schreibschule (ab 2009).


    Inhalt

    Aus der Rolle gefallen

    Nevada müsste sich wie das blühende Leben fühlen. Sie lebt vegan, fühlt sich im spirituellen Unterbau des Yoga sicher und hat täglich schon zwei Stunden Yoga praktiziert, wenn zur ersten Yogastunde ihre Schüler eintrudeln. Doch Nevada ist völlig erschöpft, fühlt sich, als hätte die Erdanziehungskraft sich plötzlich verdoppelt. Wenn die bewunderte, stets disziplinierte Yogalehrerin Schwäche zeigt, stört sie die Erwartungen ihrer Teilnehmer, deren Leben glücklicher und leichter zu machen. Nevada fällt aus der Rolle und bringt damit das labile Gleichgewicht im Team der Yogaschule ins Wanken. In der Montagsstunde treffen sich Poppy, Maria und Ted, deren Lebensgeschichte Milena Moser in allen Einzelheiten vor ihren Lesern entfaltet. Poppy plagt sich schon seit zwanzig Jahren damit, eine erfolgreiche Yoga-Schülerin zu sein. Doch das Chaos ist stärker als Poppy - genau so, wie es auch bei ihrer Mutter schon war. Poppy arbeitet im Archiv der Zeitung, fürchtet täglich, dass ihre Stelle gestrichen wird. Ihre Söhne leben mit dem Vater und dessen zweiter Frau. Marie arbeitet als Ärztin im Krankenhaus und ist mit dem Arzt-Darsteller einer populären Fernsehserie verheiratet. Die abschätzigen Blicke ihrer Kollegen sprechen für sich - wie kann so ein attraktiver Mann mit einer rundlichen Frau wie Marie zusammen sein? Maries Traum, Hausärztin auf dem Land zu sein, muss ungeträumt bleiben, solange es in der Schweiz kein akzeptiertes Modell für die Rolle des Landärztin-Ehemannes gibt. Dion wird diese Rolle jedenfalls nicht übernehmen. Nevadas Leben steht unter einem tragischen Stern, seit ihre Eltern sie nach einer totgeborenen Schwester nannten. Wie viele Töchter ehrgeiziger Mütter kennt Nevada den Zwang, dünn und kreativ sein zu müssen, damit ihre Mutter sie überhaupt wahrnimmt. Ihre Tätigkeit als Yogalehrerein setzt den Fitness-Wahnsinn von Nevadas Mutter mit anderen Mitteln fort. Nevada und Poppy haben nie darüber gesprochen - auch Nevada war als Kind kritisiert worden, weil sie sich im Ballettunterricht nicht als eine Schneeflocke von vielen einordnen wollte.


    In die Yogastunde am Montag schneit aus Zufall der Lehrer Ted, nachdem die Mutter seiner Tochter ihn mal wieder versetzt hat. Als einziger Mann unter Frauen - diese Situation kennt Ted aus der Grundschule nur zu gut. Wie auch Poppy, Nevada und Poppys Exmann Peter war Ted mit den Wohn- und Erziehungs-Experimenten einer sich selbst verwirklichenden Mutter aufgewachsen. Mütter, Partnerinnen, Tochter, Kolleginnen, in Teds Leben gibt es deutlich zu viele Frauen. Für Ted ist anfangs nur schwer eine Trennlinie auszumachen zwischen der Generation der Mütter, die alles allein schaffen wollten, und den postfeministischen jüngeren Frauen, die offenbar keinem Mann auch nur die Betreuung eines Schulkinds zutrauen.


    Dass Nevada an diesem Montagabend in der Stunde zusammenbricht, verknüpft für kurze Zeit die Lebenswege der vier Personen, ihrer Partner und Kinder. Alle vier verbindet die Erfahrung, dass man seine Eltern nicht dadurch abschütteln kann, indem man so tut, als hätte man keine Eltern. Maria fühlt sich als Ärztin dafür verantwortlich, dass Nevada gründlich untersucht wird; sie nimmt Nevadas Krankheit als persönliche Herausforderung an. Doch deren Marathon von einem Spezialisten zum anderen bringt zunächst keine Diagnose - und damit die Befürchtung, dass Nevada an keiner harmlosen Krankheit leidet. Nevadas Existenz ist bedroht; die Kolleginnen, die ihre Stunden und die Bezahlung dafür übernehmen wollen, stehen schon in den Startlöchern. In diese deprimierende Situation platzt Gion, der prominente Arztdarsteller mit der empfindsamen Künstlerpsyche. Nevadas Erkrankung und Gions gockelhafte Neuinszenierung als Yogaschüler setzen in den Beziehungen der Beteiligten ungeahnte Verwerfungen in Gang.


    Fazit

    Chakren, Spiritualität, alles Paperlapapp - wie im richtigen Leben will in diesem Roman jeder geliebt werden, schön und gesund sein. Milena Moser kratzt hinreißend bissig am Lack, holt unangenehme Gespenster der Vergangenheit aus dem Keller und nimmt wie eine gütige Geschichtenerzählerin ihre Protagonisten an die Hand. "Montagsmenschen" wirkt mit leichter Hand geschrieben und ist dabei kein leichter Unterhaltungsroman über die Leere im Leben gutsituierter Frauen. Die Geschichte von der Balance zwischen Perfektion und Loslassenkönnen wirkt streckenweise schonungslos und deprimierend. Am Ende passiert mir das, was Milena Moser selbst über ihre Figuren sagt: wie Kinder möchte ich "jede einzelne ins Bett bringen und zudecken dürfen".


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Naylor - Die Stimme der Kraken

    :musik: --


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Falls ihr das Buch lesen wollt, guckt nicht in die Rezis bei amazon... Die sollten dort mal eine Spoiler-Funktion einführen. :roll:

    :study: Han Kang - Griechischstunden

    :study: Nadia Murad - Ich bin eure Stimme

    :study: I. L. Callis - Doch das Messer sieht man nicht

    :musik: Asako Yuzuki - Butter (Re-???)

    :montag: Deb Olin Unferth - Happy Green Family (Reread)