Zsuzsa Bánk - Schlafen werden wir später

  • Verlagstext

    Die Schriftstellerin Márta lebt mit Mann und drei Kindern in einer deutschen Großstadt. Obwohl sie ihre Kinder über alles liebt, kämpft sie jeden Tag darum, in ihrem Leben nicht unterzugehen und ihre Arbeit gegen die Zumutungen des Alltags zu verteidigen. - Ihre Freundin Johanna hingegen, mit der sie seit früher Kindheit eine innige Freundschaft verbindet, ist Lehrerin im Schwarzwald und kinderlos. Statt mit ihrer Doktorarbeit über Annette von Droste-Hülshoff weiter zu kommen, kämpft sie mit den Gespenstern ihrer Vergangenheit: mit dem Mann, der sie verlassen hat, mit dem Krebs, den sie überwunden geglaubt hat, mit ihrem Vater, der so jung gestorben ist. - Jetzt, mit Anfang 40, liegt die Mitte des Lebens hinter ihnen, sind Lebensweichen gestellt, wichtige Entscheidungen getroffen, ist ein Richtungswechsel nicht mehr vorgesehen. Aber soll das alles gewesen sein? Márta und Johanna schreiben einander E-Mails von großer Tiefe, Offenheit und Emotionalität. Ihre Mails sind ergreifende Dokumente eines täglichen Ringens um Selbstbehauptung, Freiheit und Glück. Beide Frauen wissen, dass sie mehr wollen als noch nicht sterben. Aber was machen sie jetzt mit diesem Leben, dessen Weg sie zur Hälfte schon gegangen sind? Und was macht das Leben mit ihnen?


    Die Autorin

    Zsuzsa Bánk, geboren 1965, arbeitete als Buchhändlerin und studierte anschließend in Mainz und Washington Publizistik, Politikwissenschaft und Literatur. Heute lebt sie als Autorin mit ihrem Mann und zwei Kindern in Frankfurt am Main. Für ihren ersten Roman „Der Schwimmer“ wurde sie mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnet. Für die Erzählung „Unter Hunden“ aus ihrem Erzählungsband „Heißester Sommer“ erhielt sie den Bettina-von-Arnim-Preis. Zuletzt erschien ihr Roman „Die hellen Tage“.


    Inhalt

    Márta ist Anfang vierzig, Autorin und Mutter von drei Kindern. Ihre Eltern sind 1956 aus Ungarn nach Deutschland geflüchtet. Mártas Lyrik wurde in mehrere Sprachen übersetzt; als Lyrikerin ist sie international anerkannt und arbeitet zurzeit an einem Band mit Erzählungen. In ihren wenigen freien Stunden pflegt Márta einen intensiven Mailwechsel mit ihrer Jugendfreundin Johanna. Obwohl sich die Reisewege der beiden Frauen theoretisch öfter kreuzen, gelingt ihnen nur selten ein Treffen im realen Leben. Johannas Partnerbeziehung ist an ihrer Krebserkrankung zerbrochen. Sie arbeitet wieder als Lehrerin und an ihrer Promotion über Annette von Droste-Hülshoff. Im Leben der Freundinnen wäre es Zeit für eine Lebensbilanz, doch zumindest Márta wird dazu noch zu stark vom Alltag mit kleinen Kindern ausgelaugt. Das Baby Henri wird noch gestillt und schreit sehr viel. Die Tochter im Grundschulalter erhält Zuwendung aufgrund ihrer Schulprobleme; der ältere Sohn scheint nur Beachtung zu erhalten, wenn er krank ist. Márta findet, wer Kinder habe, könne in dieser Lebensphase nicht schreiben. Objektiv ist Márta als Autorin erfolgreich; sie wird zu Lesungen ins Ausland eingeladen und bekommt Aufträge als freie Mitarbeiterin. Doch anders als ihr Mann kann sie während der Zeitfenster, in denen die Kinder versorgt sind, nicht auf Knopfdruck schöpferisch sein. Mártas Mann arbeitet ebenfalls freiberuflich als Autor. Das gemeinsame Einkommen und die verfügbare Zeit des Paares fallen stets zu knapp aus. Den Umgang mit Zeit erlebt die gestresste Mutter im Urlaub in Ungarn völlig anders, dort ist Zeit einfach da und niemand fragt den anderen: hast du Zeit? Ein wiederkehrender Konflikt zwischen den Partnern ist der gegenseitige Vorwurf, der andere fühle sich zu wenig verantwortlich für die Kinder.


    Weitere Figuren erweitern den Blick auf die Lebenssituation der Freundinnen. Mártas Familie wird von der Partnerin des verstorbenen Schwiegervaters unterstützt; die Márta aufgrund von Alter und Krankheit zunehmend Sorgen bereitet. Johanna unterstützt eine Freundin, Mutter mehrerer Kinder, in deren Blumenladen. Obwohl Márta tatkräftige Hilfe von ihren Eltern und Geschwistern erhält, ist sie vom Alltagschaos völlig erschöpft. In Mártas Situation ist das Glas stets halbleer, niemals halbvoll.


