Autor: Jérôme Ferrari
Titel: Balco Atlantico, aus dem Französischen von Christian Ruzicska und Paul Sourzac
Originaltitel: Balco Atlantico, erschien erstmals 2008
Seiten: 174 Seiten
Verlag: Secession Verlag für Literatur
ISBN: 9783905951240
Der Autor: (Klappentext):
Jérôme Ferrari, geboren 1968 in Paris, ist Philosophielehrer. Nachdem er am internationalen Gymnasium von Algier und später auf Korsika unterrichtet hat, arbeitet er heute in Abu Dhabi. Sein Werk erscheint in Frankreich bei Actes Sud.
Für seinen Roman «Und meine Seele liess ich zurück» hat er den Grand Prix Poncetton SGDL 2010, sowie den Prix Roman France Télévisions 2010 erhalten, sein Roman «Predigt auf den Untergang Roms» wurde 2012 mit dem Prix Goncourt ausgezeichnet und von den Buchhändlern als eines der besten Bücher des Jahres gefeiert.
Inhalt: (Klappentext)
Korsika. Ein Dorf. Eine Bar. Und aus nächster Nähe werden des Nachts dem jungen Nationalisten Stéphane Campana zwei Gewehrkugeln in den Leib gejagt. Seine Geliebte, Virginie Susini, klammert sich völlig nackt an seinen blutigen Leichnam, trauriges Abbild ihrer ungleichen, ebenso mythischen wie heilig naiven Liebe zu ihm. Vincent Leandri, Kopf der Untergrundbewegung, verliert in der Monotonie seines Lebens jeglichen Grund zur Freude. Er wird zu spät begreifen, dass Rache nichts wiedergutmacht, sondern nur zum endlosen Pulsschlag lähmender Sinnlosigkeit gehört. Und Hayet, die schöne marokkanische Kellnerin der Bar, sie eröffnet uns voller Trauer mit ihrer ruhigen Erzählung über ihrem ermordeten Bruder Khalet die Aussicht auf Güte: In ihr bewahren wir die Hoffnung auf Liebe, trotz der Ohnmacht gegenüber unserer rätselhaften Wirklichkeit, die wir selbst produzieren, aber unser Schicksal nennen.
Meinung:
Der Roman beginnt und endet mit einem Erzählstrang im Oktober 2000: Stéphane Campana wird erschossen. Von hier aus springt die Erzählung zurück bis ins Jahr 1985, dann etwas vor in die 90er Jahre, dann wieder Zeitsprünge vor und zurück... – man sollte als Leser auf die Kapitelüberschriften achten (die eine entsprechende Jahreszahl enthält), damit man nicht den Anschluss verliert. Hinzu kommt, dass nahezu jedes Kapitel aus der Sicht eines anderen Protagonisten erzählt wird. Und schließlich gibt es zwischen den Kapiteln noch sogenannte Intermezzi mit dem Titel «Hinter Euch das Meer», welche auf die Rede von Tariq ibn Ziyad an seine Armee aus dem Jahre 711 anspielen, von der ein Auszug übrigens dem Roman vorangestellt ist.
Man ahnt es vielleicht schon: eine komplexe Lektüre, verschachtelt aufgebaut. Aber worum geht es eigentlich? Ein Kriminalroman ist es nicht wirklich, hatte ich auch nicht erwartet. Was ich eher erwartet hatte, war ein politischer Roman. Die korsische Nationale Befreiungsfront spielt eine Rolle, es geschieht ein politischer (?) Mord, das Verhältnis zwischen «Festlandfranzosen und Korsen»,... das hätte ich gerne mehr thematisiert gesehen. Und da der Autor Philosophielehrer ist, hätte ich mir vielleicht auch ein paar Gedankenspiele gewünscht, tiefere Überlegungen zu irgendwas, aber irgendwie blieb mir alles zu oberflächlich. Schlecht war das Buch nicht, aber so richtig anfreunden konnte ich mich auch nicht. Ich hätte kein Problem gehabt, wenn der Roman dreimal so lang gewesen wäre. So aber blieben die Personen und ihre Probleme wie Mosaikstückchen allein und fügten sich für mich nicht zu einem vernünftigen Bild zusammen.
Ich las Rezensionen, die von der korsischen Seele im Text schwärmten. Ich weiß nicht. Das Buch besteht im Prinzip nur aus Lüge, Hass, Gewalt, Misstrauen, sexuellem Missbrauch, und so weiter. Alle Personen sind einsam, verzweifelt, desillusioniert, - das gleich mal als Portrait des korsischen Seelenzustands zu beschreiben, widerstrebt mir doch sehr.
Am Ende bleibe ich etwas ratlos zurück und überlege, ob und wann ich weitere Bücher von Ferrari lesen sollte.