    Anfangs wirkt die Beziehung der Freundinnen sehr einseitig, Márta klagt über ihr „verhaktes Leben“, das sich jedoch kaum von der Lage anderer Familien mit kleinen Kindern unterscheidet; Johanna erhält von Márta selten Zuspruch für ihre Doktorarbeit. Innerhalb des drei Jahre dauernden Mailkontakts erobert Johanna sich in der Freundschaft Raum und kann sich mit ihrer Familiengeschichte versöhnen. Die Tonlage zwischen beiden Frauen klingt allmählich kritischer, ichbezogener, obwohl ihre Sprache große Innigkeit vorgibt. Ein klagendes „Du hast es leichter als ich“ führt eine Freundschaft auf dünnes Eis. Márta erkennt das Ungleichgewicht in ihrer Beziehung zu Johanna erst spät. In Atempausen zwischen der unmittelbaren Belastung durch die Kinder hätte ich mir von Márta einen Ansatz von Selbstkritik gewünscht. Wie viel Tunnelblick auf die eigenen Probleme verträgt diese Frauenfreundschaft, wie viel unterschwelligen Neid und wie viel Unverständnis für den jeweils anderen Lebensentwurf, habe ich mich immer wieder gefragt.


    Fazit

    Mártas Wahl ihres Buchtitels „Das andere Zimmer“ deutet neben der Anspielung auf ein Zimmer für sie allein zusätzlich eine verborgene Symbolik in ihrer Biografie als Autorin an. Er setzt sich - höchst aktuell in der Vereinbarkeits-Debatte - mit Lebensentwürfen von Autorinnen auseinander, die Mütter sind. Márta dominierte für meinen Geschmack die Handlung zu stark; die sprachliche Annäherung zweier Autorinnen im privaten Gebrauchstext fand ich jedoch sehr fesselnd, besonders das Verstecken von Alltäglichkeiten hinter sprachlichen Rüschen. „Schlafen werden wir später“, (wenn dafür Zeit ist) war durch seinen reinen Umfang und Mártas Persönlichkeit ein anstrengender Roman für mich.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Toibin - Long Island

    :musik: -- Catton - Gestirne; Rehear


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Vielen Dank für die Rezension, Buchdoktor.


    Ich bin grade ziemlich am Anfang des Buches (ca. 20 %) und überlege mit jedem Márta-Mail, ob ich aufhören soll. Ihre wehleidige, selbstmitleidige, anklagende Art zu schreiben geht mir sowas von auf die Nerven. Und dafür, dass sie glaubt, ein bemitleidenswertes Opfer zu sein, weil sie sich nun mal dazu entschlossen hat, drei Kinder in die Welt zu setzen, habe ich überhaupt kein Verständnis.


    Johanna geht ein bisschen besser und sie kann ich besser verstehen, aber auch sie jammert und klagt ein wenig zu viel für meinen Geschmack.


    Ich glaube nicht, dass ich jemals so eine depressive Geschichte gelesen habe und eigentlich zieht sie mich ziemlich runter.


    Na, schau ma mal, Kindle sagt, noch gut sechs Stunden Restlesezeit...

  • Die Fragen, wie viel Mimi eine alte Freundschaft aushält und ob Mütter und kinderlose Frauen dauerhaft miteinander befreundet sein können, sind ja nicht verkehrt. Oder auch, ob sich Mutterschaft und Autorentätigkeit (von Frauen) ausschließen. Vielleicht war die Zeit für das Thema noch nicht reif. Die Diskussion, wie viele Schreib-Stipendien mit Kinderbetreuung vergeben werden, kam erst lange nach diesem Buch ...

    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Toibin - Long Island

    :musik: -- Catton - Gestirne; Rehear


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • eigentlich zieht sie mich ziemlich runter

    Kann ich gut verstehen. Obwohl ich die anderen Bücher der Autorin gern gelesen und eine Lesung besucht habe, in der sie viel über das Schreiben von "Schlafen werden wir später" erzählte, wollte ich es nicht lesen.

    Ich hatte es in der Bücherei schon in der Hand, darin geblättert, aber wieder weg gelegt.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Ich kenne bisher nur "Die hellen Tage", und dieses Buch habe ich geliebt. Es ist Jahre her, dass ich es gelesen habe, aber ich denke noch immer gerne daran zurück.


    Bei "Schlafen werden wir später", vermute ich mal, wird das nicht so sein. Abbrechen werde ich es dennoch (noch) nicht.

  • Die Fragen, wie viel Mimi eine alte Freundschaft aushält und ob Mütter und kinderlose Frauen dauerhaft miteinander befreundet sein können,

    Der Punkt ist der: Meine Freundin kann mir vorjammern, soviel sie muss. Ich werde immer ein offenes Ohr für sie haben, aber Márta und Johanna sind nicht meine Freundinnen und ich mag mich mit ihren Problemen eigentlich nicht belasten.


    Diese o. a. Freundin hat eine Tochter, die ich liebe als wäre sie meine eigene und ich selbst bin kinderlos. Unsere Freundschaft hält seit wir 12 waren.